Der halbe Vorstand soll weg ThyssenKrupp will Neuanfang
05.12.2012, 20:40 Uhr
Das Desaster im US-Stahlgeschäft und diverse Korruptionsvorwürfe und Klagen hinterlassen bei ThyssenKrupp Spuren. Deutschlands größter Stahlkonzern setzt mehrere Vorstände vor die Tür. Der Dax-Konzern will damit ein klares "Signal für einen nach innen und außen" setzen.
ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger macht einen radikalen Schnitt im Vorstand. Nach Korruptionsvorwürfen und hohen Verlusten in Amerika sollen mit Edwin Eichler, Olaf Berlien und Jürgen Claassen gleich drei der sechs Vorstände den Industriekonzern zum Jahresende verlassen. Dies habe der Personalausschuss des Aufsichtsrats dem Gremium empfohlen, teilte ThyssenKrupp mit. Damit zieht Deutschlands größter Stahlkonzern Konsequenzen aus dem Milliardendebakel beim Bau von Stahlwerken in Brasilien und den USA sowie der Aufdeckung einer Reihe von Korruptionsfällen.

Bei ThyssenKrupp brennt's: Verluste in Amerika, Klagen und nun müssen drei Vorstände gehen.
(Foto: REUTERS)
Der Schritt diene den «notwendigen Veränderungen des Führungs systems und der Führungskultur im Konzern» und sei ein "klares Signal nach außen und nach innen", heißt es in der Mitteilung. Endgültig soll der Aufsichtsrat am Montag entscheiden. Eichler, Berlien und Classen seien mit der einvernehmlichen Aufhebung ihrer Verträge einverstanden. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat begrüßten die Pläne als "Signal für einen Neuanfang".
Kartell und andere Klagen
Auf ThyssenKrupp kommen nach der Aufdeckung eines Aufzugs- und Rolltreppenkartells gleich mehrere Schadenersatzklagen zu. Dem Berliner Landgericht liegen Schadenersatzklagen von Städten und der Bahn sowie von mehreren Bauunternehmen vor. Die EU-Kommission hatte bereits eine millionenschweren Geldbuße verhängt. Berlien ist für den betroffen Unternehmensbereich Aufzugtechnik zuständig. Sein Vertrag sollte eigentlich erst am 31. März 2017 auslaufen.
In der Vergangenheit war der Essener Konzern auch mit einem Schienenkartell in die Schlagzeilen geraten. Das Schienenkartell war im vergangenen Jahr aufgeflogen. Das Bundeskartellamt hatte daraufhin im Juli dieses Jahres wegen Absprachen zulasten der Bahn ein Bußgeld von 103 Mio. Euro gegen ThyssenKrupp verhängt.
Claassen steht wegen Luxusreisen mit Journalisten und eigener Reisen in der Kritik. Die Staatsanwaltschaft Essen prüft die Aufnahme von Ermittlungen wegen Untreue. Claassen hatte bereits am vergangenen Wochenende den Aufsichtsrat gebeten, ihn bis auf weiteres von seinen Vorstandsaufgaben zu entbinden. Der frühere Pressesprecher war im Vorstand für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben zuständig, sein Vertrag sollte ursprünglich bis 20. Januar 2016 gehen.
Edwin Eichler ist bisher im Vorstand für die Stahlsparte zuständig, sein Vertrag sollte am 30. September 2017 enden. Für seine Sparte Steel Americas mit den Werken in Brasilien und den USA sucht ThyssenKrupp Käufer. Die Anlagen haben sich als Milliardengrab erwiesen. Der Bau und Hochlauf beider Werke hat nach Angaben von Hiesinger aus dem Mai bislang rund zwölf Milliarden Euro verschlungen. Die Prüfung der Projekte habe ergeben, dass die Planungen des früheren Vorstands deutlich zu optimistisch gewesen seien oder sich im Nachhinein als falsch erwiesen hätten, teilte ThyssenKrupp jetzt mit.
Die IG Metall erklärte, die Trennung von den drei Vorständen werde von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat als Zeichen eines grundsätzlichen Neuanfangs begrüßt. "ThyssenKrupp steht vor großen Herausforderungen und braucht das Vertrauen der Kunden und der Beschäftigten. Das geht nur mit einem echten Neuanfang", sagte Aufsichtsratsvize und IG-Metall-Vorstand Bertin Eichler.
Quelle: ntv.de, dpa/rts