Wirtschaft

Hoffen auf fallende Kurse Wie Leerverkäufe funktionieren

Frankreich, Spanien, Italien und Belgien haben Leerverkäufe von Finanzaktien vorerst verboten. Damit wollen sie weitere Kursverluste an den heimischen Märkten verhindern. Doch was steckt hinter diesen riskanten Börsengeschäften?

Gähnende Leere auf dem Parkett der New Yorker Börse.

Gähnende Leere auf dem Parkett der New Yorker Börse.

(Foto: REUTERS)

Bei normalen Leerverkäufen wetten Investoren auf fallende Kurse von Wertpapieren. Sie verkaufen Wertpapiere, die sie sich zuvor von anderen Anlegern gegen eine Gebühr geliehen haben, zu einem fest vereinbarten Kurs. Sinkt der Preis bis zum Lieferdatum, können sie sich billiger wieder eindecken und die geliehenen Papiere zurückgeben. Die Differenz zwischen dem niedrigeren Kurs und dem höheren Verkaufspreis abzüglich der Gebühr streichen die Investoren - oft Hedgefonds - als Gewinn ein. Geht die Wette indes verloren, also steigt der Preis, besteht die Gefahr, dass die Anleger zu einem höheren Kurs wieder einsteigen müssen, um die geliehenen Papiere zurückzugeben. Dann droht ein Verlust in den Büchern der Leerverkäufer.

Bei ungedeckten Leerverkäufen ist das Prinzip dasselbe. Allerdings haben sich die Investoren noch nicht einmal die Wertpapiere geliehen, was die Risiken deutlich erhöht. Denn zum Lieferdatum besitzen sie so keinerlei Papiere. Um ihren Lieferverpflichtungen nachzukommen, müssen sie diese daher dann am Markt in jedem Fall erwerben - unabhängig von der Kursentwicklung. Ist der Preis nicht wie erhofft gesunken, müssen sie hohe Verluste realisieren. Dafür sind im Erfolgsfall die Gewinnchancen höher, da keine Gebühr anfällt.

Sinnvolles Instrument

Wenn Leerverkäufe bei einigen Titeln den Handel dominieren, können diese dramatisch unter Druck geraten. Denn theoretisch können mehr Papiere verkauft werden als tatsächlich existieren. Dann werden die Wetten der Investoren zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Wenn alle auf einen Kursverfall wetten, tritt dieser auch ein.

Leerverkäufe erfüllen oft auch einen wichtigen wirtschaftlichen Zweck. Denn damit können sich Firmen und andere Investoren gegen Kursrisiken absichern. Wer etwa in einigen Monaten Rohstoffe kaufen muss und mit höheren Preisen rechnet, kann durch einen erfolgreichen Leerverkauf in anderen Bereichen für Ausgleich sorgen. Zudem sorgen diese Geschäfte für ausreichende Liquidität an den Märkten.

In Deutschland sind ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und Staatsanleihen von Euro-Ländern seit einem Jahr per Gesetz ganz verboten. Nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 hatten viele Länder zumindest vorübergehend ähnliche Maßnahmen beschlossen. Um die Transparenz der Geschäfte zu erhöhen, hat die Finanzaufsicht BaFin zudem eine Meldepflicht für Leerverkäufe von Aktien der zehn größten deutschen Finanz- und Versicherungshäuser eingeführt. Ab März 2012 gilt ohnehin eine gesetzliche Meldepflicht für alle Leerverkäufe von Aktien.

Auf Ebene der Europäischen Union ist das Vorgehen noch umstritten, vor allem was ein Verbot von Leerverkäufen mit Kreditausfallversicherungen (CDS) auf europäische Staatsanleihen betrifft. Das EU-Parlament dringt hier auf eine schärfere Regelung als die meisten Mitgliedsstaaten.

Zweifel am Nutzen von Verboten

Den Effekt eines Leerverkaufsverbots halten Börsianer allerdings für begrenzt. Investoren bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, diese Restriktionen zu umgehen.

- Ausweichen auf ausländische Börsen oder elektronische Handelssysteme, sofern dies in das Verbot nicht ausdrücklich eingeschlossen wurde. In Europa ist das sogenannte Short Selling unter anderem an der Londoner Börse möglich.

- Umstieg auf Derivate. Wer einen Put auf eine Aktie kauft, wettet darauf, dass deren Kurs fällt.

- Indirekt über Futures. Investoren können den Index-Future verkaufen und Mini-Futures auf einzelne Aktien gezielt zurückkaufen. Dabei verzichten sie bewusst auf den Kauf von Kontrakten auf diejenigen Titel, bei denen sie mit weiteren Kursverlusten rechnen.

Quelle: ntv.de, rts

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