Marchionne-Äußerungen "unqualifiziert" VW will Rücktritt von Fiat-Chef
27.07.2012, 07:08 Uhr
VW fordert im Streit mit Fiat den Rücktritt von Fiat-Chef Sergio Marchionne als Präsident des europäischen Autobauer-Verbands.
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Gewinner und Verlierer der Auto-Krise in Europa zerfleischen sich: VW fordert den Rücktritt von Fiat-Chef Marchionne als Chef des europäischen Autobauer-Verbandes Acea. Marchionne wirft VW dagegen vor, ein "Blutbad" zu veranstalten: Die erfolgsverwöhnten Wolfsburger würden Fiat und anderen angeschlagenen Herstellern mit aggressiven Rabatten auch noch Marktanteile abjagen.
Mitten in der Absatzkrise auf dem europäischen Automarkt ist zwischen Branchenführer Volkswagen und dem angeschlagenen Autobauer Fiat ein massiver Streit entbrannt. VW forderte den Vorsitzenden des europäischen Autohersteller-Verbandes Acea, Fiat-Chef Sergio Marchionne, zum Rücktritt auf. Marchionne sei als Präsident des Verbandes untragbar und solle gehen, erklärte VW-Kommunikationschef Stephan Grühsem. Marchionne ist für markige Aussagen bekannt. So hatte er Anfang des Jahres gefordert, Europa brauche einen zweiten starken Autobauer und damit ein Gegengewicht zu VW. Die Äußerungen des Italieners seien zum wiederholten Male unqualifiziert, erklärte ein VW-Sprecher nun.
Hintergrund ist ein von der "New York Times" zitierter Vorwurf Marchionnes, Volkswagen betreibe eine rücksichtslose und zerstörerische Preispolitik. "Bei der Preisgestaltung gibt es ein Blutbad. Das ist ein Blutbad bei den Margen", wurde Marchionne zitiert. Indem die Wolfsburger aggressive Rabatte gewährten, nutzten sie die Krise, um von Herstellern wie Fiat Marktanteile zu gewinnen. Angesichts dieser Äußerungen sei auch ein Austritt aus dem Acea eine Option für Volkswagen, erklärte Kommunikationschef Grühsem. Der 1991 gegründete Autobauer-Verband Acea vertritt die Interessen von 18 Herstellern von Autos, Lastwagen und Bussen auf europäischer Ebene und gilt als einflussreicher Verband.
Gewinner und Verlierer der Auto-Krise zerfleischen sich
Der Konflikt zwischen VW und Fiat kommt zu einer Zeit, in der der Automarkt in der EU seit Monaten auf Talfahrt ist - vor allem in den Euro-Krisenländern Spanien und Italien, aber auch in Frankreich fehlt das Geld für Neuwagenkäufe. Dies trifft die Hersteller hart, die von Europa abhängig sind - neben der europäischen Nummer zwei PSA Peugeot Citroën sind dies auch Opel und Fiat.
Der VW-Konzern dagegen ist dank seiner breiten Aufstellung und der Stärke vor allem in China und den USA auf Erfolgskurs. Im ersten Halbjahr verdiente der Konzern unterm Strich mehr als 8,8 Mrd. Euro, fast 36 Prozent mehr als bis zur Jahresmitte 2011. Mit 1,3 Mio. Fahrzeugen wurde seit Jahresbeginn fast jedes dritte Auto aus dem Konzern auf dem wichtigsten Einzelmarkt China ausgeliefert (plus 17,5 Prozent). Auch für Amerika stand nach den ersten sechs Monaten ein dickes Plus in der Vertriebsstatistik: In den USA betrug die Steigerung über 30, in ganz Nordamerika immerhin 22,1 Prozent.
Die Autoindustrie steuert daher immer mehr auf eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu. Zu den Gewinnern zählen derzeit auch die deutschen Oberklasse-Hersteller Daimler und BMW, allerdings musste Daimler erst am Mittwoch einen Gewinnrückgang melden. Dagegen sieht es bei Opel, PSA und Fiat düster aus. Der französische Autokonzern PSA Peugeot Citroën steckt tief in den roten Zahlen und hat ein Milliarden-Sparprogramm angekündigt. Auch Fiat leidet unter massiven Absatzproblemen, profitiert aber von der Stärke seiner US-Tochter Chrysler.
Hohe Rabatte führen zu Preiskampf
Um die Kunden zu locken, sind derzeit alle Hersteller auf dem europäischen Automarkt mit Rabatten unterwegs - auch in Deutschland. Die Kundenvorteile für Autokäufer hätten ein Rekordniveau erreicht, hieß es in einer Studie des CAR-Centers der Universität Duisburg-Essen. Das Rabattniveau zeige, dass der deutsche Automarkt in den nächsten Monaten vor einer Rezession stehe, sagte der Leiter des Instituts, Ferdinand Dudenhöffer. Der bisher ertragreiche Markt Deutschland werde für immer mehr Hersteller zu einem "Verlustmarkt".
Die durchschnittlichen Rabatte für die 30 beliebtesten Neuwagen im Privatkundenmarkt seien im Vergleich zum Juni um einen Punkt auf 19 Prozent gestiegen. Zu Jahresbeginn lag der durchschnittliche Nachlass noch bei 15,9 Prozent. Die höchsten Preisabschläge seien für den Fiat Punto (30,6 Prozent), den Opel Corsa (31,3 Prozent) und den Opel Astra (30,9 Prozent) ermittelt worden. Auch VW biete hohe Rabatte, hieß es in der Studie. Der Preiskampf sei zudem bei den Oberklasse-Herstellern angekommen.
Quelle: ntv.de, hvg/dpa/rts