Wirtschaft

Chefanwalt Miller blickt zurück Was von Lehman übrig bleibt

Das Eingangsschild von Lehman beim Auktionator Christie's.

Das Eingangsschild von Lehman beim Auktionator Christie's.

(Foto: REUTERS)

Vor drei Jahren ging Lehman Brothers pleite. Die Schockwellen für die Finanzwelt waren gewaltig. Die Abwicklung der US-Investmentbank dauert an. Und viele Fragen sind immer noch ungeklärt. Hat die Welt aus dem Lehman-Crash gelernt? Chefanwalt Miller sagt Nein.

Vor genau drei Jahren machte die größte Pleite der Weltgeschichte endgültig klar, wie schlimm die Finanzkrise noch werden sollte: Damals beantragte die Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz. Heute warten Gläubiger noch immer auf ihr Geld, viele Fragen bleiben ungeklärt.

Lehmans Chefanwalt Harvey Miller, der die Bank gegen ihre Gläubiger vertritt, hält diesen Zeitraum jedoch nicht für sehr lang. "Für das größte Insolvenzverfahren der Welt sind drei Jahre wirklich nicht viel", sagte Miller in einem zum Jahrestag veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Bald schon könnte sich ein Ende des Insolvenzverfahrens abzeichnen - und die ausstehenden dreistelligen Milliarden-Forderungen zumindest teilweise bedient werden. Die Gerichte gaben dem Unternehmen Ende August grünes Licht, seine Gläubiger über einen 65 Mrd. US-Dollar schweren Rückzahlungsplan abstimmen zu lassen. Wenn ein New Yorker Insolvenzgericht dem Plan im Dezember zustimmt, könnte im Frühjahr 2012 das erste Geld fließen. Das wäre nach historischen Maßstäben vergleichsweise schnell, sagte auch Robert Miller, Juraprofessor an der Villanova University. "Die Leute dachten damals, es würde ein Alptraum. Aber eine dreijährige Insolvenz ist kein Alptraum", sagte er.    

"Komplexe Fälle dauern lange"

Anwalt Harvey Miller nannte die Zustimmung der Gläubiger zum Auszahlungsplan das letzte Hindernis. "Komplexe Fälle dauern lange, auch wenn die Welt schneller geworden ist", sagte er. Lehman hatte den Plan im Juni vorgelegt und ihn als Kompromiss zwischen den vielen Gläubigergruppen beworben. Einige der größten Gläubiger haben bereits signalisiert, den Plan zu unterstützen, darunter eine vom Hedgefonds Paulson & Co angeführte Gruppe von Anleihenbesitzern sowie eine Gruppe um Goldman Sachs , bei denen Lehman wegen Derivaten in der Kreide steht. Beide zusammen fordern rund 100 Mrd. US-Dollar, hinzu kommen asiatische Gläubiger mit rund 20 Mrd.           

Die größte Hürde sei ein Einspruch der europäischen Lehman-Tochter, sagte Miller. Sie verlangt, dass ihre Forderungen von 8,9 Mrd. wie die von Kunden behandelt werden. Würde so entschieden, hätten die europäischen Schulden ein höheres Gewicht und würden wahrscheinlicher komplett zurückgezahlt - die anderen bekämen dann weniger. "Gerade laufen Verhandlungen in London, um das beizulegen", sagte Miller.   

Was hat die Welt aus Lehman-Zusammenbruch gelernt?

Vor Lehman Brothers war der Untergang des Telekom-Anbieters Worldcom im Jahr 2002 die größte bekannte Pleite der Geschichte. Worldcom hatte zum Zeitpunkt der Insolvenz Vermögenswerte von rund 104 Mrd. US-Dollar. Lehman Brothers aber hatte mit 639 Mrd. eine über sechs Mal größere Summe in seinen Büchern. Sein Nordamerika-Geschäft verkaufte Lehman nach der Insolvenz an Barclays . Damit habe die untergegangene Bank beachtliche Werte gerettet, erklärte Miller.            

Miller ist nicht überzeugt, dass die Welt dazu bereit ist, wirklich aus dem Lehman-Zusammenbruch zu lernen. Die regulatorischen Änderungen nach der Bankenpleite verblassten gegenüber jenen nach der großen Rezession in den 30er Jahren. Zwar würdigt er die im letzten Jahr durchgesetzte Dodd-Frank-Reform, mit der die US-Regierung Konsequenzen aus der Finanzkrise zog. Wesentliche Punkte in dem Gesetz verfehlten es jedoch, dem Problem "too big to fail" zu begegnen, also Geldhäuser nicht so groß werden zu lassen, dass sie mit einer Pleite die gesamte Finanzwelt mitreißen. Das wird bei Lehman als zentrales Problem angesehen.       

Doch die meisten überlebenden Finanzinstitute sind heute größer als vor der Krise. Und ihre Lobbyarbeit sei "besser als jemals zuvor", sagte Miller. Eine ernsthafte Gesetzesänderung sei es, wenn Regulierer die Macht bekämen, Unternehmen zur Zurückhaltung zu zwingen, wenn sie zu groß würden. "Das hätte die Konsequenz aus Lehman sein müssen." 

Quelle: ntv.de, rts

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