Schuldenkrise bedroht Eurozone Wirtschaftsweise kennen Plan B
09.11.2011, 14:41 UhrAngesichts der stockenden Euro-Rettungsbemühungen bringen die Wirtschaftsweisen eine Alternativ-Lösung ins Spiel. Für den Fall, dass alle bisherigen Beschlüsse die Finanzmärkte nicht beruhigen sollten, schlagen sie einen "Schuldentilgungspakt" vor. Kanzlerin Merkel hält das für keine gute Idee.
Der Euro-Gipfel in Cannes ist erst wenige Tage alt. Doch es sieht nicht so aus, als ob die Beschlüsse ausreichen, eine Verschärfung der Schuldenkrise zu verhindern. Ein Schuldenschnitt für Griechenland, eine Ausweitung des Rettungsfonds EFSF und eine bessere Kapitalausstattung der Banken, glaubwürdige Programme der Staaten zur Sanierung ihrer Haushalte scheinen den Finanzmärkten nicht genug.
Die Wirtschaftsweisen schlagen deshalb einen "Schuldentilgungspakt" vor. Doch was ist das? Die Grundidee besteht darin, dass Euro-Länder ihre Schulden, die den Grenzwert von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen, in einen gemeinsamen Tilgungsfonds mit gemeinschaftlicher Haftung auslagern. Für den Rest der Schulden muss allerdings jedes Land weiterhin selbst gerade stehen.
In diesem Fonds würden Staatsanleihen in Höhe von 2,3 Billionen Euro liegen, wie die fünf Weisen errechneten. Das sind die Schulden aller Länder der Eurozone, die über der Maastricht-Grenze von 60 Prozent des BIP liegen. Italien mit 41 Prozent und Deutschland mit 25 Prozent würden die größten Anteile stellen.
Da alle Länder gemeinsam für den Fonds haften, würden sichere Anleihen geschaffen, heißt es in dem Gutachten. Damit ließe sich das europäische Finanzsystem stabilisieren, argumentieren die Wissenschaftler.
Renditen als Problem
Für Investoren hätte eine Vergemeinschaftung von Schulden den Vorteil, dass sie fest davon ausgehen können, ihr Geld zurückzubekommen. Kann ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, werden die anderen Länder der Eurozone in die Pflicht genommen.
Damit würde es für Investoren attraktiver, auch Anleihen von strauchelnden Staaten wie Italien zu behalten. Die Renditen würden wohl deutlich sinken – und die Staaten könnten sich wieder zu moderaten Bedingungen refinanzieren. Derzeit liegen die Renditen für zehnjährige italienische Staatsanleihen über der Marke von 7 Prozent – und damit auf einem Niveau das mittelfristig nicht zu bezahlen ist.
Der Fonds könnte auch den europäischen Banken helfen, die Anleihen von Problemländern in Milliardenhöhe in ihren Bilanzen stehen haben. Stünden hinter diesen Papieren alle Mitglieder der Eurozone, müssten die Banken deutlich weniger Abschreibungen vornehmen.
Pflicht zur Schuldenbremse
Die in den Fonds ausgelagerten Schulden sind die Länder allerdings nicht los. Denn sie müssen sich verpflichten, diese eigenverantwortlich binnen 20 bis 25 Jahren zu tilgen. Außerdem müssen sie einen verbindlichen Plan vorlegen, wie das geschehen soll. Die Wirtschaftsweisen schlagen vor, dass ein Aufschlag auf nationale Steuern – beispielsweise auf die Mehrwertsteuer - direkt in den Fonds und nicht in den Haushalt fließt. Damit würde sich der Fonds über feste Tilgungsverpflichtungen im Laufe der Zeit selbst abschaffen.
Um zu verhindern, dass immer neue Schulden in den Fonds verschoben werden, sollen die Länder eine Schuldengrenze einführen. Der Tilgungsfonds müsse zudem einmalig und zeitlich begrenzt sein, fordern die Wirtschaftsweisen.
Ob diese Idee umgesetzt wird, steht in den Sternen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht große Hürden. Ein Modell für eine teilweise Vergemeinschaftung von Schulden würde eine Vielzahl von Änderungen der EU-Verträge erfordern, so die Kanzlerin. Es gebe zudem verfassungsrechtliche Bedenken. Sie hält den Pakt aktuell nicht für umsetzbar.
Doch das letzte Wort ist wohl noch nicht gesprochen. Der Druck der Finanzmärkte auf die Politiker der Eurozone ist so groß, dass Ankündigungen eine immer kürzere Halbwertszeit besitzen.
Quelle: ntv.de, mit rts