Zwischen Hoffen und Bangen US-Banken präsentieren Zahlen
14.01.2010, 15:59 UhrIn den USA gewinnt die Berichtssaison an Fahrt. In den kommenden Tagen legen Banken ihre Quartalszahlen vor - JP Morgan wagt sich als erste aus der Deckung.
Die Berichtssaison der großen US-Banken zum vierten Quartal wird Experten zufolge erneut unter dem Stern der Kreditkrise stehen. Analysten stellen sich auf eine nur geringe Kreditvergabe sowie weiter steigende Kreditkosten ein, werden ihren Fokus aber klar auf den Ausblick der Branche verschieben. "Wir erwarten schwache Zahlen, aber einen etwas positiveren Ausblick", sagte Anthony Polini, Analyst bei Raymond James.
Investoren von JPMorgan Chase, Wells Fargo und Bank of America hoffen auf Hinweise für eine Fortsetzung der zarten Erholung über den Jahreswechsel weit ins neue Jahr hinein. Auch Signale für eine Erholung der Nachfrage nach Krediten stehen im Fokus. Experten sind zudem gespannt, ob die Branche nun allmählich genügend Geld für künftige Kreditverluste beiseitegeschafft hat und damit der Weg frei ist für ein Anziehen der Gewinne. "Wenn die Banken sich mit der Qualität ihres Portfolios wohlfühlen und somit ihre Risikovorsorge für Kreditverluste reduzieren können, werden die Gewinne durch die Decke gehen", sagte David Dietze von Point View Financial Services in Summit, New Jersey.
JP Morgan legt vor
Mit JP Morgan verrät am Freitag die erste Großbank, was sie 2009 verdient hat und wieviel davon ihre Mitarbeiter abbekommen. Ganz freiwillig steht das Institut aber wohl nicht an vorderster Front. Denn traditionell eröffnet der Rivale Goldman Sachs für die Banken die Bilanzsaison. Beobachter glauben nicht an einen Zufall. Sie gehen davon aus, dass Goldman Sachs auf einen späteren Termin gegangen ist, damit JP Morgan die erste Welle der Empörung über die Milliardenboni abkriegt. "Ich kann mir schon vorstellen, dass Goldman Sachs nicht die Prügel einstecken wollte", sagt Experte Konrad Becker von der Privatbank Merck Finck. "Sie haben in den vergangenen Monaten ja schon genug Schelte abbekommen."
JPMorgan gilt als ein Branchen-Vertreter, der die schwere Wirtschaft- und Finanzkrise mit am besten gemeistert hat. Analysten rechnen mit einem Gewinn je Aktie von 61 Cent. Zum Vergleich: Bei Wells Fargo rechnen die Experten mit einem Verlust von zwei Cent je Papier, bei der Bank of America sogar mit 52 Cent Verlust je Aktie. Citigroup, die am Dienstag den Quartalsbericht vorlegt, dürfte Analysten zufolge einen Verlust von rund 33 Cent je Aktie ausweisen. Allerdings könnten auch immer noch böse Überraschungen kommen. In Europa hatte die Societe Generale den Anlegern eine Gewinnwarnung für das Schlussquartal 2009 aufgetischt und damit Angst vor einem Wiederaufflammen der Krise geschürt. Statt einem Milliardengewinn wie von Analysten erwartet wird es dem Unternehmen zufolge "nur ein kleiner Überschuss" werden. Grund: Milliarden-Abschreibungen auf riskante Wertpapiere.
Analysten zufolge könnte es aber auch angenehme Überraschungen wie Dividenden-Erhöhungen geben. Dies würde zeigen, dass die Firmen Vertrauen in die Erholung hätten. "Wir erwarten insgesamt ganz gute Zahlen verglichen mit den Ergebnissen aus dem Vorjahr", sagte Dietze.
"Gieriger Banker"
Goldman Sachs gehört zu den Gewinnern der Finanzkrise. Das New Yorker Geldhaus hatte den Einbruch der Märkte frühzeitig vorausgesehen und am Leid der Konkurrenz sogar noch verdient. In den ersten neun Monaten des Krisenjahres 2009 strich Goldman Sachs einen Gewinn von 8,4 Mrd. Dollar ein - und legte die doppelte Summe für Bonuszahlungen an die Mitarbeiter zurück.
Bankchef Lloyd Blankfein wurde als Prototyp des "gierigen Bankers" zur bevorzugten Zielscheibe für Politik und Medien. Er gehört seit Jahren zu den absoluten Spitzenverdienern der Branche. Eine "Charmeoffensive", wie es US-Medien nannten, mit dem Eingestehen eigener Fehler und Änderungen bei der Ausschüttung der Boni verpuffte. In Erinnerung blieben dagegen seine Äußerungen, er verrichte als Banker nur Gottes Werk.
Nach Einschätzung von Analysten hat Goldman Sachs im Schlussquartal mit gut 2,9 Mrd. Dollar mehr verdient als jede andere US-Bank. JP Morgan kommt demnach auf knapp 2,5 Mrd. Dollar. Die Boni dürften bei beiden Häusern entsprechend hoch ausfallen. So hoch, dass US-Präsident Barack Obama wie europäische Kollegen derzeit eine Sonderabgabe prüft.
Goldman Sachs wollte zu den Gründen für den späten Termin keine Stellung nehmen. Allerdings hat sich bei dem Konkurrenten das Geschäftsjahr verschoben - und endet nun nicht mehr Ende November, sondern Ende Dezember. Gleiches passierte beim kleineren Rivalen Morgan Stanley.
Beide Investmentbanken legen ihre Zahlen nun am 21. Januar vor. Der Termin könnte sich letztlich rächen. "Die erste Bank, die mit Zahlen herauskommt, setzt die Standards", sagt Merck-Finck-Experte Becker. Ist die Gewinnentwicklung beim Nachzügler dann schlechter, rauscht die Aktie schnell in den Keller. Zwar könnten die Börsianer schon differenzieren, sagt Becker. "JP Morgan und Goldman Sachs sind aber recht gut vergleichbar." Die beiden großen Häuser profitieren derzeit von der Schwäche ihrer Konkurrenten.
Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa