Das Pentagon schielt um die Ecke Wird der Löwe EADS brüllen?
24.02.2011, 15:04 Uhr
Das US-Verteidigungsministerim in Washington. Mit Spannung wird das Ergebnis der US-Tankerausschreibung erwartet.
(Foto: REUTERS)
Die Zeiten für EADS sind aufregend. Großaktionär Daimler plant den Rückzug aus dem Konzern. Gleichzeitig werden bei EADS gerade mit aller Kraft die Daumen gedrückt für den Milliardenauftrag des US-Verteidigungsministeriums. Bei Daimler fiebert offenbar niemand mehr mit.
Die Konzernspitze von EADS muss zurzeit mehrere Schauplätze im Auge behalten. Zum einen gilt es, Großaktionär Daimler und seine strategische Entscheidung, sich aus dem Konzern zurückzuziehen, zu beobachten. Zum anderen wartet man fast täglich auf die Entscheidung des US-Verteidigungsministeriums, das eine neue Flotte von Tankflugzeugen in Auftrag geben will - ein Milliardenauftrag.
Egal, wer den Zuschlag aus Washington bekommt, wenn er erteilt wird, wird dies ein denkwürdiger Moment sein. Denn kaum eine Ausschreibung hat sich wohl jemals so lange und so zäh hingezogen. Geschlagene zehn Jahre wartet EADS bereits auf eine Entscheidung. Der Auftrag für den Ersatz der bereits 50-jährigen Maschinen musste in dieser Zeit drei Mal ausgeschrieben werden. Das jahrelange Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Co-Bewerber Boeing war begleitet von Skandalen, Korruption und Pannen. Bei der letzten Ausschreibung patzte sogar die US-Luftwaffe, indem sie EADS versehentlich streng vertrauliche Unterlagen von Boeing zuschickte, und umgekehrt.
"Kracher in der Welt der Löwen"
Sollte EADS den Zuschlag bekommen, wäre es nicht nur ein denkwürdiger Moment, es wäre ein "Kracher in der Welt der Löwen", wie Beobachter sagen. Boeing und EADS haben sich zwischenzeitlich beide schon als König der Rüstungswelt gefeiert. Aber immer wieder wurde alles auf null gestellt. Die Regierungen haben dabei heftig mitgemischt. Gewinnt EADS, würde sich nicht nur ein europäischer Konzern gegen einen amerikanischen durchsetzen, indem er einen Auftrag mit einem Volumen von 35 Milliarden Dollar und möglichen Folgeaufträgen von schätzungsweise 100 Milliarden Dollar abgräbt. Hier geht es um mehr. Europa würde sich gegen die USA und ihre protektionistischen Tendenzen durchsetzen.

Ein US-Kampfflugzeug nähert sich einer KC-135. Die Tankerflugzeuge sind im Schnitt 50 Jahre alt.
(Foto: REUTERS)
Beobachter schätzen die Chancen für EADS genau aus diesem Grund nicht höher ein als 40:60. Amerika könne in diesen Zeiten der Krise keinen Auftrag, schon gar nicht so einen schwergewichtigen, nach draußen geben, heißt es. Sowohl Boeing als auch EADS haben beide heftig mit dem Pfund gewuchert, Arbeitsplätze zu schaffen. Bis zu 50.000 sollen durch den Auftrag drin sein, aber Boeing genießt den Heimvorteil. Hier gehe es um "Amerikas nationale Sicherheit", lautete die Ansage von Boeing-Chef Jim McNerney an Washington. Die einzige Alternative, die Insidern zufolge in Frage käme, wäre ein Splitten des Auftrags oder "irgendein Kuhhandel", mit dem die US-Regierung möglicherweise beide Konzerne berücksichtigen könnte.
Für EADS käme der Verlust des Auftrags vielleicht nicht überraschend, aber es wäre auf jeden Fall ein Schuss ins Kontor. Denn der Rüstungskonzern ist in hohem Maße vom Erfolg seiner Tochter Airbus abhängig. Bei der brummt es zwar. 2010 hat Airbus Boeing mit einem Marktanteil von 52 Prozent derzeit weit abgehängt. Der Beschaffungsauftrag für die Tankflugzeuge würde die starke Marktstellung aber langfristig sichern. Soweit der Plan.
Daimler will raus
Zehn Jahre Buhlen um den Pentagon-Deal ist eine lange Zeit. Großaktionär Daimler hat diese Zeit als Gründungsmitglied von EADS maßgeblich mitgestaltet. Nun wollen sich die Schwaben aber zurückziehen. Ein schwieriges Unterfangen, da EADS sowohl unter dem Einfluss der deutschen als auch der französischen Politik steht. Aber Daimler will sich auf das eigene Kerngeschäft konzentrieren. Da kann auch dieser Milliardenauftrag nicht mehr locken. Rückblickend hat der Konzern nicht viel Freude mit seinem EADS-Anteil gehabt. In den vergangenen fünf Jahren sorgte er für rote Zahlen. Wie verlockend erscheint da die Möglichkeit, mit einem Verkauf 2,5 Milliarden Euro in die Kassen zu spülen.
Daimler befindet sich in einer privilegierten Situation. Eigentlich kann für den Konzern nichts schiefgehen. Der Wunsch auszusteigen wurde angemeldet. Der Ball liegt jetzt bei der deutschen Regierung. Im schlimmsten Fall kommt Daimler nicht so schnell wie gewünscht bei EADS raus und Airbus erhält gleichzeitig den Milliardenauftrag. Dann müsste sich der Autokonzern an den milliardenschweren Investitionen für den Tanker-Deal beteiligen. Kosten, die man eigentlich nicht am Hacken haben will. Aber für die Zukunft verspricht das Projekt viel Geld. Auch ohne das Tanker-Projekt schätzen Analysten die mittel- und langfristigen Aussichten für EADS gut ein. Würde Daimler also seinen Anteil behalten, würde "kein Schaden entstehen". Wechselt der Anteil den Besitzer, schafft es für Daimler nur klare Verhältnisse.
Alarm in Berlin

Wirtschaftsminister Brüderle, hier mit Bundeskanzlerin Merkel ist strikt gegen ein Engagement des deutschen Staates, um die Machtbalance bei EADS zu sichern.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die deutsche Regierung ist wegen der Rückzugspläne bei Daimler hochalarmiert. Bundeskanzlerin Merkel traf bereits mit ihren zuständigen Ministern zu internen Beratungen zusammen. Das gleichermaßen ausgewogene wie auch fragile Machtverhältnis zwischen Franzosen und Deutschen im Konzern ist geschriebenes Gesetz im Gründungsvertrag. Franzosen und Deutsche halten jeweils knapp 22,5 Prozent an EADS. Bei den Deutschen liegen 15 Prozent bei Daimler und 7,5 Prozent bei einem deutschen Bankenkonsortium, für das Daimler die Stimmrechte ausübt. Auf der französischen Seite ist der französische Staat mit 15 Prozent beteiligt und die französische Lagadère mit 7,5 Prozent.
Wohin also mit dem Aktienpaket von Daimler? Verschiedene Optionen werden bereits auf höchster Regierungsebene durchgespielt. Die meisten scheinen unwahrscheinlich. Eine privatwirtschaftliche Lösung scheidet mangels passender Käufer aus. Unternehmen wie MTU und Diehl sind zu klein und Zulieferer des EADS-Konkurrenten Boeing. Großinvestoren, zum Beispiel aus Kuwait oder Abu Dhabi, mit ins Boot zu holen, ist gleichermaßen unwahrscheinlich. Dafür sei die Zeit "nicht reif", sagen Beobachter. Zugriff auf Rüstung zu haben, bedeutet Macht und die Welt ist nicht sicherer geworden wie die aktuellen Unruhen in Nordafrika und im arabischen Raum zeigen. Die demokratische Welt verlässt sich auf das Duopol Boeing – EADS.
Bleibt die Spielart, dass sich EADS die Anteile über ein Aktienrückkaufprogramm selber einverleibt. Die Kriegskasse soll mit zehn Milliarden Euro prall gefüllt sein. Nicht einmal die Hälfte bräuchte es, um die Anteile von Daimler und Lagadère zu übernehmen. Es ist bereits die Rede von einer "goldenen Aktie", die die Franzosen und die Deutschen halten könnten, um ihre Interessen im Konzern zu wahren. Alles andere könnte abgestoßen werden. Eine komplizierte Option, die deshalb ebenfalls nicht besonders wahrscheinlich erscheint. Bleibt Vater Staat.
Vater Staat soll es richten
Der deutschen Regierung geht es nicht nur um eine Balance der nationalen Kräfte. EADS beschäftigt allein in Deutschland 45.000 Mitarbeiter. Da kann die Regierung nicht wegsehen, sagen Beobachter. Die FDP-Meinung, dass man EADS den freien marktwirtschaftlichen Kräften überlassen sollte, sei hier nicht gefragt. Als wahrscheinlichste Option wird so auch eine Übernahme des Daimler-Anteils durch die staatliche Förderbank KfW gehandelt. Hier war schon einmal ein Aktienpaket von Daimler platziert worden. Analysten schätzen das Investment für die KfW als durchaus rentabel ein. Der Kurs von EADS sollte ihrer Ansicht nach weiter zulegen und möglicherweise lässt sich das Aktienpaket später einmal gewinnbringend verkaufen. Aber das ist Zukunftsmusik. Bis dahin ist die Geschichte mit dem Tankerauftrag dann hoffentlich schon Geschichte.
Quelle: ntv.de