Aktionäre vor die Tür gesetzt Tumulte bei HRE
05.10.2009, 20:01 UhrEin Jahr nach der Notrettung der Hypo Real Estate (HRE) setzt der Bund die letzten Aktionäre des Immobilienkonzerns vor die Tür. Trotz massiver Proteste und teils tumultartiger Szenen brachte der Bund mit einer außerordentlichen Hauptversammlung am Montag in München die Abfindung der verbliebenen Anleger und damit die erste Zwangs-Verstaatlichung einer Bank seit dem Zweiten Weltkrieg auf den Weg.
Vorstandschef Axel Wieandt verwies nochmals auf die prekäre Lage der HRE. Auch in den kommenden Jahren sei noch mit hohen Belastungen zu rechnen, stellte er klar. Daher brauche die Bank wie bereits angekündigt eine weitere Kapitalspritze des Bundes in Höhe von sieben Mrd. Euro.
"Wir empfinden das als eine kalte Enteignung", kritisierte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Für ihre Aktien sollen die Anleger eine Abfindung von 1,30 Euro je Aktie erhalten. Dagegen liefen die Aktionäre Sturm und versuchten das Ende der Veranstaltung mit immer neuen Wortmeldungen hinauszuzögern. "Es ist ein Skandal, dass ein demokratischer Staat wie ein Raubritter auftritt", rief ein Aktionär. Andere sprachen von "staatlicher Willkür", "Verschwörung", "Diebstahl" und "Schande".
Soffin-Chef verlässt den Saal
Zwischenzeitlich unterbrach Aufsichtsratschef und Versammlungsleiter Bernd Thiemann die Versammlung sogar wegen tumultartiger Szenen. Vor dem Podium bildete sich eine Traube aufgebrachter Aktionäre, die "Thiemann raus" skandierten. Auch über den Chef des staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin, Hannes Rehm, entlud sich der Zorn der Anleger. Er verließ zwischenzeitlich den Saal. Am Nachmittag schloss Thiemann zwar die Rednerliste, zu diesem Zeitpunkt lagen aber noch rund 50 Wortmeldungen vor. Am Ergebnis des Treffens können die Aktionäre trotz ihrer Proteste aber nichts ändern, da der Bund bereits mehr als 90 Prozent der Aktien hält und das Abstimmungsergebnis damit sicher war.

Die EU sagt, die HRE muss noch schrumpfen.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Vorstandschef Axel Wieandt warb angesichts der dramatischen Lage des Konzerns um Verständnis für die Verstaatlichung, musste sich aber gelegentlich lautstark durchsetzen: "Wenn Sie aufhören zu schreien, dann verstehen Sie mich gut", forderte der HRE-Chef. "Wir sind uns selbstverständlich der Tatsache bewusst, dass viele von Ihnen es vorziehen würden, wenn sie Aktionäre der Gesellschaft bleiben könnten", sagte er. Zu der vollständigen Verstaatlichung gebe es aber keine Alternative. Noch in diesem Jahr benötige die HRE mit Blick auf die anhaltenden Verluste weitere sieben Mrd. Euro Unterstützung.
Gewinnzone noch weit entfernt
Die Sanierung mache zwar Fortschritte. "Trotzdem ist uns allen bewusst, dass es noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird und weiterer staatlicher Unterstützung bedarf, bis die vollständige Umsetzung der strategischen Neuausrichtung erreicht ist und ihre Effekte in vollem Umfang wirksam werden können." Vor 2012 dürfte die HRE nicht in die Gewinnzone zurückkehren. Bei seiner Rede wurde Wieandt, der erst nach dem Beinahe-Zusammenbruch zur HRE gekommen war, immer wieder von Pfiffen und Buh-Rufen unterbrochen.
Die DSW hält die Abfindung für unangemessen niedrig. "Das sind nichts anderes als Almosen", sagte Bergdolt. Sie hatte mehrfach an den Bund appelliert, nach dem Vorbild der Commerzbank auf das Herausdrängen der Aktionäre zu verzichten, damit diese nach herben Kursverlusten mit der einstigen DAX-Aktie von einer künftigen Sanierung der HRE profitieren können. Der Bund hatte das aber abgelehnt und will die Restrukturierung allein stemmen.
Vor einem Jahr stand die HRE kurz vor dem Kollaps und musste in einer dramatischen Aktion vom Bund und anderen Banken aufgefangen werden. Eine Pleite des Konzerns hätte damals aus Sicht der Bundesregierung katastrophale Folgen für den Finanzplatz Deutschland gehabt. Inzwischen hat die HRE Kapitalhilfen und Staatsgarantien von mehr als 100 Mrd. Euro erhalten, um nicht zu kollabieren.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP