Wirtschaft

Niedrigzins und Billiggeld Weidmann attackiert Bernankes Politik

Bundesbank-Präsident Weidmann: "Niedrigzinsphase hat Nebenwirkungen."

Bundesbank-Präsident Weidmann: "Niedrigzinsphase hat Nebenwirkungen."

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bank of Japan setzt auf billiges Geld. Und auch die Fed bleibt vorerst auf diesem Kurs, wie die jüngsten Äußerungen von Notenbankchef Bernanke verdeutlichen. Beide Volkswirtschaften sollen so in Schwung gebracht werden. Bundesbankpräsident Weidmann hat da eine ganz andere Meinung.

Sanfter Ausstieg oder jähes Ende? Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt vor einem zu späten Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes. Niedrigzinsen seien nicht ohne Nebenwirkungen, sagte Weidmann. "Auch wenn sie derzeit geldpolitisch begründet sind, dürfen wir davor nicht die Augen verschließen: Sie verführen zum Beispiel dazu, Reformen und den notwendigen Strukturwandel, aufzuschieben. Finanzstabilitätsrisiken können sich aufbauen. Diese Nebenwirkungen nehmen mit der Dauer der Niedrigzinsphase zu."

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vor einer Woche auf niedrige Zinsen "für einen längeren Zeitraum" eingestimmt. Und auch US-Notenbankchef Ben Bernanke versuchte, aufgekratzte Anleger zu beruhigen: Er bekräftigte, dass die Federal Reserve ihre (Fed) massiven Wertpapierkäufe Ende des Jahres zwar langsam zurückfahren könnte, ihre lockere Geldpolitik aber keinesfalls aufgeben wolle.

"Man kann nur schlussfolgern, dass die hochgradig entgegenkommende Geldpolitik auf absehbare Zukunft das ist, was in der US-Wirtschaft gebraucht wird", sagte Bernanke auf einer Konferenz. Er verwies auf die hohe Arbeitslosenrate, die niedrige Teuerung und die "ziemlich restriktive" Fiskalpolitik in dem Land. Er rechnet nach eigenen Angaben damit, dass die Fed die kurzfristigen Zinsen in den USA auch dann nicht erhöht, wenn die Arbeitslosenrate 6,5 Prozent erreichen sollte - was mehr als ein ganzer Prozentpunkt unter dem aktuellen Niveau wäre.

Streit über Richtungswechsel

Wenige Stunden zuvor waren die Gesprächsmitschriften des geldpolitischen Treffens vom Juni veröffentlicht worden. Diese zeigen, dass die Währungshüter stark gespalten sind, wann genau der beste Zeitpunkt für einen Ausstieg aus dem monatlich 85 Mrd. Dollar teuren Anleihekauf-Programm wäre. Etwa die Hälfte der Mitglieder im geldpolitischen Rat der Federal Reserve ging schon zu Beginn der Gespräche vom 18. und 19. Juni davon aus, dass die Notenbank ihre Käufe bis Ende des Jahres einstellen werde, zeigen die Mitschriften.

Im Laufe der zweitägigen Diskussionen stellte sich laut Protokoll heraus, dass einige der Entscheider fürchteten, sich festzulegen, und das Kaufprogramm lieber bis ins Jahr 2014 hinein fortsetzen wollten. Andere wollten zunächst weitere Wirtschaftsdaten abwarten und ein stärkeres Jobwachstum sehen, bevor sie einen detaillierten Plan zur Reduzierung der Käufe beginnen wollten. Einige merkten an, dass die Inflation so stark sinke, dass eine Senkung der Käufe gar nicht mehr unbedingt gerechtfertigt sei.

Viele Sitzungsteilnehmer hätten angedeutet, dass die Entscheidungen über das Ausmaß der Anleihenkäufe und über die angemessene Höhe der Zinsen getrennt zu betrachten seien. Es habe allgemein die Ansicht geherrscht, dass nach einem Ende der Wertpapierkäufe die Zinsen "für einen längeren Zeitraum" niedrig sein würden. "Beinahe alle Fed-Mitglieder waren für eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik", hieß es im Protokoll.

Nach der Juni-Sitzung hatte Fed-Chef Bernanke der Öffentlichkeit einen ersten Zeitplan präsentiert, wie der Geldhahn langsam zugedreht werden könnte: Sollte die Wirtschaftserholung wie erwartet weitergehen, könnte die erste Drosselung der Wertpapierkäufe gegen Jahresende erfolgen und Mitte 2014 das Kaufprogramm komplett enden. Diese Ankündigung vom Ausstieg aus der Krisenpolitik sorgte an den Börsen weltweit mehrere Tage lang für Aufruhr.

"Wirtschaft beginnt, sich zu erholen"

Japans Notenbank blickt bereits optimistisch auf die Konjunktur des Landes und hat deshalb ihre Geldpolitik nicht weiter gelockert. Die Währungshüter beschlossen aber auf ihrer turnusmäßigen Sitzung, ihren ohnehin schon expansiven Kurs des billigen Geldes fortzusetzen. Im Kampf gegen die Deflation wollen sie die Geldbasis jährlich um 60 bis 70 Billionen Yen (462 bis 540 Mrd. Euro) aufstocken. Die Notenbank hielt auch an ihrem Ziel fest, innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Inflationsrate von 2 Prozent zu erreichen. In ihrer Konjunkturprognose äußerten sich die Notenbanker so optimistisch wie seit zweieinhalb Jahren nicht. "Japans Wirtschaft beginnt, sich moderat zu erholen."

Das Wort "erholen" hatten die Währungshüter zuletzt im Januar 2011 benutzt - kurz vor dem Erdbeben und Tsunami vom März 2011, die die Wirtschaft deutlich belastet haben. Die Notenbank stemmt sich zusammen mit der Regierung unter Ministerpräsident Shinzo Abe gegen die Deflation. Dieser Preisverfall auf breiter Front lähmt die Wirtschaft seit 15 Jahren.

Abe will mit Wachstumsimpulsen - nach ihm "Abenomics" genannt - die Konjunktur ankurbeln. Zuletzt hatte es mehrere positive Signale gegeben, dass diese Politik erste Früchte trägt. In der Industrie gab es erstmals seit September 2011 wieder mehr Optimisten als Pessimisten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erhöhte jüngst seine Wachstumsprognose für Japans Wirtschaft 2013 deutlich auf 2,0 von 1,5 Prozent. Die Schätzungen für die meisten anderen großen Wirtschaftsregionen hingegen senkte der IWF.

Viele Ökonomen gehen davon aus, dass sich die japanische Notenbank mit zusätzlichen Impulsen mindestens bis Ende Oktober zurückhält, wenn sie ihre Prognosen für die Konjunktur und die Inflation aktualisiert. Im Prinzip erhole sich die Wirtschaft in dem Tempo, das die Zentralbank angepeilt habe, sagte Analyst Yasuo Yamamoto vom Mizuho Research Institute. "Die BOJ dürfte Anfang nächsten Jahres wieder etwas tun, wenn wahrscheinlich Abwärtsrisiken für ihr Inflationsziel deutlicher werden."

Quelle: ntv.de, bad/DJ/rts

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