EZB bleibt bei Zinsen light Und was ist mit Anleihekäufen?
10.06.2010, 14:00 UhrDer Leitzins für die Euro-Zone bliebt wie erwartet auf dem historisch niedrigen Niveau von 1,0 Prozent. Mit Spannung werden jetzt Äußerungen von EZB-Chef Trichet zum Aufkauf von Staatsanleihen verschuldeter Länder erwartet. Die EZB hat sich bisher weder zum Umfang des Programms noch zu dessen Laufzeit geäußert.

Einerseits reduziert die EZB den Geldfluss, mit dem sie seit Ausbruch der Krise Europas Bankensystem gestützt hat, andererseits muss sie aber weiterhin für Liquidität sorgen.
(Foto: REUTERS)
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ist in den vergangenen Wochen so tief in eine unkonventionellen Geldpolitik eingestiegen, dass der konventionelle Teil der Beschlussfassung zu den Leitzinsen in den Hintergrund gerückt ist: Der offizielle EZB-Leitzins, der Mindestbietungssatz für Refinanzierungsgeschäfte, bleibt bei 1,0 Prozent. Der Großteil der Finanzexperten rechnet damit, dass die Währungshüter den Leitzins frühestens Anfang kommenden Jahres wieder anheben. Mit den niedrigen Zinsen will die EZB die Erholung der Wirtschaft unterstützen.
Auch die Bank of England (BoE) hält an ihrer extrem lockeren Geldpolitik fest. Der Geldpolitische Ausschuss (MPC) veränderte weder das Niveau der Leitzinsen (0,5 Prozent) noch wurde das Programm zum Ankauf von Wertpapieren aufgestockt. Auch diese Beschlüsse waren an den Finanzmärkten erwartet worden.
Am Nachmittag will EZB-Chef Jean-Claude Trichet auf einer Pressekonferenz die Zinsentscheidung erläutern. Dabei dürfte der Zentralbank-Präsident auch auf das Programm der EZB zum Ankauf von Staatsanleihen aus Ländern der Euro-Zone eingehen. Mit dem Programm will die Notenbank Spekulation gegen Mitgliedsländer mit Finanzproblemen wie Griechenland, Spanien oder Portugal einschränken. Zum anderen soll den betroffenen Staaten ermöglicht werden, sich zu bezahlbaren Bedingungen zu refinanzieren.
Erklärungsbedarf wegen Anleihenkäufen
Für den Ankauf der Staatspapiere hatte die EZB auch viel Kritik geerntet - unter anderem von Bundesbankpräsident Axel Weber. Die EZB kauft im Rahmen ihres Securities Market Program (SMP) vor allem griechische, portugiesische und irische Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt; aber der Beschluss hierzu ist lediglich mehrheitlich gefallen. Einzelne Mitglieder, darunter wohl Weber, haben nicht mit "Ja" gestimmt.
Seitdem werden die Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit ausgetragen: Präsident Trichet verteidigte die Käufe und führte ins Feld, dass diese lediglich der Reparatur "dysfunktionaler" Marktsegmente und der Absicherung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus dienten. Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, meinte, das Programm könne zeitlich unbegrenzt fortgeführt werden, bis die angestrebte Marktstabilisierung eingetreten sei.
Als Kritiker hat sich vor allem Weber hervorgetan. Weber forderte eine "zielgenaue, eng begrenzte Umsetzung" des Anleihekaufprogramms, das "eng gefasste Schwellenwerte nicht überschreiten" und nur "Brückencharakter" haben sollte, bis die staatlich eingerichteten Finanzierungsfazilitäten der EU und des SPV (Special Purpose Vehicle) die ihnen zukommenden Aufgaben übernehmen könnten, erklärte Weber. Er hat dieses Programm offenkundig nicht gewollt und fordert nun seine baldige Beendigung.
Dass es dazu kommt, ist jedoch nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Einige Marktteilnehmer hoffen sogar darauf, dass Trichet bereit sein wird, über Details oder Zielgrößen des Programms zu reden. Es wird auch argumentiert, dass die EZB ihr demnächst auslaufendes Programm zum Kauf gedeckter Schuldverschreibungen unter dem Dach des SMP fortführen könnte. Denn das Programm sieht Käufe privater Schuldverschreibungen ausdrücklich vor.
Liquiditäts-Maßnahmen
Spekuliert wird ferner, dass die EZB die im Mai beschlossene Verlängerung der Vollzuteilung bei dreimonatigen Repo-Geschäften fortführen und möglicherweise einen weiteren sechsmonatigen Tender anbieten wird. Dies alles vor dem Hintergrund, dass der im Juni vergangenen Jahres begebene Jahrestender über 442 Mrd. Euro am 1. Juli fällig wird. Zwar hat die EZB bereits ein neues halbjährliches Geschäft zugeteilt, das über diesen Zeitraum hinweg reicht, und wird zudem Feinsteuerungstender anbieten, doch ist dieser Tag aus Sicht des Geldmarkts ein bedeutender.
Die starke Nutzung der Einlagenfazilität der EZB deutet darauf hin, dass sich die Lage am Geldmarkt in jüngster Zeit wieder verschärft hat. Bis zum Auslaufen des einjährigen Geschäfts wird allerdings noch eine weitere EZB-Ratssitzung (am 24. Juni) stattfinden.
Auf der Tagesordnung der aktuellen Beratungen stehen zudem die aktuellen EZB-Stabsprojektionen für Wachstum und Inflation. Wegen der zuletzt tendenziell guten Konjunkturdaten dürften die Prognosen für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im laufenden Jahr leicht angehoben werden. Das hat Präsident Trichet bereits in einem Interview angedeutet. Im Hinblick auf die Inflationsprognosen ist die Lage weniger klar.
Im März hatte der EZB-Stab für das BIP im laufenden Jahr einen Anstieg zwischen 0,4 Prozent und 1,2 Prozent (Punktwert: plus 0,8 Prozent) prognostiziert und für 2011 plus 0,5 Prozent bis plus 2,5 Prozent (plus 1,5 Prozent). Für die Verbraucherpreise waren Teuerungsraten von 0,8 Prozent bis 1,6 Prozent (plus 1,2 Prozent) bzw. 0,9 Prozent bis 2,1 Prozent (plus 1,5 Prozent) projiziert worden.
Quelle: ntv.de