Teilen und herrschen Was plant Berggruen mit Karstadt?
27.05.2011, 10:21 UhrGroßer Jubel im Juni 2010 bei Tausenden Karstadt-Beschäftigten: Investor Nicolas Berggruen erhält den Zuschlag für den Kaufhausriesen. Sorgen über eine Zerschlagung mit radikalem Stellenabbau scheinen damit vom Tisch. Doch ein Jahr später mehren sich die Fragezeichen hinter den Plänen.
So hatte sich Alain Caparros seinen Posten als Chefaufseher bei Karstadt nicht vorgestellt. Nicht aus internen Unterlagen, sondern aus der Tagespresse erfuhr der Lenker des Supermarktriesen Rewe von den genauen Plänen für Berggruens Projekt "Separation": Die Aufspaltung von Karstadt in drei eigenständige Einheiten. Neu war das Vorhaben nicht, denn Berggruen hatte eine Aufspaltung schon während der Kaufverhandlungen für das insolvente Unternehmen stets zur Bedingung gemacht. Doch als Aufsichtsratschef vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, war für den Einzelhandelsmanager nicht akzeptabel. Wegen eines unterschiedlichen Verständnisses "über die Rolle des Aufsichtsrats in der strategischen Ausrichtung des Unternehmens" legte Caparros sein Mandat nieder. Einfacher gesagt: Er schmiss die Brocken hin.
Was das Faß zum Überlaufen brachte, war die mittlerweile vollzogene Aufspaltung von Karstadt in drei rechtlich eigenständige Unternehmen. In einer Premiumsparte werden dabei die Vorzeige-Kaufhäuser ausgekoppelt, nämlich das Berliner Kadewe, das Hamburger Alsterhaus und der Oberpollinger in München. In einer zweiten Sparte werden die 26 Sportfilialen gebündelt. Die übrigen 83 regulären Standorte werden in der Warenhaus-Sparte fortgeführt. Alle drei Bereiche werden unter einem Dach gebündelt.
Verschiebebahnhof
Caparros war nicht der einzige, der Fragezeichen hinter die mittlerweile abgesegnete Aufspaltung von Karstadt setzte. Auch die erst Anfang des Jahres in den Aufsichtsrat eingezogene Ex-Kanzler-Gattin Doris Schröder-Köpf soll einem Bericht des "Manager Magazin" zufolge zu den Pläne kritisch nachgehakt haben. In der Vorlage an den Aufsichtsrat habe nichts darüber gestanden, wie Bilanzwerte sowie das Personal auf die Firmen verteilt würden.
Hinter dieser technisch anmutenden Frage steckt ein Kernproblem der Aufspaltung: Im Extremfall könnte Berggruen den Schuldenberg und den großen Teil der laufenden Kosten einfach der mäßig laufenden Warenhaussparte zuschlagen und diese im Fall der Fälle erneut in die Insolvenz schicken. Das würde zugleich den Wert der ohnehin gefragteren beiden Sparten Sport und Luxuskaufhäuser noch erhöhen und den Verkaufspreis nach oben treiben. Ein Mitspracherecht bei einem möglichen Spartenverkauf hätte der Karstadt-Aufsichtsrat derweil nicht, weil Berggruen die Sport- und Luxushaus-Sparten gesellschaftsrechtlich nicht unterhalb der Warenhaus GmbH ansiedelt, sondern sie gleichberechtigt nebeneinander stellt und damit die alleinige Kontrolle darüber hat. Auch ein Verkaufserlös flösse so nicht Karstadt, sondern der Berggruen-Holding zu. Dabei geht es nach Einschätzung von Experten um einen denkbaren Verkaufserlös im dreistelligen Millionenbereich. Zur Erinnerung: Berggruen zahlte für das gesamte Unternehmen rund 70 Mio. Euro.
Unklare Vision
Ex-Chefaufseher Caparros schäumte angesichts solcher Zustände. Berggruen habe ihm bis zuletzt "keine operative oder strategische Begründung" für den Schritt geliefert, zitierte der "Spiegel" nach seinem Rücktritt aus einem vertraulichen Positionspapier. Die Spaltung schaffe nur "zusätzliche Komplexität", obwohl das Unternehmen "weit davon entfernt ist, saniert zu sein". Die Trennung werde zudem "erneute Spekulationen über den Fortbestand von Karstadt nähren".
Auch nach der offiziellen Bekanntgabe durch die neue Karstadt-Führung bleibt die strategische Vision hinter der Aufspaltung unscharf. "Die Spezialisierung wird es möglich machen, das Profil der drei Geschäftsbereiche bei ihren Zielkunden zu schärfen, die Marken stärker zu differenzieren und die Strategien für die Geschäftsentwicklung konsequent auf ihre Zielmärkte auszurichten", heißt es aus der Essener Konzernzentrale. Hintergrund für die Sparten seien unterschiedlichen Reifegrade und Entwicklungen in den drei Marktsegmenten. Warum jedoch eine Aufspaltung in eigenständige Unternehmen für diese Fokussierung erforderlich ist, bleibt offen.
Vertraute in Schlüsselpositionen
Personell schaltete Berggruen unlängst auf Schonwaschgang. Setzte er bei dem Rewe-Manager damals noch auf eine erwartbar starke Figur mit eigenen Impulsen und Vorstellungen, so steht heute mit Jared Bluestein ein Vertrauter Berggruens an der Spitze des Kontrollgremiums. Auch der neue Geschäftsführer Andrew Jennings, der Anfang des Jahres die Leitung übernahm, ist ein Bekannter Berggruens. Als bisheriger Manager von Woolworth in Südafrika ist er zwar ein Branchenprofi, in die besonderen Gepflogenheiten des deutschen Einzelhandels muss auch Jennings sich einarbeiten. Dass Jennings bisher kein Deutsch spricht, erleichtert die Sache nicht gerade.
Konkrete Pläne hat Jennings bislang nicht präsentiert. Ändern soll sich das erst Ende Juli. Investitionen in die Modernisierung der Häuser und ein tragfähiges neues Konzept sind dringend nötig, denn die Zeit arbeitet gegen Karstadt. Die Umsätze entwickeln sich - wenn auch verzerrt durch die Schließung einzelner Häuser - im Rückwärtsgang. In den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres erlöste das Unternehmen nach Informationen der "Financial Times Deutschland" 1,78 Mrd. Euro, vier Prozent weniger als im Vorjahr. Ohne Investitionen in modernere Häuser dürfte es zudem schwer für Karstadt werden, neue Käufer anzulocken. Branchenexperten taxieren den Investitionsbedarf dabei auf rund 20 Mio. Euro - je veralteter Filiale wohlgemerkt.
Im Sommer kommenden Jahres läuft der Sanierungstarifvertrag aus, mit dem die Karstadt-Mitarbeiter seit Ende 2009 Jahr für Jahr auf mehr als 50 Mio. Euro verzichtet haben. Diese Summe kommt dann auf die Lohntüten noch obendrauf. Fraglich, ob die Beschäftigten nach drei harten Jahren noch einmal bereit wären, Einbußen in Kauf zu nehmen. Doch vielleicht ist das dann auch schon nicht mehr die Sorge von Nicolas Berggruen.
Quelle: ntv.de