Wirtschaft

Friede, Freude ... Defizitabbau G20 verschont die Banken

Der Gipfel in Toronto ist Geschichte, und die Experten reiben sich die Augen. Der Schuldenabbau steht im Vordergrund, Bankabgabe und Finanzmarktsteuer fallen unter den Tisch. Dafür gibt es in der Exportfrage einen klaren Sieger - und neue Risikogespenster.

Am Tisch mit der Kanzlerin: Angela Merkel beim G20-Gipfel in Toronto.

Am Tisch mit der Kanzlerin: Angela Merkel beim G20-Gipfel in Toronto.

(Foto: picture alliance / dpa)

Beim Doppelgipfel in Kanada haben die Vertreter der 20 führenden Industrie- und Entwicklungsländer (G20) keine Einigung über ein gemeinsames Vorgehen bei der Finanzmarktregulierung erreicht. Vor dem Treffen in Toronto waren am Freitag bereits die Staats- und Regierungschefs im Rahmen eines G8-Treffens im kanadischen Städtchen Huntsville zusammengekommen. Zu konkrete Fortschritten bei der Regulierung von Banken war es auch dort nicht gekommen.

In einer anderen drängenden Frage, der zum Teil exzessiven Staatsverschuldung, hatten sich die G20 in Toronto zumindest auf Ziele zum Schuldenabbau verständigt, ohne jedoch die Wege dorthin vorzugeben. Die großen Industrieländer sollen demnach ihre Haushaltsdefizite bis 2013 mindestens halbieren. Bis 2016 sollen sie ihre Schuldenquoten stabilisieren oder reduzieren.

Euro / US-Dollar
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In den bereits im Vorfeld heftig umstrittenen Punkten fanden die G20-Länder jedoch keine gemeinsame Haltung. So gab es keine Verständigung auf eine Bankenabgabe oder die flächendeckende Einführung eine Finanztransaktionssteuer. Die neuen Richtlinien für verschärfte Kapitalregeln für Banken (Basel III) sollen nun erst ab 2012 eingeführt werden. Ursprünglich war geplant, dass alle Regeln bis spätestens Ende 2012 bereits umgesetzt sein sollten.

Beobachter verwiesen allerdings auf die Bereitschaft der Gipfelteilnehmer zur grundsätzlichen Zusammenarbeit. Vor allem die jüngsten Streitereien zwischen Deutschen und Amerikanern um die richtige Finanz- und Wirtschaftspolitik in Zeiten der auslaufenden Krise seien nicht weiter eskaliert. Man war sich offenbar einig, der Eindruck der Zerstrittenheit der großen Wirtschaftsmächte in so schwierigen Zeiten dürfe keinesfalls als Signal aus Kanada stehenbleiben - aus ganz materiellen Gründen, nicht nur aus politischen.

Bank-Manager atmen auf

Denn nach wie vor gilt die Stimmung an den Finanzmärkten als hypernervös. Die Interpretationen von Ereignissen kann schnell den Boden für neue Krisen bereiten. Das zeigten jüngst die Turbulenzen um die vermeintlich akuten Finanzierungsprobleme von Griechenland und anderen Euro-Staaten. Wenn sich an den Märkten der Eindruck tiefer Zerstrittenheit festgesetzt hätte, hätte es am Markt für Staatsanleihen schnell wieder gefährlich werden können. Wacklige Kurse und Zinssätze würden letztlich auch die Staaten als große Kreditnehmer an den Kapitalmärkten verstärkt unter Druck bringen. Die zum Teil demonstrativ idyllischen Bilder aus Huntsville haben damit auch eine nicht unwesentliche taktische Bedeutung.

Die Augen der kritischen Öffentlichkeit: Tausende demonstrierten in Toronto.

Die Augen der kritischen Öffentlichkeit: Tausende demonstrierten in Toronto.

(Foto: REUTERS)

Das Bild einer scheinbar ungezwungen mit Obama lachenden Kanzlerin war sicher eines dieser wichtigen Zeichen, die vom Treffen der acht führenden Industrieländer mit der Runde der aufstrebenden Schwellenländer ausgehen sollten. Hinter der Fassade der symbolischen Politik verständigten sich die Gipfelteilnehmer zwar darauf, dass strengere Regeln für die Finanzwirtschaft nötig seien, fasste ein Beobachter die grobe Linie zusammen. Im Detail allerdings seien die Meinungen stark auseinander gegangen. Staaten, deren Banken die Finanzkrise überlebt haben, hätten demnach im allgemeinen darauf bestanden, dass sich ihre Regulierungsmechanismen bereits als wirksam erwiesen hätten. Sie zeigten sich wenig geneigt, für die Fehler zu bezahlen, die ihrer Meinung nach in anderen Staaten gemacht worden seien.

Vor diesem Hintergrund konnte vor allem über die von Europa unterstützten Pläne einer Bankenabgabe als Absicherung gegen zukünftige Finanzkrisen keine Einigkeit erzielt werden. Die G20-Abschlusserklärung bekräftigte den Ruf nach strengeren Regeln zur Kapitalausstattung bei Banken. Zu einer Bankenabgabe steht in dem Dokument aber nur, dass es den Ländern frei stehe, "eine Reihe verschiedener Ansätze auszuprobieren", und dass "einige Länder eine Bankenabgabe anstreben".

Lobby-Einfluss über Bande?

Vor allem die Entwicklungsländer fürchten, dass eine solche Steuer, die vor allem von europäischen Ländern gefordert wird, ihnen unnötige zusätzliche Kosten aufbürde und der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Banken schaden könnte. "Wir stimmen zu, dass einige Länder solch eine Steuer einführen sollten. Das heißt aber nicht, dass alle anderen Länder dies auch tun sollten", sagte Brasiliens Finanzminister Guido Mantega. "Wir in Brasilien haben ohnehin höhere Steuern im Finanzsektor; wie haben eine Finanztransaktionssteuer und höhere Einkommenssteuern auf Gewinne in der Branche".

Zum traditionellen "Familienfoto" gab es freundlich winkende Staats- und Regierungschefs.

Zum traditionellen "Familienfoto" gab es freundlich winkende Staats- und Regierungschefs.

(Foto: REUTERS)

Mexikos Finanzminister Ernesto Cordero pries die Standfestigkeit der mexikanischen Banken in der Krise und warnte vor zu harter neuen Regulierung, einschließlich strengerer Kapitalregeln. Da Mexikos Bankensektor großenteils von Tochterunternehmen europäischer und US-amerikanischer Banken kontrolliert wird, fürchtet das Land, dass strengere Anforderungen an die Mutterkonzerne den Banken im eigenen Land schaden könnte.

Unbekannte Risiken im Schwellenland

Vertreter von europäischen Ländern äußerten sich besorgt, dass Entwicklungsländer die Risiken in den eigenen Ländern nicht ernst genug nähmen und sich von einer härteren Regeln in den Industrieländern Wettbewerbsvorteile erhofften. Sie fürchten nach eigener Aussage, dass in Entwicklungsländern ungenügende Regulierungsmaßnahmen bestehen, und dass eine von dort ausgehende Krise in Zukunft den Rest der Welt mitreißen könnte.

Schnell zurück an den Verhandlungstisch.

Schnell zurück an den Verhandlungstisch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Einige der Delegierten wiesen darauf hin, dass etwa das Schwellenland China zwar eine niedrige Schuldenquote habe, auf der anderen Seite aber Risiken im Bankensektor bestünden. Diese gingen vor allem von Not leidenden Krediten der Provinzregierungen aus, die sich in Finanzvehikeln außerhalb der Bankbilanzen befänden. Darüber hinaus befürchten die Befürworter strengerer Regulierung, dass ungleiche Steuersysteme Staaten mit laxeren Vorschriften begünstigen würden, falls die Finanzinstitute ihre Geschäftstätigkeit dorthin verlagern sollten.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) versuchte mit einer ausgewogenen Position die Wogen zu glätten: "Einzelnen Staaten haben die Finanzkrise sehr unterschiedlich erlebt und das führt zu unterschiedlichen Prioritäten bei der Bewältigung. Aber kein Land ist immun gegen das Risiko zukünftiger Krisen. Maßnahmen, die nur im eigenen Land umgesetzt werden laufen Gefahr, dass ihre Wirkung durch unterschiedlich strenge Regeln verschiedenen Ländern unterminiert wird", sagte der IWF. "Effektive Kooperation erfordert nicht unbedingt identische Regeln in allen Ländern, aber zumindest Einigkeit über die Prinzipien."

Ifo-Chef Sinn hofft auf den Herbst

Vom Standpunkt Deutschlands aus äußerte sich der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, enttäuscht über die G20-Beschlüsse zur Finanzmarktreform.

Knallrotes Kanzlerkostüm: Angela Merkel setzte inhaltlich wie farblich Akzente.

Knallrotes Kanzlerkostüm: Angela Merkel setzte inhaltlich wie farblich Akzente.

(Foto: REUTERS)

"Wir hatten natürlich gehofft, dass es zu einer Regulierung der Banken kommt, die ihnen mehr Eigenkapital abverlangt, damit ein größerer Puffer in Krisenzeiten da ist und im vornherein nicht so stark gezockt wird", sagte Sinn im Deutschlandfunk. "Aber das ist nicht gekommen. Jetzt hofft jeder auf den Gipfel in Seoul im November."

Positiv bewertete der Ifo-Präsident dagegen die Beschlüsse zur Schuldenpolitik. Hier habe sich die Bundesregierung mit ihrer Linie durchgesetzt, dass die Verschuldung zurückgeführt und nicht noch weitere Konjunkturprogramme aufgelegt werden sollten. "Die Zeit ist auch gekommen. Wir haben einen tollen Konjunkturaufschwung. Wann, wenn nicht jetzt, soll man die Neuaufnahme von Schulden reduzieren", sagte Sinn.

Merkel setzt sich mit Sparplänen durch

Angesichts der "Hetzjagd einiger amerikanischer Ökonomen" gegen Deutschland im Vorfeld des Gipfels sei das Treffen somit ein Erfolg für Bundeskanzlerin Angela Merkel, sagte Sinn. Das von der Bundesregierung vorgelegte Sparpaket bezeichnete der Volkswirt als angemessen. Kürzungen wie die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger seien richtig, da es sich bei der Maßnahme eigentlich um eine Lohnersatzzahlung handle.

Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer hatten sich auf dem Gipfeltreffen in Toronto auf konkrete Ziele zum Schuldenabbau verständigt, ohne jedoch die Wege dorthin vorzugeben. Die großen Industrieländer sollen ihre Haushaltsdefizite bis 2013 mindestens halbieren. Bis 2016 sollen sie ihre Schuldenquoten stabilisieren oder reduzieren.

In anderen strittigen Punkten konnten sich die G20-Länder keine gemeinsame Haltung einnehmen. So gab es keine Verständigung auf eine Bankenabgabe oder Finanztransaktionssteuer. Die neuen Richtlinien für verschärfte Kapitalregeln für Banken (Basel III) sollen nun erst ab 2012 eingeführt werden. Ursprünglich war geplant, dass alle Regeln bis spätestens Ende 2012 bereits umgesetzt sein sollten.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts

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