Wirtschaft

Spekulationsblase oder sicherer Hafen? Wirbel auf dem Anleihenmarkt

Licht und Schatten auf dem Anleihemarkt.

Licht und Schatten auf dem Anleihemarkt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit dem 18. September 2013 sind die Zinsen auf Talfahrt – auch in Deutschland. Damals war Fed-Chef Ben Bernanke entgegen der Erwartung vieler Experten davor zurückgeschreckt, das Anleihenkaufprogramm von 85 Milliarden Dollar monatlich zurückzufahren. Stattdessen wird weiter auf die Liquiditätstube gedrückt, was erst gestern seine designierte Nachfolgerin Janet Yellen bestätigte. Seit Bernankes Ankündigung sind die US-Zinsen und in deren Schlepptau auch jene in Europa kräftig gesunken. Lagen die Zinsen für zehnjährige deutsche Anleihen damals noch bei zwei Prozent, sind es inzwischen nur mehr rund 1,70 Prozent – Tendenz sinkend. Auch bei Papieren mit kurzen Laufzeiten dürften die Zinsen weiter zurückgehen, denn die stark rückläufigen Inflationsraten haben das Deflationsgespenst geweckt, das EZB-Chef Mario Draghi so schnell wie möglich wieder vertreiben will. Er reduzierte die Leitzinsen auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent und versuchte gleichzeitig die Anleger zu beruhigen, dass eine Deflationsspirale wie in Japan nicht drohe.

Doch der Inflationsrückgang ist bereits besorgniserregend. Die Teuerungsrate in Europa fiel im Oktober auf 0,7 Prozent, der niedrigste Wert seit November 2009. Das "wird die Deflationsdebatte anheizen und damit die Frage ob die EZB etwas dagegen tun kann oder soll", sagte Holger Sandte, Analyst bei Nordea Markets. In diesem Umfeld dürften Anleihen wieder an Attraktivität gewinnen, denn Anleihen mit einem garantierten Zins sind für viele Anleger wieder attraktiv. Davon dürften nicht nur Bundesanleihen, sondern sogar noch stärker die Anleihen aus den kriselnden Euro-Staaten wie Italien und Spanien profitieren. Sollte die EZB ihre expansive Geldpolitik aufgrund der Deflationsgefahr weiter forcieren, dürfte die Rally noch deutlich weitergehen. Die ersten Andeutungen dazu hat EZB-Chef Draghi schon gemacht und sein Chefökonom hat das noch unterstrichen.

Japans Anleihemarkt in einer Blase

Ganz anders ist die Situation in Japan und den USA. Dort sind die Notenbanken schon einen Schritt weiter und türmen bereits einen riesigen Berg an Staatsanleihen auf. Da verdichten sich die Anzeichen einer Spekulationsblase, insbesondere in Japan.

Die japanische Notenbank kauft mittlerweile monatlich für mehr als sieben Billionen Yen (71,5 Milliarden Dollar) japanische Staatsanleihen, das entspricht Papieren im Wert von 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich. Verkäufer sind im großen Stil die japanischen Banken. Mittlerweile besitzt die Notenbank Anleihen im Wert von 132,8 Billionen Yen (1,35 Billionen Dollar), das sind rund 13 Prozent aller japanischen Staatsanleihen. Die Analysten von Mizuho Securities schrieben daher zuletzt, der japanische Anleihenmarkt "ist tot, nur die japanische Notenbank beeinflusst noch die Preise."

Das monatliche Handelsvolumen mit Staatsanleihen ist im dritten Quartal auf nur mehr 37,9 Billionen Yen (385 Milliarden Dollar) gesunken. Das ist ein Rekordtief. "Die niedrigen Zinsen sind dafür verantwortlich, dass es trotz der Verschlechterung der Staatsfinanzen keine Reformen im Fiskalbereich gibt. Die Politiker denken, sie können weiter problemlos Schulden machen", schreiben die Analysten. Ohne die Käufe der Notenbank würden die Zinsen für zehnjährige Anleihen sicher nicht bei 0,60 Prozent liegen, soll doch die Staatsverschuldung in diesem Jahr auf 245 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Das ist der mit weitem Abstand schlechteste Wert weltweit.

Fed stützt Anleihen und Immobilien

Der US-Anleihenmarkt ist ebenfalls stark von der Notenbank beeinflusst, kauft sie doch monatlich netto für 45 Milliarden Staatsanleihen und für 40 Milliarden Dollar Hypothekenanleihen. Das summiert sich auf insgesamt 1,02 Billionen Dollar jährlich – das sind mehr als sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Inzwischen besitzt die US-Notenbank Fed für 2,12 Billionen Dollar Staats- und für 1,39 Billionen Dollar Hypothekenanleihen.

Dabei wirken sich die Käufe der Fed auf den Markt für Hypothekenanleihen noch extremer aus, als auf dem der Staatsanleihen. Für jeden Dollar an Hypothekenanleihen der neue aufgelegt wird, kauft die Fed drei Dollar. Entsprechend implodiert die Liquidität am Hypothekenmarkt. "Es ist so schlecht, wie zur Zeit als Bear Stearns kollabiert ist", sagte Guy Haselmann, US-Anleihenstratege bei Scotia Capital. Bear Stearns hatte sich mit Ramschhypotheken verspekuliert und war im Mai 2008 von JP Morgan übernommen worden, um eine Pleite zu vermeiden. Mit ihren Käufen drückt die Fed die Hypothekenzinsen aktuell auf rund 4,2 Prozent und löst so eine erneute Blase am Häusermarkt aus. Entsprechend sind die Preise in den 20 größten US-Städten laut Case-Shiller-Hauspreisindex im September um 12,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.

Die Ratingagentur Fitch hat daher zuletzt gewarnt, dass der Anstieg der landesweiten Häuserpreise "nicht nachhaltig" sei. "Der extreme Anstieg der Häuserpreis ist Grund zur Besorgnis", schrieben die Analysten. So seien die Preise landesweit um 17 Prozent überbewertet. "Der beispiellose Anstieg der Häuserpreise sollte eigentlich gepaart sein mit einer beispiellosen Gesundung der Wirtschaft, die derzeit aber fehlt." Nicht die höhere Nachfrage treibe den Markt sondern spekulative Käufe. Ein weiteres Anzeichen einer Blasenbildung.
 

Quelle: ntv.de

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