Dividenden als Köder Investorensuche auf russisch
02.03.2012, 17:29 Uhr
Händler an der Moskauer Börse: Russische Firmen suchen ausländische Investoren.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Die Dividendenrenditen liegen in Russland im Schnitt bei 1,8 Prozent - rund ein Viertel weniger als in anderen Schwellenländern. Ausländische Investoren meiden deshalb das Land. Aber auch das schlechte Image - geprägt von Korruption und Verschwendung - lastet schwer. Ein Privatisierungsboom und deutliche höhere Gewinnbeteiligungen sollen Abhilfe schaffen.
"Russland ist ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium", sagte einst der britische Premierminister Winston Churchill. Viele ausländische Investoren scheinen diese Sichtweise noch heute zu teilen, denn ihr Engagement an den Finanzmärkten des größten Landes der Erde ist in den vergangenen Jahren eher mau gewesen. Russlands börsennotierte Unternehmen wollen dies nun offenbar ändern: Mit höheren Dividenden sollen die Anleger an die Aktienbörsen gelockt werden.
Nach Meinung von Experten haben die jüngsten Proteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Wladimir Putin, der sich an diesem Wochenende erneut zum Präsidenten wählen lassen will, den Reformdruck verstärkt. Das Image Russlands soll im Ausland verbessert, Korruption und Verschwendung eingedämmt werden. Dazu könnte auch eine stärkere Beteiligung an Unternehmensgewinnen beitragen, nicht zuletzt deshalb, weil die Regierung Privatisierungsvorhaben in Höhe von 200 Mrd. Dollar realisieren will.
Russland vor Privatisierungsboom
Die russischen Konzerne haben ihre Anteilseigner bisher nicht unbedingt mit hohen Ausschüttungen verwöhnt. Selbst im Vergleich zu anderen Schwellenländern, in denen traditionell eine eher geringe Dividende abfällt, schneidet Russland in dieser Hinsicht schlecht ab. Die Dividendenrenditen lagen in den vergangenen fünf Jahren bei 1,8 Prozent - rund ein Viertel weniger als in anderen Schwellenländern.
In diesem Jahr soll die Rendite in Russland nach Berechnungen von Morgan Stanley den Schwellenland-Schnitt zum ersten Mal übersteigen und auf 3,3 Prozent klettern. "Die Dividendenzahlungen in Russland verbessern sich und es gibt gute Gründe dafür, dass das für den Rest des Jahres so bleiben wird", sagte Matthias Siller, der bei Baring Asset Management Aktien europäischer Schwellenländer im Wert von 3,9 Milliarden Dollar mitverwaltet. "Die Regierung will große Teile der Wirtschaft privatisieren. Wie maximieren Sie den Preis für diese Privatisierungen? Indem Sie Minderheitsaktionären zeigen, dass Sie sie fair behandeln werden."
Gazprom als Vorreiter
Ein Beispiel für diesen Strategiewechsel ist der vom Staat kontrollierte Energieriese Gazprom. Nach der Ankündigung Ende 2011, die Dividende zu verdoppeln, wird die Rendite bei Russlands größtem Unternehmen über fünf Prozent betragen. Das ist mehr, als bei den Ölmultis BP, Chevron oder ExxonMobil zu holen ist. Analysten deuten den Geldsegen für die Gazprom-Anleger als Strategiewechsel in den obersten Reihen der russischen Regierung.
Dem Beispiel von Gazprom dürften andere Firmen folgen, sagte Soren Beck-Petersen, Investment-Direktor für die Schwellenmärkte bei HSBC Global Management. Nach der Wahl werde es viele Initiativen für Privatisierungen geben. Wenn das passiere, müssten die Firmen ihren Dividendenrenditen erhöhen. "Die Renditen sind vor allem bei Unternehmen in Staatsbesitz niedrig und das macht den ausländischen Investoren Sorgen."
"Politische Stabilität ist gut"
Inwieweit die Dividenden-Politik sich nach der Wahl tatsächlich ändert, hängt allerdings vom Reformwillen Putins ab. John-Paul Smith, der bei der Deutschen Bank die Aktienmarktstrategie für Schwellenmärkte leitet, ist da skeptisch. "Es mag derzeit schwierig sein, von fallenden Märkten in Russland auszugehen, aber ich bezweifle, dass der Anstieg der Dvidendenrenditen nachhaltig sein wird." In den vergangenen Jahren habe es ein hohes Maß an zyklischen Investitionen gegeben, so dass es eine Menge Zuflüsse an Bargeld gegeben habe.
Dass die Hoffnung auf höhere Dividenden die jüngste Kursrally an den Moskauer Aktienmärkten befeuert hat, ist allerdings nicht erwiesen. Die Börsen haben seit Jahresanfang rund 20 Prozent zugelegt, während auf Russland fokussierte Fonds nach Angaben des Fondsbeobachters EPFR Global 830 Mio. Dollar eingenommen haben.
Einer der Haupttreiber dafür ist sicherlich der hohe Ölpreis, von dem die auf Rohstoffe konzentrierte russische Wirtschaft profitiert. Händler verweisen zudem darauf, dass die sich abzeichnende Wiederwahl Putins die Börsen beruhigt. "Politische Stabilität ist gut für Investoren", sagte Finanzmarkt-Experte Murat Toprak von HSBC in London.
Quelle: ntv.de, Sujata Rao, rts