Erstmals seit 1987 Verbraucherpreise sinken
29.07.2009, 15:15 UhrDas Leben in Deutschland ist erstmals seit der Wiedervereinigung billiger geworden. Im Juli fielen die Verbraucherpreise nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Verantwortlich dafür waren sinkende Kosten für Heizöl, Benzin und Lebensmittel. Bis Herbst sagen Experten weitere Preisrückgänge voraus. "Das stärkt die Kaufkraft und stützt den privaten Konsum", sagte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen.
Der Preisrutsch fiel doppelt so stark wie erwartet aus. Analysten hatten lediglich mit einem Rückgang von 0,3 Prozent gerechnet, nachdem die Lebenshaltungskosten im Juni noch um 0,1 Prozent gestiegen waren. Zuletzt gab es im März 1987 mit minus 0,3 Prozent eine negative Inflationsrate. "Damals wie heute liegt der Grund dafür in einem starken Rückgang der Preise für Heizöl und Kraftstoffe", hieß es.
Preise für Heizöl fast halbiert
Heizöl kostete nach bisher vorliegenden Daten aus sechs Bundesländern bis zu 46,3 Prozent und Kraftstoffe bis zu 20,7 Prozent weniger als vor Jahresfrist. "Ursache dafür ist der Verfall der Weltmarktpreise für Rohöl", sagte Ifo-Experte Carstensen. Für ein Fass wurde vor einem Jahr der Rekordwert von knapp 150 Dollar verlangt. Derzeit ist es mit rund 66 US-Dollar weniger als die Hälfte, weil die Nachfrage wegen der weltweiten Rezession gesunken ist. Auch Lebensmittel waren in den sechs Bundesländern um bis zu 3,3 Prozent günstiger zu haben.
Experten rechnen wegen der schwachen Konjunktur bis weit in das nächste Jahr hinein mit weitgehend stabilen Preisen. "Wegen der Rezession und der steigenden Arbeitslosigkeit fällt es den Unternehmen schwer, höhere Preise durchzusetzen", sagte Carstensen. Für August und September werden weitere negative Teuerungsraten vorhergesagt. "Erst ab Herbst erwarten wir dann wieder moderate Steigerungen von weniger als einem Prozent", sagte Commerzbank-Experte Simon Junker. Eine Deflation - also ein längerer Preisrückgang auf breiter Front - sei nicht zu befürchten. "Nimmt man Energie und Lebensmittel heraus, steigen die Preise sogar merklich", sagte Junker.
Mehr im Geldbeutel
Wegen der niedrigen Teuerung bleibt vielen Arbeitnehmern mehr Geld im Portemonnaie. "Das hilft dem Konsum", sagte Dirk Schumacher von Goldman Sachs. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stiegen die tariflich vereinbarten Monatslöhne und -gehälter im April um 2,8 Prozent. Das bedeutet bei einer Inflationsrate von 0,7 Prozent einen Reallohnzuwachs von 2,1 Prozent. Der Konsum war im ersten Halbjahr die einzige Konjunkturstütze, während Exporte und Investitionen einbrachen.
Im Vergleich zum Vormonat sanken die Preise im Juli um 0,1 Prozent. Benzin und Diesel kosteten um bis zu 5,5 Prozent weniger. Auch Nahrungsmittel waren für bis zu 1,8 Prozent weniger zu haben. Details will das Statistische Bundesamt am 11. August nennen.
Quelle: ntv.de, nne/rts