Keine Bewegung in Tarifstreit Verdi und Amazon bleiben hart
17.06.2013, 17:00 Uhr
Amazon-Mitarbeiter streiken vor dem Logistik-Center des Internet-Händlers in Bad Hersfeld
(Foto: dpa)
Erneut legen Beschäftigte des Online-Händlers die Arbeit nieder. Erstmals hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in der Tarifauseinandersetzung zu einem zweitägigen Ausstand aufgerufen. Doch das Unternehmen zeigt sich davon weiter unbeeindruckt - und kündigt die Eröffnung eines weiteren Logistikzentrums an.
Im Tarifstreit mit Amazon weitet Verdi die Streiks beim dem Online-Versandhändler aus. Nach Gewerkschaftsangaben legten rund 1000 Beschäftigte ihre Arbeit nieder. Nach zahlreichen Warnstreiks in den vergangenen Wochen hat Verdi erstmals in der Auseinandersetzung zu einem zweitägigen Ausstand im hessischen Bad Hersfeld und sächsischen Leipzig aufgerufen. Laut einer Unternehmenssprecherin ist die Mehrheit der Mitarbeiter jedoch "regulär zur Arbeit gekommen". Daher würden derzeit auch keinerlei Auswirkungen auf den Versand an Kunden gesehen. Zugleich zeigt sich Amazon in der Auseinandersetzung weiter hart.
Am Standort Leipzig sind nach Gewerkschaftsangaben rund 450 Mitarbeiter der Früh- und Spätschicht vor den Werkstoren geblieben. In Bad Hersfeld beteiligten sich laut Verdi bis zum Nachmittag rund 600 Kollegen an dem Streik. "Wir sind sehr zufrieden. Man muss bedenken, dass auch schon Urlaubszeit ist", sagte Verdi-Sprecherin Mechthild Middeke.
Verdi: Keine Arbeitnehmer zweiter Klasse
"Die Stimmung ist gut. Die Kollegen wollen es jetzt wissen - und das ist auch richtig so", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske in Leipzig. "Es muss Schluss sein damit, dass sie wie Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt werden." Für die Amazon-Mitarbeiter stehe ein Tarifvertrag wie im Einzel- und Versandhandel an. "Was nicht ansteht, ist Wild West wie in Texas. Wir sind hier nicht in Texas!", sagte er. Zwar sieht sich die Gewerkschaft für eine lange Auseinandersetzung gerüstet. Doch wolle man einen Langzeitstreik nicht unbedingt, "aber wenn es sich nicht vermeiden lässt, sind wir auch dazu bereit", sagte Gewerkschaftssekretär Thomas Schneider.
In den vergangenen Wochen hatte Verdi mehrfach zu Warnstreiks aufgerufen. Dabei beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben immer mehr Beschäftigte. Für den Fall, dass Amazon weiterhin nicht auf die Forderungen der Gewerkschaft eingeht, hat Verdi bereits mit unbefristeten Streiks gedroht.
Im Kern streiten beide Seiten über den Charakter des Unternehmens. Während sich Amazon selbst als Logistiker sieht, stuft die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi den Konzern als Einzelhändler ein. Die unterschiedlichen Auffassungen wirken sich direkt auf die Bezahlung der Belegschaft aus. Amazon zufolge werden in den Logistikunternehmen Kundenbestellungen ausgeführt - typische Logistikaufgaben. Zudem lägen die Einkommen der Beschäftigten am oberen Ende dessen, was in der Branche üblich ist, sagte eine Sprecherin. Darüber hinaus gebe es in allen Logistikzentren Arbeitnehmervertretungen. Verdi fordert indes für die Beschäftigten einen Tarifvertrag nach den Konditionen des Einzel- und Versandhandels mit höheren Löhnen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Nachtzuschlägen bereits ab 20.00 Uhr.
Amazon sucht Mitarbeiter für Brandenburg
Unterdessen teilte das Unternehmen mit, im dritten Quartal ein Logistikzentrum im brandenburgischen Brieselang zu eröffnen. In den kommenden drei Jahren sollen bis zu 1.000 Jobs und bis zu 2.000 saisonale Arbeitsplätze entstehen. Damit wächst die Zahl der Standorte in Deutschland auf neun.
Die Auseinandersetzung findet bundesweit Beachtung. So haben sich einige Politiker, wie der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, mit den Streikenden solidarisch gezeigt. Vertreter von SPD, Linke und Grünen hatten die Streikenden unterstützt.
Der weltweit führende Online-Händler betreibt in Deutschland insgesamt acht Logistik- und Versandzentren, dazu zwei Kundenzentren für die Bestell- und Bezahlvorgänge sowie eine Zentrale in München. 9000 der weltweit mehr als 88.000 Mitarbeiter beschäftigt Amazon hierzulande. Am größten deutschen Amazon-Standort Bad Hersfeld arbeiten rund 3300 Menschen, in Leipzig sind es 2000 Mitarbeiter.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rtr/AFP