Wirtschaft

Rennen um Strauss-Kahn-Nachfolge Wer übernimmt den IWF?

Die Vorwürfe gegen Strauss-Kahn setzen eine weltumspannende Personaldebatte in Gang. Mehr und mehr Nationen versuchen, eigene Kandidaten an die Spitze des mächtigen IWF zu bringen. Ein Überblick über die wichtigsten Namen - und die Länder, deren Einfluss sie stärken sollen.

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(Foto: AP)

Dominique Strauss-Kahn ist noch nicht einmal angeklagt, da läuft das Ringen um seine Nachfolge als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits auf vollen Touren. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen der Schuldenkrise auch künftig gern einen Europäer auf dem Chefsessel der mächtigen Finanzinstitution sehen will, fordert China eine Auswahl auf Basis von "Fairness, Transparenz und Leistung". Die Liste mit den mehr oder weniger aussichtsreichsten Kandidaten ist lang.

Christine Lagarde (Frankreich)

Falls die Europäer erneut zum Zuge kommen sollten, wäre die französische Finanzministerin wohl erste Wahl. Die 55-Jährige hat sich in der Finanzkrise durch ihr souveränes Auftreten im Kreis der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) großes Ansehen erworben. "Die Financial Times" verlieh der fließend Englisch sprechenden Politikerin 2009 sogar den Titel der besten Finanzministerin Europas.

Gegen sie spricht jedoch ihre Nationalität. Denn Frankreich hatte den IWF-Chefposten in den zurückliegenden 33 Jahren insgesamt 26 Jahre lang inne. Staatschef Nicolas Sarkozy dürfte seine Star-Ministerin zudem im heraufziehenden Präsidentschaftswahlkampf nur ungern ziehen lassen.

Kemal Dervis (Türkei)

Er gilt als aussichtsreicher Kandidat für den Fall, dass kein Europäer den Job bekommt. Dervis ist einer der Väter des Aufstiegs der Türkei, die 2001 eine schwere Finanzkrise durchmachte und durch Reformen sowie eine milliardenschwere Finanzspritze des IWF die Wende schaffte. Er ging 1978 zur Weltbank, deren Vizechef er 1996 wurde. Er kehrte 2001 als Wirtschaftsminister in sein Heimatland zurück, das zu dieser Zeit unter Bankenpleiten, steigender Inflation und einer massiven Währungsabwertung litt. Derzeit ist der 62-Jährige Vizepräsident der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution.

Trevor Manuel (Südafrika)

Der 55-Jährige ist in Finanzkreisen sehr anerkannt. Von 1996 bis 2009 war er Finanzminister in Südafrika, wo er in den 80er Jahren vom Apartheid-Regime wegen seiner politischen Aktivitäten verfolgt und inhaftiert worden war. Als Chef der Nationalen Planungskommission hat er noch immer großen Einfluss auf die Geschicke seines Heimatlandes, das zu den am schnellsten wachsenden Schwellenländern gehört.

Peer Steinbrück (Deutschland)

Der frühere Finanzminister genießt hohes Ansehen aufgrund seiner fachlichen Eignung und Erfahrung - national wie international. Während der Finanzkrise legte er zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel die Basis dafür, dass Deutschland relativ gut aus der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herausfand.

Zwei Dinge sprechen gegen den 64-jährigen Steinbrück: Als Sozialdemokrat dürfte er in den Regierungsfraktionen CDU, CSU und FDP kaum durchsetzbar sein. Zudem hat er sich während seiner Ministerzeit mit vielen Politikern aus anderen Ländern angelegt - vor allem mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

Axel Weber (Deutschland)

Bis Ende April diente Weber noch als Bundesbankchef. Lange Zeit galt der Pfälzer als Favorit für den Chefposten der Europäischen Zentralbank, ehe er sich wegen des umstrittenen Kaufs von Staatsanleihen von Euro-Krisenländern mit Präsident Jean-Claude Trichet überwarf. Der 54-Jährige ist als Ökonom und Notenbanker weltweit anerkannt, genießt aber nicht gerade den Ruf eines Diplomaten. Er will im kommenden Jahr an der University of Chicago lehren, gilt aber auch als ein Kandidat für die Nachfolge von Josef Ackermann als Chef der Deutschen Bank.

Josef Ackermann (Deutschland)

Der Chef der Deutschen Bank gilt Gerüchten zufolge selbst zum Kandidatenkreis. Einem Zeitungsbericht zufolge soll sein Name auf den Vorschlagslisten stehen. Die "Bild"-Zeitung berichtete ohne Angaben von Quellen, in Kreisen der Bundesregierung sei bei der Suche nach möglichen deutschen Kandidaten für den Chefposten beim IWF Ackermanns Name gefallen. Die Deutsche Bank wollte sich zur Sache nicht äußern. Ein kurzfristiger Wechsel Ackermanns zum IWF dürfte allerdings schwierig sein. Sein Vertrag an der Spitze von Deutschlands größtem Geldhaus läuft noch bis 2013, die Nachfolgefrage ist hier noch nicht geklärt.

Thomas Mirow (Deutschland)

Der 59-Jährige gehört zu den wenigen Deutschen, die eine wichtige internationale Institution leiten. Er ist seit zwei Jahren Chef der in London ansässigen Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Der Sozialdemokrat war zuvor unter anderem Büroleiter des Parteivorsitzenden Willy Brandt. Zuletzt diente er Peer Steinbrück von 2005 bis 2008 als Finanzstaatssekretär.

Augustin Carstens (Mexiko)

Der 52-Jährige ist seit Anfang 2010 Chef der mexikanischen Notenbank, der er zuvor als Chefvolkswirt diente. Unter seiner Führung wurde die Unabhängigkeit der Zentralbank in Frage gestellt, nachdem Carstens den Finanzminister zur Teilnahme an den geldpolitischen Entscheidungen eingeladen und eine enge Zusammenarbeit mit der Regierung zugesagt hatte. Von 2003 bis 2006 war er Vizechef des IWF.

Motek Singh Ahluwlia (Indien)

Der einflussreiche Wirtschaftsberater von Premierminister Manmohan Singh gehört zu den Befürwortern offener Märkte. Er sorgte dafür, dass die Preiskontrollen für Benzin und Diesel beendet wurden. Seine Karriere begann der 67-Jährige bei der Weltbank und arbeitete später für den IWF. Gegen ihn spricht sein Alter.

Stanley Fischer (USA/Israel)

Fischer kennt den IWF in- und auswendig. Er diente ihm von 1994 bis 2001 als Vizechef. Der 67-Jährige ist ein weltweit anerkannter Ökonom, der am renommierten Massachusetts Institute of Technology lehrte - zu seinen Studenten gehörte der jetzige US-Notenbankchef Ben Bernanke. Seit 2005 ist er Chef der Nationalbank von Israel.

Mohamed El-Erian (USA/Ägypten/Frankreich)

Der 52-Jährige ist Chef des weltgrößten Anleihe-Investors Pimco. 15 Jahre lange arbeitete er für den IWF, bevor er in den neunziger Jahren zur US-Bank Salomon Smith Barney/Citigroup stieß. 2008 veröffentlichte er den Bestseller "Märkte im Umbruch". El-Erian wurde in New York als Sohn einer französischen Mutter und eines ägyptischen Diplomaten geboren.

Gordon Brown (Großbritannien)

Lange wurde der ehemalige britische Premier- und Finanzminister als aussichtsreicher Kandidat für den IWF-Chefposten gehandelt. Doch sein konservativer Nachfolger in Downing Street 10, David Cameron, hat diesen Blütenträumen ein jähes Ende gesetzt und den Labourpolitiker offen als ungeeignet bezeichnet. Zugleich deutete Cameron an, dass es nun an der Zeit sein könnte, dass ein Schwellenland wie China oder Indien den IWF-Chef stellen wird.

Juncker kritisiert die voreilige Suche

Die intensive Suche nach Ersatz für den nach wie vor amtierenden IWF-Chef stößt längst nicht überall auf Wohlwollen. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker zum Beispiel kritisierte die Diskussion über einen Nachfolger des inhaftierten IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn deutlich. Einige Regierungen hätten diese Debatte begonnen, sagte Juncker nach dem Treffen der Eurogruppe in Brüssel. Das sei nicht angemessen. Er werde Strauss-Kahn, mit dem er befreundet sei, nicht den Rücktritt nahelegen. "Es war nicht schön, die Bilder heute Morgen zu sehen", sagte Juncker. "Das macht mich tief, tief traurig."

Juncker - neben seiner Tätigkeit für die Eurogruppe auch luxemburgischer Regierungschef - äußerte sich bestürzt über die Vergewaltigungsvorwürfe. "Ich bedauere die Situation sehr, er ist ein guter Freund von mir", sagte Juncker.

Strauss-Kahn wird vorgeworfen, in einem New Yorker Hotel versucht zu haben, ein Zimmermädchen zu vergewaltigen. Merkel hatte sich dafür ausgesprochen, einen Europäer als Nachfolger ins Auge zu fassen, falls es zur Ablösung Strauss-Kahns kommen sollte.

Quelle: ntv.de, AFP/rts

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