Wirtschaft

Standort Ägypten im Chaos Deutsche Unternehmen in Sorge

Proteste und Plünderungen machen den Geschäftsalltag unmöglich.

Proteste und Plünderungen machen den Geschäftsalltag unmöglich.

(Foto: dpa)

Die Unruhen in Ägypten versetzen die deutschen Unternehmen in Alarmbereitschaft. Nicht nur Tourismus- und Fluggesellschaften, auch Einzelhändler wie Metro sind in dem Land aktiv und beobachten die Lage angespannt. RWE lässt seine Mitarbeiter ausfliegen.

Die angespannte Lage in Ägypten hat auch Auswirkungen auf deutsche Unternehmen. An der Börse gerieten die Aktien der großen Tourismus- und Flugkonzerne am Montag erwartungsgemäß erneut unter Druck. "Für die Branche war Ägypten schließlich ein sehr lukratives Ziel", erklärte ein Börsianer. "Tunesien und Ägypten machen zusammen zwar nur zehn Prozent der Gewinne der Reisekonzerne aus, aber sie leiden unter der Risikoaversion", sagte Matthias Desmarais, Touristik-Analyst bei Exane BNP Paribas in Paris. Die größten Verluste mussten die Aktien von Thomas Cook mit einem Abschlag von 4,5 Prozent hinnehmen. TUI fielen um 3,6 Prozent und TUI Travel um 2,7 Prozent. Die Aktien der Fluggesellschaften gaben ebenfalls nach: Lufthansa verloren 2,4 Prozent, KLM-Air France 3,7 Prozent und die aus dem Zusammenschluss von British Airways und Iberia hervorgegangene International Consolidated Airlines Group über vier Prozent.

Nachdem das Auswärtige Amt am Sonntag von Reisen nach Ägypten aufgrund der instabilen Lage abgeraten hat, ermöglichen die Reiseveranstalter Thomas Cook und TUI ihren Kunden kostenlose Stornierungen oder Umbuchungen. Die Warnung des Auswärtigen Amts gilt insbesondere für Kairo, Alexandria und Suez sowie die urbanen Zentren im Landesinnern und im Nildelta. Die Stornierungs- und Umbuchungsmöglichkeiten gelten nach Angaben der beiden Reiseveranstalter vom Montag für Anreisen bis zum 7. Februar.

Auch die Aktien von Leoni gehören zu den Verlierern. Die Titel fielen um über fünf Prozent auf 30,73 Euro. "Leoni hat ein Werk in Ägypten, und da sind einige Anleger vorsichtig", erklärte ein Händler. Die Produktion sei beeinträchtigt, bestätigte ein Sprecher. Das größte Problem sei es aktuell, die Beschäftigen zur Arbeit zu bringen. Am Wochenende hätten nur 15 bis 20 Prozent der Beschäftigten zur Arbeit erscheinen können. Nun versuche man, eigene Transportmöglichkeiten zu schaffen und das Schichtsystem auf die Gegebenheiten anzupassen, erklärte er. Der Autozulieferer lässt in Ägypten unter anderem Kabelsätze und komplette Bordnetz-Systeme für Pkw und Nutzfahrzeuge fertigen. Das Leoni-Werk im Großraum Kairo beschäftigt 4000 Mitarbeiter. Es ist eines von insgesamt zehn Werken des Konzerns in Nordafrika. Hauptstandorte für Leoni in der Region sind vor allem Tunesien und Marokko.

Der Energiekonzern RWE hat bereits einige Mitarbeiter aus Ägypten zurückgeholt, will sich dort aber langfristig weiter engagieren. Am Sonntag seien rund 90 Beschäftigte und Angehörige nach Deutschland zurückgekehrt, sagte eine Sprecherin der Öl- und Gasfördertochter Dea. Der Konzern habe den Beschäftigten die Rückkehr angeboten. Die Produktion sei nicht beeinträchtigt. Kollegen in Schlüsselfunktionen seien in Ägypten geblieben. Diese befänden sich an einem sicheren Ort.

Einen kompletten Rückzug plant RWE nicht. "Wir betrachten unser ägyptisches Engagement als langfristiges Engagement und halten an unseren Investitionen dort fest", sagte Konzernchef Jürgen Großmann. RWE Dea beschäftigt in dem Land rund 150 Mitarbeiter. Zudem betreibt der Konzern mit der Staatsgesellschaft EGPC ein Joint Venture zur Öl-Produktion im Golf von Suez. Die Suez Oil Company beschäftigt gut 1100 Mitarbeiter.

Auch Daimler will mehrere Dutzend Mitarbeiter aus seinem ägyptischen Produktionswerk ausfliegen. "Wir haben uns entschieden, die Mitarbeiter zurückzuholen", sagte ein Sprecher in Stuttgart. Es handele sich um eine niedrige zweistellige Zahl. Die Produktion ruhe seit Sonntag. Wann mit der Wiederaufnahme der Pkw-Montage begonnen werden könne, sei derzeit unklar. Auch die Vertriebsaktivitäten in dem nordafrikanischen Land ruhten voraussichtlich in dieser Woche.

BMW hat den Betrieb in seinem Montagewerk am Rande Kairos vergangene Woche eingestellt. "Eine Montage ist derzeit nicht möglich", sagte ein Firmensprecher. In dem Werk arbeiten mehrere hundert Menschen, die zwei deutschen Mitarbeiter und ihre Familien fliegt BMW aus. BMW baut in Ägypten die Modelle 3er, 5er, 7er sowie die Geländewagen X1 und X3. Die finanziellen Auswirkungen dürften sich vorerst in Grenzen halten: Im vergangenen Jahr rollten dort 3000 BMW und 180 Mini vom Band. Konzernweit verkauften die Münchner 2010 etwa 1,46 Mio. Autos.

Volkswagen hat seine Auto-Lieferungen in das nordafrikanische Land gestoppt. Es sei völlig unklar, ob die Wagen ihren Bestimmungsort erreichten, sagte ein Sprecher des Wolfsburger Konzerns. Zuvor waren auch die Lieferungen nach Tunesien unterbrochen worden, nachdem Fahrzeuge anderer Hersteller nach der Ankunft im Hafen in Brand gesteckt worden seien. Eigene Werke hat Volkswagen in Nordafrika nicht. 

Metro hat seine rund 700 Angestellten in Ägypten derweil aufgefordert, zuhause zu bleiben. Einige internationale Mitarbeiter seien zudem dabei unterstützt worden, in ihre Heimatländer auszufliegen, teilte der Einzelhandelsriese mit. Bei den Unruhen wurden auch zwei Großmärkte von Metro überfallen und ausgeplündert. Die beiden Märkte seien am Freitag sowie am Samstag überfallen worden, sagte ein Sprecher. Einer sei zudem teilweise in Brand gesetzt worden. Metro war erst im vergangenen Juni unter dem Markennamen Makro in Ägypten gestartet.

Auch bei ThyssenKrupp sollen alle Mitarbeiter bis auf weiteres zu Hause bleiben. ThyssenKrupp beschäftige vor Ort etwa 1800 lokale Mitarbeiter und rund 70 aus Deutschland. Von den deutschen Mitarbeitern seien zehn am Wochenende nach Hause geflogen. Weitere 60 befänden sich in Port Said, wo es derzeit ruhig sei. Sollte sich dies ändern, könnten auch sie zurückkehren. ThyssenKrupp ist mit seiner Tochter Uhde im Anlagenbau in Ägypten tätig.

Der Chemiekonzern BASF lässt wegen der Unruhen in Ägypten seine Produktion in dem Land vorerst ruhen. Auch die Büros blieben geschlossen, sagte ein BASF-Sprecher am Montag in Ludwigshafen. Der Konzern hat in dem nordafrikanischen Land etwa 100 Beschäftigte. Neben Marketing- und Vertriebsbüros unterhält der Konzern auch eine Produktion in Kairo, die Bauchemikalien für Kunden vor Ort herstellt.

Der Duft- und Aromenhersteller Symrise hat am Montag seine Betriebsstätten bei Kairo ebenfalls geschlossen gehalten. Das sei eine vorsorgliche Sicherheitsmaßnahme, sagte ein Unternehmenssprecher. Zwar seien die Mitarbeiter nicht akut gefährdet, aber wegen der landesweiten Ausgangssperre habe sich das Unternehmen zu diesem Schritt entschlossen. Aktuell könne in der Krise keiner genau sagen, was passiere. Symrise entscheide daher auf Tagesbasis über die zu treffenden Maßnahmen. Einschließlich Vorgängergesellschaften ist das niedersächsische Unternehmen mit Sitz in Holzminden schon seit mehr als 30 Jahren in dem Land aktiv. Das Unternehmen hat dort Produktion und Verwaltung und sitzt in einem Vorort von Kairo, etwa 30 Kilometer vom Zentrum entfernt. Symrise beschäftigt etwa 150 Mitarbeiter in dem Land.

Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts

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