150 Maßnahmen für Griechenland Troika favorisiert Schuldenerlass
28.10.2012, 11:40 Uhr
Landunter in Griechenland. Was tun, um den Euro über Wasser zu halten? Schuldenschnitt? Schuldenrückkauf? Die Geister scheiden sich.
(Foto: REUTERS)
Ungeachtet der Einwände aus Deutschland machen die internationalen Gläubiger sich die Idee eines zweiten Schuldenschnitts für Griechenland, diesmal unter Einbeziehung der öffentlichen Gläubiger, zu Eigen. Die Maßnahme würde erstmals die Steuerzahler direkt treffen. Umgekehrt zieht die Troika aber auch das Sparkorsett deutlich enger.
Die Gläubiger-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) schlägt laut einem Bericht des "Spiegel" einen weiteren Schuldenschnitt für das hoch verschuldete Griechenland vor. Wie das Nachrichtenmagazin meldete, unterbreiteten die Troika-Vertreter ihren Vorschlag am vergangenen Donnerstag bei einer Vorbereitungssitzung für das nächste Finanzministertreffen der Eurozone. Der Vorschlag sieht demnach vor, dass sich vor allem die öffentlichen Gläubiger Griechenlands an der Maßnahme beteiligen und auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten. Damit würden die Steuerzahler deutlich belastet.
Bei dem Treffen, an dem Spitzenbeamte der Finanzministerien teilnahmen, sei der Vorschlag auf den Widerstand mehrerer Staaten gestoßen, darunter auch Deutschland, berichtete der "Spiegel". Viele Teilnehmer hätten gesagt, sie wollten das Geld nicht verlieren, das ihre Regierungen für Unterstützungszahlungen für Griechenland vergeben hätten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erneuerte im Deutschlandfunk seine Bedenken gegen einen zweiten Schuldenschnitt. Die Diskussion sei nicht "realistisch", da das Haushaltsrecht es verbiete, einem Schuldner wie Griechenland, der seine Forderungen gerade nicht bediene, auch noch neues Geld zu geben. Die EZB wäre dem Bericht zufolge von einem Schuldenschnitt ausgenommen, weil ihr diese Form der Staatsfinanzierung untersagt ist. Die Zentralbank habe sich aber bereit erklärt, ihre Gewinne aus griechischen Anleihen zur Verfügung zu stellen.
Praller Maßnahmenkatalog für Athen
Wie das Magazin weiter berichtete, verlangt die Troika von Griechenland dutzende neue Maßnahmen. In einem Zwischenbericht der Troika werde festgestellt, dass Athen erst 60 Prozent der von den Gläubigern geforderten umgesetzt habe. 20 Prozent würden derzeit von der Regierung beraten, 20 Prozent stünden noch aus. Demnach werden in dem Papier 150 neue Vorschläge unterbreitet, darunter eine Lockerung des Kündigungsschutzes, eine Aufweichung des Mindestlohns und eine Aufhebung bestimmter Berufsstandsprivilegien.
Ferner enthalte das Troika-Papier Vorschläge, um Athen zu Maßnahmen zu zwingen. So werde etwa angeregt, ein Sperrkonto einzurichten, auf dem die Hilfsgelder für Griechenland geparkt werden könnten. Dies hatte Medienberichten zufolge bereits die Bundesregierung vorgeschlagen. Falls Athen die Maßnahmen nicht wie verlangt umsetze, würden dem Vorschlag zufolge beispielsweise automatisch die Steuern erhöht, heißt es in dem "Spiegel"-Bericht.
"Nationale Souveränität längst verloren"
Im Ringen um die Euro-Rettung stellte sich EZB-Chef Mario Draghi gleichzeitig hinter Bundesfinanzminister Schäuble und seinen Vorschlag zur deutlichen Stärkung des EU-Währungskommissars. "Ich unterstütze den Vorschlag ausdrücklich", sagte Draghi dem "Spiegel". Es wäre klug, wenn die Regierungen den Vorschlag ernsthaft prüften. Er vertrete die Auffassung, dass die Länder einen Teil ihrer Souveränität an die europäische Ebene abtreten müssten, wenn das Vertrauen in die Eurozone wiedergestellt werden solle.
Draghi sagte weiter, viele Regierungen hätten noch nicht verstanden, dass sie ihre nationale Souveränität längst verloren hätten. "Weil sie in der Vergangenheit zu hohe Schulden aufgetürmt haben, sind sie nun vom Wohlwollen der Finanzmärkte abhängig", sagte der EZB-Präsident. Auch wenn es paradox klinge, gewännen die Euroländer erst an Souveränität, wenn sie bereit seien, Souveränität auf europäischer Ebene zu teilen.
Gleichzeitig verteidigte Draghi in dem Interview seine umstrittene Strategie zur Bekämpfung der Eurokrise. Er bekräftigte, dass Staatsanleihen klammer Euro-Länder nur dann gekauft würden, wenn die strikten Bedingungen akzeptiert würden. "Wir werden genau überprüfen, ob die Bedingungen auch eingehalten werden", ergänzte Draghi.
Draghi betonte weiter, er rechne nicht mit Verlusten für die Steuerzahler aus den Geschäften, "ganz im Gegenteil: Bislang haben wir mit unseren Anleihekäufen sogar Gewinne erzielt, die an die nationalen Notenbanken geflossen sind", sagte Draghi.
Quelle: ntv.de, ddi/AFP/rts