Kolumnen

Inside Wall Street Alte Lügen, neue Worte

Auf dem US-amerikanischen Parkett feiert man die Republikaner gerne. Auch in diesen Tagen, wenn es in Washington um die Zukunft von Obamas "Job-vernichtender Gesundheitsreform" geht. Leider gehen die Börsianer der Partei-Propaganda damit ordentlich auf den Leim, meint Lars Halter.

Mit der weniger deutlichen Propaganda der Republikaner sollten Börsianer vielleicht manchmal besser zweimal hinhören.

Mit der weniger deutlichen Propaganda der Republikaner sollten Börsianer vielleicht manchmal besser zweimal hinhören.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Nach einer Schießerei in Arizona versuchen die Amerikaner, ihre Politik freundlicher zu gestalten und im täglichen Diskurs Worte sorgfältiger zu wählen. Die Republikaner gehen mit gutem Beispiel voran. Nach wie vor wollen sie zwar die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama stoppen. Doch das Gesetz dazu heißt nicht mehr "Rückruf der Job-tötenden Gesundheitsreform", sondern "Rückruf der Job-vernichtenden Gesundheitsreform".

Ja, auf die richtige Wortwahl kommt es an. Fraktionsführer John Boehner persönlich hat den Gesetzestitel ändern lassen, denn Worte wie "töten" will man in Zukunft vermeiden… was natürlich nicht zu vermeiden ist, sind die absolut dreisten Lügen, mit denen seine Partei die Wähler in die Irre führt. In diesem Fall: Die Gesundheitsreform von Obama wird weder Jobs töten noch vernichten, wie das parteilich unabhängige Congressional Budget Office (CBO) in Washington auch ganz klar erklärt hat. Aber wen kümmern denn schon Details?

Oder besser gefragt: Wen kümmern Details, wenn sie nicht das von der Partei gewünschte Ziel unterstützen? – Die Republikaner auf jeden Fall nicht. Die haben sich in den letzten Jahren zunehmend von Fakten verabschiedet und bauen ihre Politik auf Ideologien und persönliche Interessen. Die decken sich immer wieder mit denen der Wall Street, und deshalb feiert man die Republikaner auf dem Parkett gerne. Auch in diesen Tagen, wenn es in Washington um die Zukunft der Gesundheitsreform geht, die Obamas Demokraten als Meilenstein in der US-amerikanischen Geschichte feiern.

Für Obamas Demokraten hat die Gesundheitsreform hohen Symbolcharakter: "Wir treten in ein neues Zeitalter in Amerika an."

Für Obamas Demokraten hat die Gesundheitsreform hohen Symbolcharakter: "Wir treten in ein neues Zeitalter in Amerika an."

(Foto: REUTERS)

Die Reform, die jeden Amerikaner künftig unter den Schutz einer Krankenversicherung stellen soll und die dafür neue Bestimmungen vor allem an Arbeitgeber stellt, kostet den Republikanern zufolge 650,000 Arbeitsplätze. Gerade in Zeiten mit einer rekordverdächtigen Arbeitslosigkeit von knapp unter 10 Prozent ist ein solches Szenario ein Albtraum für jeden Amerikaner. Umso mehr als die Zahl gar nicht aus der Propagandaschmiede stammt, sondern eben vom unabhängigen CBO – das jedenfalls behaupten die Republikaner.

Stimmen tut das nicht. Denn im Bericht des CBO steht lediglich, dass die Gesundheitsreform dazu führe, dass sich "ein halbes Prozent" der amerikanischen Arbeitnehmer aus ihren Jobs zurückziehen könne, etwa in den Ruhestand. Die Zahl bezieht sich vor allem auf Leute zwischen 60 und 65, die nur deshalb noch arbeiten, weil sie sonst ihre Krankenversicherung verlieren würden und noch nicht für die staatliche Versicherung Medicaid qualifiziert sind.

Dass diese künftig Versicherungsschutz auch außerhalb ihrer Jobs erlangen und deshalb früher in den Ruhestand treten können, ist eigentlich positiv zu bewerten. Der Satiriker Jon Stewart sagt: "Die Gesundheitsreform als Job-Killer zu beschreiben, wären wie "mehr Schlaf" als "Wachsein-Killer" zu bezeichnen."

Von einem Blick auf diese Details lassen sich die Republikaner ihre Initiative allerdings nicht kaputt machen. Sie halten die völlig falsch interpretierte Zahl des CBO hoch… während sie eine andere Zahl aus dem gleichen Bericht völlig ignorieren: Das CBO warnt, dass ein Rückruf der Gesundheitsreform den US-Haushalt in den nächsten sieben Jahren mit mindestens 145 Mrd. US-Dollar belasten würde. Die Republikaner tun das als Panikmache ab und bestehen darauf, dass die Gesundheitsreform – nicht deren Rückruf – den Staat viel Geld koste. Das ist falsch, doch geht die Taktik der Boehner-Partei auf: Rund die Hälfte der Amerikaner glaubt, dass sich Amerika die Gesundheitsreform nicht leisten könne, wie eine jüngste Umfrage ergeben hat.

An der Politik in Washington hat sich also nichts geändert, an der Stimmung der Wall Street auch nicht. 

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen