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Baltische Staaten Rauhe Landung

Von Oliver Stönner, Investment-Stratege bei Cominvest

Der Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts um lediglich 0.4% gegenüber Vorjahr im ersten Quartal in Estland verdeutlicht die sehr kräftige Verlangsamung der in den letzten Jahren sehr hohen wirtschaftlichen Dynamik. Offensichtlich ist vor allem in Estand und Lettland mit einer recht rauen Landung nach den Boomjahren zu rechnen, während Litauen eher einem moderaten Abschwächungstrend folgt.

Ausschlaggebend für die schnelle Abkühlung in Estland und Lettland ist vor allem ein Ende des Booms im Immobiliensektor. Dies hat eine deutliche Verringerung der Investitionsdynamik zur Folge.



In beiden Ländern ist in diesem Jahr mit Rückgängen bei den Investitionen in der Größenordnung von 3-5% zu rechnen, nachdem die Zuwachsraten in den letzten Jahren teilweise deutlich über 10% lagen. In Litauen wird die Investitionsdynamik hingegen voraussichtlich durch die wirtschaftlich sehr bedeutende Ölraffinerie Mazeikiu gestützt, die erst seit dem Jahresende 2007 wieder mit voller Kapazität produziert.



Einerseits gehen von Investitionen im Zusammenhang mit der Raffinerie binnenwirtschaftliche Impulse aus. Andererseits dürfte die Steigerung des Exports mineralischer Produkte gerade bei international hohen bzw. sogar noch weiter steigenden Ölpreisen das Exportwachstum insgesamt wieder auf über 10% jährlich im Zeitraum 2008/09 steigen lassen.



In Estland und Lettland besteht dagegen das Risiko, dass sich die Korrektur der Investitionsdynamik belastend auf den Arbeitsmarkt und damit auf den Privaten Verbrauch auswirkt. Der IWF erwartet auf der Basis dieser breiten wirtschaftlichen Abkühlung für Lettland in diesem Jahr nur noch einen Zuwachs des realen BIP um 0,5%. In dieser schwierigen wirtschaftlichen Phase sind die Impulse aus den direkten Nachbarstaaten und der EU besonders wichtig. Gute Nachrichten aus Deutschland können deshalb stabilisierend wirken, da Deutschland mit einem Anteil von etwas mehr als 10% an den Gesamtexporten Lettlands der drittgrößte Exportmarkt des Landes ist.



Für die estnische Volkswirtschaft geht ebenfalls das größte Risiko von einer stärkeren Abschwächung des Privaten Verbrauchs aus. Stabilisierend können in diesem Fall die Handelsverflechtungen mit Skandinavien und Russland wirken. Der Exportanteil Russlands hat sich von 3,9% in 2003 auf 8,8% in 2007 mehr als verdoppelt. Dies unterstreicht die Strategie der Wirtschaft Estlands, die Chancen des hohen Expansionstempos der russischen Wirtschaft zu nutzen.

Die Dauer der gerade begonnenen Abkühlungsphase in den baltischen Staaten ist derzeit kaum absehbar. Vor dem Hintergrund der gleichzeitigen äußeren Belastungen ist kaum damit zu rechen, dass 2009 bereits eine deutliche Gegenbewegung einsetzt. Vielmehr liegt aus aktueller Sicht, das Risiko eher auf der unteren Seite. Positiv ist in diesem Zusammenhang lediglich der schrittweise Abbau der mittlerweile recht großen Leistungsbilanzdefizite hervorzuheben. Anlage-seitig folgt aus der Abkühlung und den strukturellen Anpassungsprozessen, dass Investoren eher zurückhaltend in den baltischen Märkten agieren sollten.

Diese Ausarbeitung dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Die in der Ausarbeitung enthaltenen Informationen wurden sorgfältig zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Einschätzungen und Bewertungen reflektieren die Meinung des Verfassers im Zeitpunkt der Erstellung der Ausarbeitung.

Quelle: ntv.de

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