Inside Wall Street Zweifel am Stress-Test
08.05.2009, 21:52 UhrAn der Wall Street geht eine weitere starke Woche zu Ende. Das ist nicht weniger als erstaunlich, denn die Arbeitsmarktdaten haben gerade bestätigt, dass die US-Konjunktur in einem tiefen Tal sitzt und eine Erholung fern ist. Regelrecht bizarr ist jedoch, dass sich die größten Gewinner im Finanzsektor finden, obwohl der Stress-Test der Regierung viele Zweifel bringen müsste.
Doch für schlechte Nachrichten scheint die Wall Street dieser Tage nicht empfänglich zu sein. Milliarden-Verluste werden mit steigenden Kursen honoriert, weil sie weniger dramatisch ausfallen als erwartet, und dass amerikanische Banken insgesamt rund 75 Mrd. Dollar an neuem Kapital aufnehmen müssen, bringt die Bullen auch nicht aus dem Konzept.
Ganz allgemein scheint der Stress-Test, dem sich die Banken auf Geheiß der Regierung in Washington unterziehen mussten, keine Warnsignale zu senden - obwohl sie eigentlich nicht zu übersehen sind. Zum einen verwässert jeder neu aufgenommene Dollar die Ergebnisse der Unternehmen und damit den Wert der bereits gehaltenen Aktien. Zum anderen gibt es Zweifel daran, dass der Stress-Test als Maßstab für die Banken wirklich ein "worst case scenario" zugrunde gelegt hat.
Harmlose Szenarien
So akzeptierte man etwa ein Schulden-Kapital-Verhältnis von 25 zu 1, was noch vor Jahren undenkbar gewesen wäre. Als die US-Börsenaufsicht SEC 2004 einen Branchentest durchführte, erlaubte man noch ein Verhältnis von 12 zu 1. Auch andere Parameter waren äußerst großzügig: Der anzunehmende Wertverlust in den Immobilien-Portfolios wurde etwa mit 8,5 Prozent beziffert. Allerdings hat sich die Zahl der delinquenten Besitzer die dem Vorjahr verfünffacht, was einen wesentlich dramatischeren Einbruch dieses Marktes ankündigen dürfte.
Auch dürfte es der Finanzbranche schwer fallen, in den nächsten Quartalen die Ergebnisse der vergangenen drei Monate zu wiederholen. Dass viele Zahlen im ersten Quartal besser als erwartet ausfielen, lag nicht zuletzt daran, dass die Unternehmen ihre Bilanzen umstellten und Milliarden-Verluste einfach ausbuchen konnten.
Doch obwohl der Stress-Test die Banken nicht so streng beurteilt hat, wie Anleger es hätten wünschen sollen, tauchen am Tag nach der Zeugnisausgabe weitere schockierende Meldungen auf, die das Prozedere endgültig in Frage stellen. So sollen laut einer Untersuchung der "Washington Post" zahlreiche der größten Finanzhäuser, darunter die Citigroup, massiv Einfluss auf die Darstellung ihrer Unternehmen genommen haben.
Lobbyisten des einst mächtigen Bankhauses haben etwa die Summe des aufzunehmenden Kapitals gedrückt, indem sie 52 Mrd. Dollar anrechnen ließen, die man selbst aus eigenen Mitteln beisteuern will. Auch für den geplanten und noch nicht durchgeführten Verkauf einer Abteilung bekam man Bonuspunkte.
Fragwürdige Praktiken
Solche Tricksereien, die bei regionalen und landesweiten Banken durchgeführt wurden, sollten Anleger erneut in die Flucht schlagen. Der Stress-Test, der eigentlich Klarheit in die Branche bringen sollte, hat nicht die Transparenz geschaffen, die notwendig wäre, um Anlegervertrauen wiederherzustellen.
Es bleibt dabei: Wer zur Zeit in Bank-Aktien investiert, pokert ein riskantes Spiel. Offensichtlich gibt es nach wie vor Zocker, denen die Papiere auf ihrem recht niedrigen Niveau wie Schnäppchen vorkommen, und die jetzt zuschlagen um vor der nächsten schlechten Nachricht zu verkaufen. Das kann eine Zeit lang gut gehen und risikofreudigen Spielern hohe Renditen bescheren - mit verantwortungsvollem Investieren hat das aber nichts zu tun.
Quelle: ntv.de