Plaudern über Libor-Skandal Deutsche Bank wird Kronzeuge
15.07.2012, 13:40 Uhr
Ganz überraschend war der Libor-Skandal offenbar nicht für die Deutsche Bank.
(Foto: picture alliance / dpa)
In der Libor-Affäre um manipulierte Zinssätze will die Deutsche Bank Medienberichten zufolge bei den Ermittlungen helfen, um so die Schäden für Bilanz und Ansehen möglichst gering zu halten. Dabei hat das Institut offenbar schon längerfristig vorgebaut und bereits 2011 eine "Kronzeugenregelung" beantragt und nun erhalten.
Libor steht für London Interbank Offered Rate. Dieser so genannte Interbankenzins gibt an, zu welchen Konditiionen sich große Banken untereinander Geld leihen.
Es gibt nicht nur einen, sondern viele unterschiedliche Libor-Sätze. Sie werden in insgesamt zehn Währungen mit unterschiedlichen Laufzeiten zwischen einem Tag und einem Jahr berechnet. Beispiel: Der USD-3-Monats-Libor gibt an, zu welchem Zins sich Banken untereinander US-Dollar-Kredite mit einer Laufzeit von 3 Monaten gewähren.
An jedem Werktag wird er um 11 Uhr Londoner Zeit von den wichtigsteninternational tätigen Banken der British Bankers' Association (BBA) festgestellt. Die Institute melden dabei, zu welchen Konditionen sie sich bei anderen Banken Geld mit unterschiedlichen Laufzeiten leihen können. Der jeweils geringste und höchste Zinssatz wird als Ausreißer gestrichen, von den übrigen Angaben wird dann der Durchschnitt errechnet - fertig ist der Libor-Satz. Kontrolliert werden die Angaben der Banken nicht.
Der Libor ist weltweit Grundlage für die Bewertung von Finanzprodukten, Swaps, Krediten undHypotheken. Er ist Berechnungsbasis für Geschäfte im Volumen von rund 360 Billionen Dollar. Neben dem Libor gibt es auch den Euribor für Geldleihen der Banken aus dem Euro-Raum oder den Tokioter Tibor.
In der Affäre um manipulierte Zinssätze hofft die Deutsche Bank offenbar, mit einer Kronzeugenregelung billiger davonzukommen. Bei der EU-Kommission, die neben anderen Behörden ermittelt, sowie in der Schweiz habe Deutschlands größte Bank schon 2011 die Regelung beantragt und kürzlich erlangt, berichtet der "Spiegel". Die Bank hoffe auf möglichst geringe Schäden für Bilanz und Reputation, wenn sie bei den Ermittlungen helfe. Ein Konzernsprecher wollte den Bericht nicht kommentieren.
"In der Deutschen Bank herrscht Nervosität", heißt es im Umfeld des Instituts dem Nachrichtenmagazin zufolge. Die Affäre sei ein Rückschlag für die neuen Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen, die das lädierte Image der Bank aufpolieren wollen.
Einer ganzen Reihe von internationalen Großbanken - darunter auch JP Morgan und die Deutsche Bank - wird vorgeworfen, von 2005 bis 2009 den Libor mit falschen Angaben zu ihren Gunsten manipuliert zu haben. Der Londoner Interbankenzins wird einmal täglich ermittelt und zeigt an, zu welchen Konditionen sich die Institute untereinander Geld leihen. Er basiert auf individuellen Angaben der Banken und dient als Referenz für Kredite an Unternehmen, Privatpersonen und weitere Finanztransaktionen in einem Volumen von 360 Billionen Dollar
Laut einer Studie von Morgan Stanley könnten auf die verdächtigen Banken insgesamt Strafen und Schadensersatzforderungen von 22 Mrd. Dollar zukommen. Dabei nahmen die Analysten die Summe von umgerechnet 450 Mio. Dollar als Basis, die britische und amerikanische Aufsichtsbehörden der Barclays Bank aufgebrummt hatten.
Barclays war die erste Bank, die zur Rechenschaft gezogen wurde. Die finanziellen Belastungen für die Deutsche Bank könnten sich nach Schätzungen von Morgan Stanley auf gut eine Milliarde Dollar belaufen. Das sei aber eine grobe Berechnung, hieß es einschränkend.
Das US-Justizministerium bereitet in der Affäre einem Zeitungsbericht zufolge Strafverfahren gegen mehrere Banken und einige ihrer Angestellten vor. Im Verlauf des Jahres solle zumindest gegen eine Institution Klage eingereicht werden, berichtete die "New York Times".
Keine Emirate-Zinsen mehr
Barclays geben derweil ihren Einfluss auf den Interbankenzins in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf. Das britische Institut habe die Notenbank der VAE über den geplanten Schritt informiert, sagten drei Branchenvertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Die Zentralbank habe für Dienstag zu Gesprächen über einen Nachfolger geladen, der künftig anstelle von Barclays den Interbankenzinssatz der Emirate (Eibor) mitbestimmen soll.
Barclays steht nicht im Verdacht, auch den Eibor ("Emirates Interbank Offered Rates") manipuliert zu haben. Das Institut gehört in der Region zu insgesamt zwölf Banken, mit deren Angaben zu ihren individuellen Konditionen täglich der Eibor ermittelt wird. Barclays hat in den sieben Öl-Emiraten der VAE eine breite Palette an Geschäftsfeldern. Bei Barclays war zunächst niemand zu erreichen, die Zentralbank der VAE lehnte eine Stellungnahme ab.
Den Kreisen zufolge ist noch unklar, welches Institut die Eibor-Position von Barclays übernehmen könnte. Die Notenbank dürfte an dem gegenwärtigen Verhältnis zwischen lokalen und internationalen Banken festhalten wollen. Doch es könnte schwierig werden, ein weiteres ausländisches Institut mit ausreichend Geschäften in der Region für diese Funktion zu finden. Den Eibor bestimmen neben acht lokalen Banken und Barclays noch Citigroup, HSBC und Standard Chartered mit.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts