Extreme Fälle der Verschwendung Wo Athen die Axt ansetzt
03.05.2010, 13:16 UhrDie hohen Staatsschulden lassen Griechenland keine Wahl: Die Regierung in Athen muss sparen, andernfalls droht das kleine Land finanziell zu ersticken. Wie sind die Griechen nur in eine solche Lage geraten? Fünf Beispiele gefährlicher Großzügkeit.

Regierungschef Giorgos Papandreou vor der Presse: Er muss korrigieren, was über Jahrzehnte in die falsche Richtung lief.
(Foto: AP)
Unter dem Druck dramatischer Entwicklungen an den Finanzmärkten hat sich die griechische Regierung mit den Ländern der Euro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf ein Rettungspaket geeinigt. Bestandteil der Einigung ist ein ehrgeiziges Sparprogramm, mit dem Griechenland das erschütterte Vertrauen der Investoren in seine Kreditwürdigkeit wieder herstellen will. Ziel der Regierung ist es, dass Staatsdefizit von 13,9 Prozent im vergangenen Jahr bis 2011 unter vier Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken.
Der griechische Staatshaushalt gilt aufgrund einer kurzsichtigen Ausgabenpolitik als überschuldet. Kritische Beobachter haben in der Vergangenheit immer wieder auf besonders auffällige Beispiele von Verschwendung oder staatlicher Großzügigkeit hingewiesen. Darunter befinden sich zahlreiche Fälle, die insbesondere im Vergleich mit der deutschen Praxis fragwürdig und überprüfenswert erscheinen.
1. Griechische Pensionen
Unverheiratete oder geschiedene Töchter von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes erhalten nach dem Tod ihrer Eltern deren Pension. Etwa 40.000 Frauen profitieren von dieser Regelung, die jährlich etwa 550 Mio. Euro kostet. Damit wird das Sozialsystem belastet, das Experten zufolge ohne tiefgreifende Einschnitte in den nächsten 15 Jahren zusammenbricht.

Junges Paar über den Dächern Athens: Ihre Zukunft sieht kalt und abweisend aus. So gut wie ihren Großeltern wird es ihnen nicht ergehen.
(Foto: REUTERS)
Abgesehen davon ringt das griechische Sozialsystem wie viele andere Industrienationen auch dem demografischen Wandel und einem generell überproportionierten Beamtenapparat.
Allerdings genießen die griechischen Staatsbediensteten nicht nur Kündigungsschutz, sondern können auch schon vor Erreichen des 50. Lebensjahres in den Ruhestand gehen und eine Pension beziehen. Diese großzügige Regelung gilt als ein Grund dafür, dass die staatlichen Rentenausgaben viel schneller steigen als in anderen EU-Ländern.
Die Regierung will noch im Mai ein Gesetz verabschieden, in dem das Rentenalter angehoben und Frühpensionierungen eingeschränkt werden sollen. Das sind Maßnahmen, die auch in anderen Ländern auf erheblichen Widerstand stoßen dürften.
2. Gern genutzte Anreiz-Schraube
Staatsbedienstete können durch diverse Boni bis zu 1300 Euro pro Monat hinzuverdienen. Extrageld gibt es beispielsweise für die Nutzung eines Computers, das Beherrschen einer Fremdsprache oder das pünktliche Erscheinen am Arbeitsplatz. Forstbedienstete erhalten einen Bonus für das Arbeiten im Freien. Finanzielle Anreize aus der Staatskasse sind kein spezfisch griechisches Politikinstrument. Dass Subventionen - einmal in die Welt gesetzt - wieder schwer abzuschaffen sind, gilt nicht nur unter Volkswirten und Verwaltungswissenschaftler als Binsenweisheit. Beispiele dafür finden sich quer durch Europa und selbstverständlich auch in Deutschland.
Alle Beschäftigten in Griechenland beziehen 14 Monatsgehälter. Ein halbes Monatsgehalt gibt es zu Ostern obendrauf, ein weiteres im Sommer. Das 14. Gehalt bekommen die Staatsbediensteten zu Weihnachten, wovon ein Teil der Wirtschaft profitiert: Taxis, Restaurants und Friseure dürfen dann legal eine Sondergebühr als "Weihnachtsgeschenk" erheben.
Die Regierung hat bereits die meisten Bonuszahlungen um zwölf Prozent gekürzt, das Weihnachts- und Ostergeld sogar um 30 Prozent. Das spart etwa 1,7 Mrd. Euro. Welche Folgen das für den privaten Konsum haben wird, lässt sich bisher nur erahnen. Positive Impulse für die Binnennachfrage können selbst Optimisten nicht erwarten.
3. Fliegen auf Staatskosten
Die Gewerkschaften verhinderten jahrelang die Privatisierung der überschuldeten Fluggesellschaft Olympic Airways. Das kostete die Steuerzahler Millionen, während die Beschäftigten großzügige Privilegien genießen: Ihre Familien können unter anderem mit der Airline kostenlos um den Globus fliegen.
Um die sozialen Folgen für die Airline-Beschäftigten abzumildern, steckte die Regierung auch dann noch Steuergelder in das Unternehmen, als private lokale Anbieter die Strecken längst viel billiger anbot. Olympic wurde 2008 zwar verkauft, doch 4600 Beschäftigte wurden vom Staat entweder großzügig entschädigt oder wiedereingestellt. Auch hier drängt sich der Blick in die europäische Runde auf, so zum Beispiel nach Rom, Stichwort: Alitalia, oder auch nach Berlin, Stichwort: Opel.
Der Staat besitzt 74 Unternehmen, vorwiegend Versorger und Transportfirmen. Viele davon beschäftigen zu viele Mitarbeiter und schreiben Verluste, kritisiert die OECD. Allein die größte Bahngesellschaft mit ihren mehr als 9000 Mitarbeitern fuhr 2008 ein Minus von 800 Mio. Euro ein.
Die Regierung hat versichert, Staatsunternehmen zu verschmelzen und sich von Beteiligungen zu trennen. Damit steht den Griechen nun im Schnelldurchlauf bevor, was in Deutschland mit der Aufteilung und Privatisierung von Bahn und Bundespost ins dritte Jahrzehnt geht - und im Fall der noch andauert.
4. Teure Mitmisch-Runden
Als eine Eigenheit der politischen Kultur Griechenlands gilt die Existenz von Hunderten staatlich berufener Gremien - wobei aus der Distanz manchmal unklar bleibt, aus welchen Anlässen sie einberufen wurden. So soll es eine Kommission geben, die den See Kopais verwaltet. Der ist allerdings schon in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ausgetrocknet. Griechischen Zeitungsberichten zufolge beschäftigen die Gremien insgesamt mehr als 10.000 Mitarbeiter und kosten mehr als 100 Mio. Euro jährlich.
Die Regierung hat versprochen, mindestens 200 Kommissionen zusammenzulegen oder aufzulösen.
5. Bis an die Zähne verschuldet
Griechenlands Rüstungsausgaben sind unter anderem wegen der historisch erklärbaren Spannungen mit dem Erzrivalen Türkei größer als die der anderen EU-Länder: Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt lag zwischen 2007 und 2009 bei sechs Prozent. Insgesamt steckte das klamme Land 14 Mrd. Euro jährlich in die Landesverteidigung, fast 80 Prozent davon wurden für Verwaltung und Personal ausgegeben.
Wegen der Schuldenkrise ist für 2010 ein Etat von nur noch 6,7 Mrd. Euro vorgesehen. Die Regierung hat zugesichert, in diesem Jahr maximal 1,8 Mrd. Euro oder 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Waffenkäufe auszugeben.
Deutschland als Maßstab
Im Vergleich dazu: Im Bundeshaushalt 2010 sind für die Verteidigung Deutschlands und die übrigen Aufgaben der Bundeswehr 31,1 Mrd. Euro vorgesehen.
Die Staatsschulden Griechenlands belaufen sich nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat 2009 auf rund 237,4 Mrd. Euro. Das entspricht im Verhältnis zur griechischen Wirtschaftsleistung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) einem Verschuldungsgrad von 115,1 Prozent.
Für Deutschland errechnen die EU-Statistiker dagegen einen Gesamtschuldenstand von 1762,2 Mrd. Euro, was wiederum gemessen am BIP einer Verschuldung von 73,2 Prozent entspricht. Damit bleibt Deutschland finanziell nur etwas unterhalb des Durchschnitts innerhalb der Euro-Zone, der bei 78,7 Prozent liegt.
Quelle: ntv.de, mmo/rts