Streit um Schulden, Streit ums Datum Wann sind die USA pleite?
27.07.2011, 13:08 UhrDie USA steuern auf die Zahlungsunfähigkeit zu, doch die Finanzmärkte reagieren gelassen. Denn die meisten Investoren sind noch immer davon überzeugt, dass in letzter Minute noch eine Lösung gefunden wird. Und möglicherweise haben die USA sogar etwas mehr Zeit als bisher angenommen.
Eine Einigung im US-Kongress über eine Erhöhung der gesetzlichen Schuldengrenze ist trotz des wachsenden Zeitdrucks nicht in Sicht. Der jüngste Zug im politischen Kräfteringen: Am Dienstag verschoben die Republikaner eine Abstimmung im Kongress über ihren Vorschlag für ein Sparpaket auf frühestens Donnerstag. Alles deutet nun darauf hin, dass es zwischen Republikanern und Demokraten zu einem dramatischen Showdown bis zum Ablauf der Frist am Dienstag kommt.
Am 2. August droht den USA nach Angaben des Finanzministeriums die Zahlungsunfähigkeit. Ohne eine Anhebung der Schuldenobergrenze von derzeit 14,3 Billionen Dollar können die USA demnach dann ihre Rechnungen, die Gehälter der Staatsbediensteten und die Renten nicht mehr bezahlen. Die Folgen einer Pleite wären unabsehbar: sie könnte das internationale Finanzsystem erschüttern und in den USA eine neue Rezession auslösen.
Zugleich droht der größten Volkswirtschaft der Verlust der Bonitätsnote "AAA", die sie bislang als einen der zuverlässigsten Schuldner weltweit ausweist. Dies hätte erhebliche Nachteile bei der künftigen Kreditaufnahme – die Kredite würden teurer.
Wann kommt der Tag der Wahrheit?
Alle Blicke sind daher auf den 2. August gerichtet. Doch ob an diesem Tag den USA zahlungsunfähig werden, wird von einigen Fachleuten bezweifelt.
Zwar wurden US-Präsident Barack Obama und sein Finanzminister Timothy Geithner in den vergangenen Tagen nicht müde, die Gefahren einer Zahlungsunfähigkeit zu beschwören. Doch wann genau der Regierung das Geld ausgeht, hat wohlweislich keiner mitgeteilt. An der Wall Street herrscht überwiegend die Einschätzung, dass die Regierung noch für etwa zwei weitere Wochen Mittel haben wird. "Das Risiko einer wirklichen Zahlungsunfähigkeit besteht ab dem 15. August", glaubt Ward McCarthy, Chefökonom des Investmentbankers Jeffries & Co. "Das Geld geht nicht unmittelbar aus. Die Schuldengrenze wird nicht sofort zum Problem."
Wie McCarthy glauben auch andere Analysten an der Wall Street, dass das Finanzministerium noch ein Polster hat, um bis Anfang und Mitte August seine Rechnungen zu begleichen. Darunter ist ein Batzen von 23 Mrd. Dollar für die Sozialversicherungen für Ältere und Behinderte, die am 3. August anstehen. "Es scheint, als habe die Regierung ausreichend freie Mittel, um ihre Verpflichtungen vorerst zu erfüllen", sagt auch Lou Crandall, Chefökonom des Marktforschers Wrightson ICAP.
Marktreaktion bleibt unberechenbar
Diese Einschätzung teilen seit Tagen auch viele im republikanischen Lager, die argumentieren, dass die Regierung auch im Falle einer Nicht-Einigung nicht sofort pleite sei. Die Experten erwarten zugleich nicht, dass die Rating-Agenturen das Land sofort herabstufen, solange die Regierung vorerst in der Lage ist, ihre Rechnungen zu begleichen. Auch dies würde den Unterhändlern etwas Luft verschaffen. Einen wichtigen Punkt lässt dieses Szenario aber außer Acht: Die Reaktion der Märkte und der Investoren für den Fall, dass es keine Einigung bis Dienstag geben sollte.
Nach der übereinstimmenden Annahme vieler Markt-Analysten würde es bei einer anhaltenden Blockade zwischen den politischen Lagern ab Mitte des kommenden Monats endgültig brenzlig. Das neue Horror-Datum ist aus ihrer Sicht der 15. August. An diesem Tag muss die Regierung 41 Mrd. Dollar berappen, darunter rund 30 Mrd. Zinsen für Staatsschulden. Barclays Capital fasst schon den 10. August als potenziell schwarzen Tag ins Auge, wenn weitere 8,5 Mrd. Dollar für die Sozialversicherungen fällig werden.
Welcher Tag auch immer der Tag der Wahrheit wird: Dass er kommt, wenn es keine Einigung in dem erbittert geführten Streit gibt, darin stimmen alle überein - Politiker wie Markt-Analysten.
Quelle: ntv.de, jga/rts