Wirtschaft

Viel Geld für wenig Erfolg? Teurer Gipfel in Kanada

Der kanadische Premier Harper als Papp-Kopf: In Toronto laufen sich G20-Demonstranten warm.

Der kanadische Premier Harper als Papp-Kopf: In Toronto laufen sich G20-Demonstranten warm.

(Foto: REUTERS)

Auf dem G8- und G20-Gipfel werden Staats- und Regierungschef versuchen, in Sachen Finanzkrise auf einen Nenner zu kommen. Doch die Chancen auf Einigung sind so gering, dass schon auf das nächste Treffen geschielt wird. Bleibt die Frage, warum so etwas eine Milliarde kosten muss.

Toronto verwandelt sich in eine Festung

Toronto verwandelt sich in eine Festung

(Foto: dpa)

"Better safe than sorry" ist das Motto, unter dem sich das Gastgeberland Kanada auf den Doppelgipfel G8 und G20 am Wochenende vorbereitet. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Ganze 20.000 Sicherheitskräfte werden die Gipfelgäste schützen. Um die beiden Tagungsorte, der waldumrahmten Kleinstadt Huntsville für das lauschigere Treffen der G8 und dem weitaus größeren Konferenzzentrum im mehr als 200 km entfernten Toronto für das G20-Treffen, wurden doppelte, zaunbewehrte Sicherheitsringe gezogen. Kampfjets werden die Flugverbotszonen kontrollieren, Scharfschützen der kanadischen Armee mit Einsatzerfahrung in Afghanistan auf den umliegenden Dächern Stellung beziehen und die Innenstadt von Toronto wird weitgehend abgeriegelt. Kosten des Sicherheitsspektakels: 1,1 Milliarden kanadische Dollar (870 Mio. Euro). Inklusive eines künstlichen Teichs, der in Toronto angelegt wurde, um den Gästen einen Eindruck von Kanadas Naturschönheiten zu verschaffen.

Schon alleine die Kosten für das hochrangige Politiker-Treffen lösen jede Menge Protest aus. Mit einer Milliarde könne man in Afrika oder in Asien einige sinnvolle Hilfsprojekte starten, heißt es. Offizielle Proteste gegen den Doppelgipfel angekündigt haben neben verschiedenen Gewerkschaften auch Greenpeace und Oxfam. Die internationale Hilfsorganisation will die G8-Teilnehmer an die einst vereinbarten Entwicklungsziele erinnern. "Insbesondere im Gesundheitsbereich und bei der Bekämpfung von Armut und Hunger wurden trotz Beschlüssen auf früheren Gipfeln kaum Fortschritte erreicht", kritisiert Oxfam. Von den 2005 in Gleneagles für 2010 versprochenen 50 Mrd. Dollar mehr an Entwicklungshilfe fehlten ganze 20 Mrd. Dollar. "Die G8 müssen alles tun, um ihre Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Die weltweit schwierige Haushaltslage kann das bisherige Versagen nicht entschuldigen", meint Jörn Kalinski, Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland.

Gemütliche G8, kämpferische G20

Ob sich die Hoffnungen der Hilfsorganisationen erfüllen werden, ist jedoch fraglich. Sicher steht die Entwicklungshilfe neben den Sicherheits- und außenpolitischen Fragen ganz oben auf der Agenda bei dem G8-Gipfel am Freitag. Besonders die kanadische Präsidentschaft will den Kampf gegen die Mütter- und Kindersterblichkeit in den Vordergrund stellen. Aber auch Irans Atomprogramm und der Nahost-Konflikt sollen noch diskutiert werden und das alles, ohne das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren, nämlich sich unbelastet von den drängenden Wirtschafts- und Finanzfragen in Ruhe auszutauschen, ohne den Druck, eine Entscheidung treffen zu müssen. Das war nämlich die eigentliche Gründungsidee der G8. Nach dem Treffen im malerischen Huntsville wird beim G20-Treffen erwartungsgemäß mit deutlich härteren Bandagen gekämpft.

Warnt vor übertriebenen Sparmaßnahmen: US-Präsident Obama.

Warnt vor übertriebenen Sparmaßnahmen: US-Präsident Obama.

(Foto: AP)

Bei dem bereits vierten Gipfeltreffen der G20 binnen zwei Jahren soll nach der weltweiten Wirtschaftskrise wieder in Richtung Wachstum gedacht und gleichzeitig die Finanzmärkte gegen künftige Krisen ausgerüstet werden. Doch es ist unwahrscheinlich, dass sich die heterogene Gruppe aus Industrie, Schwellen- und Entwicklungsländern auf eine Linie einigen kann.

So gehört zu den größten Streitpunkten die Frage, ob bereits die Zeit gekommen ist, um von den Milliardenprogrammen zur Krisenbekämpfung Abschied zu nehmen und auf Sparprogramme umzustellen. Vor allem US-Präsident Barack Obama und Gipfel-Gastgeber Stephen Harper sind dagegen. Sie fürchten, dass übertriebene Sparmaßnahmen das Wachstum abwürgen könnte. "Die Kürzung öffentlicher Ausgaben könnte die Erholung der Weltwirtschaft erheblich gefährden", schrieb Obama vergangene Woche in einem Brief an die Regierungschefs der G20-Mitglieder. In Europa und besonders in Deutschland sieht man das anders. Hierzulande ist man fest entschlossen, 2011 den Gürtel enger zu schnallen. Der deutsche Sparkurs werde keine Wachstumsbremse für die Weltwirtschaft sein, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Obama in einem Telefonat. Das Gegenteil sei der Fall: Wenn Deutschland bis 2014 klug spare und die Schuldenbremse einhalte, würden mehr Wachstum und Beschäftigung ausgelöst. Offenbar argumentierte die Kanzlerin einleuchtend, denn trotz der der gegensätzlichen Meinungen soll das Gespräch in "sehr guter Stimmung" verlaufen sein.

Zankapfel Bankenabgabe

Beim Thema Bankenabgabe werden sich die Fronten neu aufstellen. Während die großen europäischen Länder und die USA hier gemeinsam auf eine Bankenabgabe dringen und sich auch schon nationale Lösungen abzeichnen, halten Länder wie Kanada, Australien oder Brasilien dagegen, weil ihre Institute kaum von der Finanzkrise betroffen waren.

In Sachen Bankenabgabe auf einer Seite: Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy.

In Sachen Bankenabgabe auf einer Seite: Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy.

(Foto: dpa)

Beim Thema globale Finanzmarktsteuer wird Bundeskanzlerin Merkel zwar Seite an Seite mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy kämpfen, hier wird das Duo aber vor allem auf Gegenwehr von Seiten der USA stoßen. Beim Bemühen um neue und schärfere Regeln am Finanzmarkt werden die G20-Teilnehmer also vornehmlich damit beschäftigt sein, Formulierungen zu finden, die die gegensätzlichen Positionen kaschieren.

China ganz handzahm?

Ein Mitglied überraschte jedoch bereits vor dem G20-Treffen mit unerwarteten Zugeständnissen. Nach der Ankündigung, die Devisenpolitik lockern zu wollen, will Peking nun die international kritisierten Zollerleichterungen für eine Reihe von Waren aufheben. Trotz dieser Demonstrationen guten Willens wird China am Wochenende wohl mit der Frage konfrontiert werden, was diese Ankündigungen in der Praxis zu bedeuten haben. Denn von der angekündigten Aufwertung des Yuan spüren die Devisenmärkte bislang noch nicht viel. Am Dienstag hatte die Volksrepublik mit massiven Dollar-Käufen den kleinen Höhenflug des Yuan wieder gestoppt und die Währung büßte dabei die Hälfte ihrer Aufwertung vom Wochenbeginn ein.

War die Yuan-Aufwertung ein reines Lippenbekenntnis?

War die Yuan-Aufwertung ein reines Lippenbekenntnis?

(Foto: dpa)

Analysten tippen darauf, dass China seine Währung zwar tatsächlich schrittweise aufwerten wird; die Wertsteigerung werde aber wahrscheinlich zu zaghaft verlaufen, als das sie Chinas Handelsüberschuss oder das amerikanische Defizit verringern könnte. Daher diente die Ankündigung wohl eher dazu, dass weder die Pekinger Regierungsriege noch US-Finanzminister Timothy Geithner, der Chinas Währungspolitik massiv kritisiert hatte, ihr Gesicht verlieren. Man kann also in Kanada miteinander sprechen – ob etwas dabei rauskommt, ist erneut eine andere Frage.

Unter dem Strich erwarten Finanzexperten weder bei der internationalen Finanzmarktregulierung, noch bei der Bankenabgabe, noch bei der Steuer auf Finanztransaktionen einen Durchbruch. Aber was bleibt denn dann? Die Hoffnung auf den nächsten G-20-Gipfel im November in Südkorea. Dann könnten wirkliche Entscheidungen getroffen werden, heißt es. Aber das wird dann wahrscheinlich weitere Millionen kosten.

Quelle: ntv.de, mit rts/dpa/AP/DJ

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