Streit in der Fed-Führung Wagt die US-Notenbank die Zinswende?
28.10.2015, 14:39 Uhr
Führt die wichtigste Notenbank der Welt: Janet Yellen.
(Foto: REUTERS)
Tut sie es, oder tut sie es nicht? Diese Frage bereitet derzeit nicht nur Börsianern Kopfschmerzen. Heute abend wissen sie, ob die US-Notenbank die Zinsen erhöht. Oder auch nicht.
Janet Yellen gilt als eine der mächtigsten Frauen der Welt. Was die Chefin der US-Notenbank sagt, hat an den Finanzmärkten Gewicht. Doch so richtig schlau wird man aus ihr derzeit nicht. Und so wird eifrig gerätselt, wann die Notenbank zum ersten Mal seit der Finanzkrise von ihrer Nullzinspolitik abrücken und die Zinsen anheben wird.
Kaum ein Beobachter rechnet damit, dass sie schon am Abend Zentralbankgeld erstmals seit fast zehn Jahren verteuern wird. Viele hoffen aber zumindest auf einen klaren Hinweis, wann genau sich die Notenbank die Abkehr von der Nullzinspolitik zutraut. Denn es herrscht große Unsicherheit, ob es im Dezember oder erst im nächsten Jahr soweit sein wird.
Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner erwartet nicht, dass die Fed bereits jetzt für Klarheit sorgt: "Einen Wink mit dem Zaunpfahl zur Vorbereitung der Märkte auf eine etwaige Zinserhöhung im Dezember wird es wohl nicht geben."
Dabei scheint Yellens Position klar: Sie will die Zinswende noch in diesem Jahr. Doch ob sie sich zu dieser Entscheidung durchringt, ist fraglich. Denn im innersten Führungskreis der Notenbank gibt es offenen Widerstand gegen ihren Kurs.
So haben sich jüngst mit Lael Brainard und Daniel Tarullo gleich zwei Mitglieder aus dem Direktorium öffentlich gegen einen baldigen Zinsschritt ausgesprochen. "Ich denke nicht, dass es angemessen wäre, die Zinsen anzuheben", legte sich Tarullo fest. "Eine zu frühe Anhebung könnte schwieriger zu handhaben sein, als etwas länger zu warten." Die Notenbankerin Brainard äußerte sich ähnlich. Dabei hatte Yellen erst Ende September für ihre Position geworben.
Differenzen unter den zwölf regionalen Fed-Präsidenten sind nicht ungewöhnlich. Doch öffentliche Uneinigkeit im Führungsgremium ist äußerst selten. In den vergangenen 20 Jahren kam es erst zweimal vor, dass Direktoren in Zinsbeschlüssen gegen die Fed-Führung votiert haben.
"Alle Optionen offen"
Ökonom Weidensteiner sieht Yellens Macht daher ins Wanken geraten. "In der US-Notenbank ist ein heftiger Kampf um den geldpolitischen Kurs entbrannt", so der Analyst. "Der Abschied von der Nullzinspolitik entwickelt sich damit zur Machtfrage."
Ökonom Michael Pond von der britischen Großbank Barclays erwartet, dass die Fed ein Konjunkturbild zeichnen wird, das neben Licht auch Schattenseiten hat. So könnte sie auf die zuletzt schwächeren Daten vom Arbeitsmarkt verweisen, aber auch auf die nachlassenden Risiken an den Finanzmärkten: "Damit bleiben alle Optionen offen."
Im September war Yellen nach dem Börsenbeben in China noch vor einer Zinserhöhung zurück, obwohl die US-Wirtschaft eigentlich seit längerem brummt. Mittlerweile haben sich die Märkte jedoch beruhigt. Immer neue Zinssenkungen in China und Konjunkturspritzen der Regierung sorgten mit dafür, dass die ärgsten Sorgen vor einer harten Landung der Wirtschaft im Reich der Mitte gedämpft wurden.
Durch ihren zögerlichen Kurs hat Yellen die Markterwartungen immer stärker in Richtung einer geldpolitischen Straffung im nächsten Jahr gelenkt. Dabei hatte sie stets ihre Absicht einer Erhöhung noch in diesem Jahr betont. Nun sei Yellens Kommunikationstalent gefragt, meint Commerzbank-Ökonom Weidensteiner. Denn die Finanzmärkte hielten eine Erhöhung im Dezember mittlerweile für weniger wahrscheinlich. Da Yellen sie vor einem Zins-Schock bewahren wolle, müsse die Fed-Chefin den Boden für den ersten Schritt zunächst bereiten.
Postbank-Ökonom Lucas Kramer hat die Zinswende in diesem Jahr bereits abgeschrieben und rechnet erst für das Frühjahr 2016 damit. Er verweist darauf, dass Yellen bereits nach der Sitzung im September auf die anhaltend niedrige Inflation und Risiken für die US-Wirtschaft durch die globale Konjunkturabkühlung hingewiesen habe: "An dieser Einschätzung dürfte sich in der Zwischenzeit nichts geändert haben."
Die Notenbank hat nach Ansicht vieler Beobachter den günstigsten Zeitpunkt für eine Anhebung bereits verpasst. Kritiker befürchten, dass die Fed bei einem zu langen Festhalten an der Politik des billigen Geldes Preisblasen an den Märkten Vorschub leistet - etwa an den Aktienbörsen.
Im September zögerte Yellen wegen Chinas Konjunkturschwäche, nun könnten ihr schlechtere Daten der heimischen Wirtschaft in die Quere kommen. Denn für die am Donnerstag anstehenden Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt zum dritten Quartal wird eine deutliche Abkühlung des Wachstums auf einen aufs Jahr hochgerechneten Wert von 1,6 Prozent erwartet. Im Frühjahr hatte die Konjunktur noch um 3,9 Prozent zugelegt.
Und wann erhöht die Fed den Leitzins, der seit der globalen Finanzkrise Ende 2008 auf dem Rekordtief von null bis 0,25 Prozent liegt? Ein Auftritt Yellens vor dem Wirtschaftsausschuss des US-Kongresses am 3. Dezember dürfte Gelegenheit bieten, den Märkten in Sachen Zinswende doch noch einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben.
Quelle: ntv.de, jga/dpa/rts