Der Mann für schwierige Aufgaben Wolfgang Reitzle im Porträt
09.09.2009, 18:40 Uhr
In der Autowelt spielte Reitzle immer nur die zweite Geige. Bei Linde gelang ihm sein Meisterstück.
(Foto: AP)
Unter den Top-Konzernlenkern in der Industrie wird Wolfgang Reitzle immer wieder als der Mann für die härtesten Aufgaben gehandelt.
Daher wundert es wenig, dass die Wahl für den Chefposten im Aufsichtsrat beim Autozulieferer Continental letztendlich auf den Linde-Chef fiel. Der Reifenhersteller liefert sich seit Monaten eine Schlammschlacht mit seinem ungebliebten Mehrheitsaktionär Schaeffler.
Reitzle war auch zeitweilig für den Chefposten im Aufsichtsrat der Telekom im Gespräch. Es gab sogar Spekulationen, die ihn schon als Nachfolger von Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sahen. Wo immer die Aufgaben nicht leicht sind, unter den wenigen, denen man es zutraut, ist stets der Name Reitzle.
Der 60-jährige promovierte Ingenieur gilt als dynamischer Manager, als einer der immer in Bewegung ist und es nicht langsam angehen lässt. Dabei galt er lange Zeit ausschließlich als Automann. Dort in der Welt der Karosserien hatte Reitzle aber immer nur die zweite Geige gespielt - zunächst rund 13 Jahre lang beim Münchener Autobauer BMW. Mehrmals galt er als Kandidat für den Chefposten, doch 1999 verließ Reitzle den BMW-Vorstand, insbesondere wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Rover-Übernahme. Danach war er beim US-Konzern Ford bis 2002 für Marken wie Jaguar, Aston Martin, Lincoln und Volvo zuständig. Seine langjährige Erfahrung in der Autobranche dürfte ihm nun auch bei Continental nutzen.
Vom Automann zum Gasemann
Dem stets auf sein Äußeres bedachten Manager mit Oberlippenbärtchen wird eine Ähnlichkeit mit Hollywood-Legende Erol Flynn nachgesagt. In zweiter Ehe mit der TV-Moderatorin Nina Ruge verheiratet, fühlt er sich jedenfalls unter Showgrößen nicht unwohl. Auch aus diesem Grund galt sein Wechsel von der glitzernden Welt der Luxuskarossen im Jahr 2002 hin zu Linde als komplette Überraschung. Denn der damals in Wiesbaden ansässige Gase- und Gabelstaplerkonzern war stets ein Mauerblümchen unter den großen Dax-Konzernen: Solide zwar, aber eben auch ein bisschen langweilig. Mit seinem Antritt als Linde-Chef im Januar 2003 änderte er allerdings rasch die Schlagzahl. Innerhalb kürzester Zeit wandelte sich Reitzle vom Automanager zum Spezialisten für Luftzerlegungsanlagen, Gasverflüssigung und Medizingase. Die kleinste und gewinnschwache Kältetechnik-Sparte, die Kühlregale für die Lebensmittelbranche produzierte, wurde 2004 an den US-Konzern Carrier verkauft. Ein Bruch mit der Tradition - Linde war 1879 als "Gesellschaft für Linde's Eismaschinen" gegründet worden.
Sein Meisterstück gelang Reitzle 2006 mit der Übernahme des britischen Gasekonzerns BOC für rund zwölf Milliarden Euro. Der Zukauf katapultierte Linde mit einem Schlag in die Spitzenliga der Gasehersteller. Die Gabelstaplersparte verkaufte Reitzle an ein Konsortium von US-Finanzinvestoren. Mit einem Salär von rund acht Millionen Euro war Reitzle im vergangenen Jahr nach Siemens-Chef Peter Löscher der bestbezahlte Vorstand unter den Dax-Konzernen.
Quelle: ntv.de, Frank Siebelt, rts