Wirtschaft

Regierungskrise in Portugal Was heißt das für den Euro?

Erinnert an die Zeiten von Größe und Handelsmacht: Der Praca do Comercio in Lissabon.

Erinnert an die Zeiten von Größe und Handelsmacht: Der Praca do Comercio in Lissabon.

(Foto: REUTERS)

Der Rücktritt von Regierungschef Socrates stürzt das Land im Westen Europas in eine schwere Krise. Sorgen und Ungewissheit herrschen nun allerdings nicht nur in Lissabon. Auch in Brüssel wächst wieder die Angst um den Euro. Der Druck auf den EU-Gipfel steigt.

Kündigte vor dem EU-Gipfel seinen Rücktritt an: Regierungschef Jose Socrates.

Kündigte vor dem EU-Gipfel seinen Rücktritt an: Regierungschef Jose Socrates.

(Foto: dpa)

Das kleine Portugal sorgt in Europa für große Unruhe. Ausgerechnet am Abend vor dem wichtigen EU-Gipfel in Brüssel löste der im hoch verschuldeten ärmsten Land Westeuropas den befürchteten politischen Ernstfall aus. Beobachter im In- und Ausland sehen schwarz. Der Präsident des Nationalen Handelsverbandes, João Vieira Lopes, geht wie viele Experten nun davon aus, dass der Druck der internationalen Märkte auf Portugal in den nächsten Wochen zunehmen dürfte. "Nur mit einer starken Regierung entkommen wir der Krise", warnte er. Die ist aber im tief zerstrittenen Land nicht in Sicht.

Die entscheidende Sitzung im Parlament zu Lissabon: Das Sparpaket fällt durch.

Die entscheidende Sitzung im Parlament zu Lissabon: Das Sparpaket fällt durch.

(Foto: dpa)

Gebangt wird aber jetzt nicht nur in Portugal. Das große Zittern setzt nach der Ablehnung des jüngsten Socrates-Sparpakets durch die Opposition und der Aufgabe des Regierungschefs auch beim "großen Nachbarn" Spanien ein. Die Regierung in Madrid schloss zwar sofort Ansteckungseffekte aus. Doch bei der konservativen Opposition sieht man das ganz anders. "Die Ungewissheit in Portugal ist für Spanien nicht gut, da es zwischen beiden Ländern enge Beziehungen gibt (...) Wir hoffen, dass Portugal keine externe Finanzhilfe in Anspruch nehmen muss", sagte Jose Eugenio Azpiroz von der Volkspartei PP der portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa noch vor dem Rücktritt.

In Lissabon war es zur Wochenmitte drunter und drüber gegangen: Während die Zinsen für längerfristige portugiesische Anleihen auf die neue Rekordmarke von 8,13 Prozent kletterten, legten die Arbeiter der öffentlichen Verkehrsmittel aus Protest gegen die Sparmaßnahmen wieder einmal die Arbeit nieder. "In diesem Land läuft nichts mehr, das ist eine Schande, wie soll man so seine Familie ernähren?", schimpfte eine ältere Frau vor den TV-Kameras. Ex-Präsident Jorge Sampaio rief alle politischen Akteure zur Vernunft auf und warnte, das hoch verschuldete EU-Land steuere dem Verderben entgegen.

"Man kann einem Land nicht Brot und Wasser verordnen": Pedro Passos Coelho (PSD).

"Man kann einem Land nicht Brot und Wasser verordnen": Pedro Passos Coelho (PSD).

(Foto: REUTERS)

Regierung und Opposition bezichtigen sich zuletzt immer häufiger gegenseitig der Lüge und der Unfähigkeit. Pedro Passos Coelho, Chef der konservativ orientierten Partei der Sozialdemokratie (PSD), lud am Dienstag bereits einige Parteien zur Bildung einer Koalition für die zu erwartenden Neuwahlen ein. Der charismatische Passos Coelho hatte bislang alle Sparmaßnahmen der Sozialisten mitgetragen, wurde beim vierten Sanierungsprogramm innerhalb eines Jahres aber nicht mehr konsultiert und schimpfte daraufhin: "Man kann einem Land nicht Brot und Wasser verordnen."

Portugal hat nicht nur mit Überschuldung zu kämpfen, sondern auch mit gravierenden Strukturproblemen. Die Arbeitslosigkeit erreichte zuletzt die Rekordmarke von 11,2 Prozent, es gibt eine Rezession und die Kreditwürdigkeit des Landes wurde erst vor wenigen Tagen wieder herabgestuft. Immer häufiger kommt es zu Arbeitsniederlegungen und es gibt - noch friedliche - Straßenproteste. Hilfsorganisationen und die Kirche klagen, Hunger und Verzweiflung hätten stark zugenommen. Externe Hilfe schloss die Regierung dennoch bis zuletzt aus.

Manuela Ferreira Leite (PSD).

Manuela Ferreira Leite (PSD).

(Foto: REUTERS)

Socrates war deshalb auch in den eigenen Reihen unter Beschuss geraten. Außenminister Luis Amado klagte, alle Verantwortlichen hätten mit dem Schicksal des Volkes gespielt. Dabei war Socrates aus Brüsseler Sicht sicher ein "Musterschüler". Er konnte im vergangenen Jahr das Haushaltsdefizit nach dem Negativ-Rekord von 9,4 Prozent 2009 wie angepeilt auf rund 7,3 Prozent drücken. Mit nie dagewesenen Sparmaßnahmen soll 2011 ein Niveau von 4,6 Prozent erreicht werden. Die Ausgaben für Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst werden um 5 Prozent gekürzt, die Mehrwertsteuer stieg von 21 auf 23 Prozent. Sozialleistungen werden gekürzt, die Renten eingefroren.

Trotz aller Sparerfolge sind die Portugiesen weder auf Socrates, noch auf Brüssel und Bundeskanzlerin Angela Merkel gut zu sprechen. Der Kragen platzte endgültig, als die Regierung die Einfrierung der Mindestrenten von rund 200 Euro ankündigte. "Die Maßnahmen sind brutal. Man sollte zudem wissen, dass ein Land ohne Wachstum nicht aus einer Schuldenkrise herauskommen kann", sagte PSD-Politikerin Manuela Ferreira Leite, die "Eiserne Lady Portugals". Wenn aber Präsident Anibal Cavaco Silva wie erwartet das Parlament auflöst und für Ende Mai Wahlen ausruft, dann will Socrates wieder ins Rennen gehen.

Unabhängig vom Ausgang der Wahl bleiben die Probleme des Landes bis weiterhin ungelöst. Die Unsicherheit in der Eurozone dürfte weiter anhalten.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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