Wirtschaft

Zwischen Krise und TurnaroundWas uns 2025 über die Zukunft der deutschen Autobauer verrät

26.12.2025, 10:59 Uhr
imageVon Diana Dittmer
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Die gemessen an Umsatz und Beschäftigung wichtigste Schlüsselindustrie Deutschlands befindet sich seit Jahren in einer stetigen Abwärtsspirale. (Foto: picture alliance/dpa)

Dieses Jahr trifft die deutsche Autoindustrie ins Mark: Absturz in China, historische Jobverluste und Gewinneinbrüche. Experten warnen, dass manche Konzerne das nächste Jahrzehnt möglicherweise nicht überstehen werden. Vieles spricht für einen echten Wendepunkt.

Die deutsche Autoindustrie erlebt in diesem Jahr eine ihrer härtesten Belastungsproben seit der Finanzkrise. Binnen eines Jahres gehen laut Statistischem Bundesamt annähernd 50.000 Arbeitsplätze verloren, die Gewinne brechen dramatisch ein, Marktanteile schrumpfen. Trauriger Höhepunkt: das Desaster bei Porsche mit mehreren Gewinnwarnungen in kurzer Zeit und dem Einbruch der operativen Marge im zweiten Quartal um fast 100 Prozent.

Der Glaube an das Premiumsegment ist zutiefst erschüttert. Denn nicht nur Porsche gerät 2025 operativ extrem unter Druck. Rabattschlachten, die starke chinesische Konkurrenz und hohe Transformationskosten lassen reihum die Halbjahresgewinne abschmelzen – bei BMW um 37 Prozent, bei Mercedes um 48 Prozent. Auch der Kapitalmarkt verliert die Geduld, wodurch sich der Spielraum für Investitionen für die Unternehmen zusätzlich verringert.

Ende September zählt die gesamte Autoindustrie mit rund 721.000 Beschäftigten gut sechs Prozent weniger als im Jahr zuvor. Am härtesten trifft es die Zulieferer: Ihre Belegschaften schrumpften um mehr als elf Prozent. Deutlich mehr, als die Autobauer im Schnitt verkraften mussten. Und es wird nicht das Ende sein. Volkswagen will bis 2030 satte 35.000 Stellen abbauen, Bosch bis zum Ende des Jahrzehnts 13.000 Arbeitsplätze streichen - die zu den zuvor angekündigten 9000 Stellen hinzukommen.

Ganze Standorte fallen der Krise zum Opfer. Schaeffler, der viertgrößte Autozulieferer in Deutschland, wird im kommenden Jahr sein Werk im ostwestfälischen Steinhagen mit 200 Mitarbeitern schließen. Continental gibt die Standorte Wetzlar und Schwalbach zum Jahresende auf.

Ein Prozess, der lange vor 2025 begann

Die Autoindustrie, gemessen an Umsatz und Beschäftigung die wichtigste Schlüsselindustrie Deutschlands, erlebt einen tiefen Fall. Plötzlich kommt er jedoch nicht. "Der Niedergang der deutschen Autoindustrie ist ein schleichender Prozess, der bereits in den Corona-Jahren begonnen hat", sagt Frank Schwope, Automotive Consultant und Lehrbeauftragter an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) Köln, ntv.de. Die außergewöhnlich hohen Gewinne der Jahre 2021 bis 2023 hätten strukturelle Schwächen überdeckt, die nun offen zutage treten: die starke Abhängigkeit von China bei Batterien und Rohstoffen, die politische Unsicherheit rund um das Verbrenner-Aus und der ausbaufähige Rückstand bei der Elektromobilität.

Laut Schwope steht die Branche vor einer tiefgreifenden Konsolidierung. Auch wenn die drei großen Konzerne operativ dieses Jahr noch Milliarden-Gewinne erzielen – genug, um im Jahr 2026 noch Dividenden auszuschütten -, werden "nicht alle heutigen Autokonzerne die 2030er Jahre als unabhängige Unternehmen erleben", prophezeit er. Damit teilt er die jüngsten Einschätzungen von anderen Branchenkennern wie dem ehemaligen Stellantis-Chef Carlos Tavares oder Moritz Schularick, dem Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Auch der langjährige Autoanalyst Jürgen Pieper bewertet das Jahr 2025 als "äußerst schwierig", wie er im Gespräch mit ntv.de sagt. Gleichzeitig sieht er jedoch auch Chancen für eine Trendwende: "2025 hat das Zeug, ein Wendepunkt für die deutsche Automobilindustrie zu sein", sagt Pieper. Der Weltmarkt erhole sich langsam, der Markt für E-Autos ziehe an, und die neuen Elektro-Modelle der deutschen Hersteller seien mittlerweile "State of the Art". Erste Einsparungen und leichte Marktanteilsgewinne in Europa deuten aus seiner Sicht darauf hin, dass die Branche begonnen hat, ihre Versäumnisse der letzten Jahre aufzuarbeiten.

Abhängigkeiten, Zölle, Rückstände: Die Baustellen bleiben groß

Ein Blick nach China zeigt indes, wie weit der Weg zurück ist. Im Frühjahr erreichten deutsche Marken im E-Segment dort nur einen Marktanteil von fünf Prozent, während lokale Anbieter auf fast 70 Prozent kamen. Verspätete Software-Updates und Rückstände bei digitalen Funktionen haben dem Image europäischer Modelle schwer geschadet.

Auch in den USA hat sich die Lage verschlechtert. Die Zollpolitik von Präsident Donald Trump kostet die deutschen Hersteller Milliardensummen - und bremst ihren Absatz spürbar. In Europa fehlt derweil eine verlässliche Regulierung: Förderprogramme kommen und gehen, das Ringen um das Verbrenner-Aus hat die Industrie schwer verunsichert und langfristige Investitionen erschwert.

Während in der Politik über Hilfen und Industriepakete diskutiert wird, sehen die Experten Schwope und Pieper die Hersteller in der Pflicht. Schwope nennt stabile Lieferbeziehungen, Kompetenz bei Batterien und beim autonomen Fahren sowie die Erschließung neuer Märkte als Prioritäten. Pieper fordert klare Strategien und mehr Geschwindigkeit – insbesondere bei Software und autonomem Fahren.

Am Ende des Jahres steht die Erkenntnis: 2025 ist kein isoliertes Krisenjahr, sondern ein Katalysator. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die deutschen Autobauer die Transformation aus eigener Kraft schaffen – oder ob sich der von Schwope beschriebene schleichende Prozess als eine unumkehrbare Entwicklung herausstellt.

Quelle: ntv.de

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