Raimund Brichta Bloß nicht verkaufen!
04.07.2011, 07:43 Uhr
Da macht die Eule große Augen: Schwere Schulden lasten auf Athen.
(Foto: dpa)
Das Sparpaket ist durch, die nächste Tranche kann fließen: Zusätzlich soll Athen sein gesamtes Tafelsilber verscherbeln. Telebörse-Moderator Raimund Brichta hält das für einen schweren Fehler. In einem offenen Brief an den griechischen Ministerpräsidenten zeigt er Alternativen auf.
Lieber Giorgos Papandreou!
Nun ist für Sie und Ihr Volk wieder ein auf den Weg gebracht worden. Besser gesagt ein Päckchen. Die darin enthaltenen 12 Mrd. Euro reichen ja nur für ein paar Wochen. Zwar dürfen Sie außerdem mit einem weiteren, fast zehnmal so großen Paket rechnen, aber auch damit werden Sie vermutlich nur das nächste Jahr überbrücken. Danach dürfte das Gezeter und Gezerre um Milliarden von Neuem beginnen. Deshalb frage ich mich, warum niemand auf die Idee kommt, Ihnen etwas Beständigeres anzubieten. Ich hätte jedenfalls etwas für Sie.
Ihr größtes Problem liegt doch darin, dass Sie neue Kredite am freien Markt nur noch zu Zinsen bekommen, die so hoch sind, dass Sie diese nicht mehr zahlen wollen oder können. Ihr wichtigstes Problem sind zurzeit also die Zinsen, nichts anderes. Wären diese noch so niedrig wie vor zwei oder drei Jahren, kämen Sie nach wie vor ohne Schwierigkeiten an Geld, und niemand käme auf die Idee, von einer Schuldenkrise zu reden. Denn erst seitdem Ihre Zinsen steigen, stecken Sie im Schlamassel. Und der verstärkt sich auch noch von selbst: Je höher die Zinsen, desto schlechter wird über Griechenland geredet, und je schlechter geredet wird, desto weiter steigen die Zinsen.
Zeit für neue Ansätze
Aus dieser Spirale gibt es nur einen Ausweg: Ihr Zins muss runter! Aber wie? Ganz einfach, man muss der Ursache auf den Grund gehen. Ihre Zinsen sind doch allein deshalb so hoch, weil die Kreditgeber Angst haben, dass sie ihr Geld nicht wieder kriegen. Und diese Angst wird dummerweise umso größer, je weiter die Zinsen steigen, weil dadurch die Last für Griechenland immer drückender wird. Auch das ist eine Spirale, die es zu durchbrechen gilt. Und hier die Lösung: Nehmen Sie Ihren Kreditgebern einfach diese Angst, lieber Herr Papandreou! Ja, Sie können das, und es ist einfacher, als Sie denken. Sie brauchen Ihren Gläubigern nämlich nur anzubieten. Daran kann sich ein Gläubiger schadlos halten, wenn ein Schuldner seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt.
So funktioniert es auch, wenn man in der Privatwirtschaft Schulden macht. Den Kredit für mein Haus zum Beispiel hätte ich niemals gekriegt, wenn ich meiner Bank nicht das Recht eingeräumt hätte, sich im Fall der Fälle meine Immobilie anzueignen und sie zu verkaufen. In der Wirtschaft sind solche Sicherheiten Gang und Gäbe, nur bei Staatskrediten sind sie es nicht. Bei diesen verlassen sich die Gläubiger in der Regel auf die bloße Floskel, dass letztlich das gesamte Volk mit seinen Steuern für die Schulden gerade stünde, was in letzter Konsequenz allerdings ein leeres Versprechen ist. Denn selbst wir Deutschen könnten für unsere gesamten Staatsschulden von mittlerweile zwei Billionen Euro niemals mit unseren Steuern aufkommen. Wir würden im Ernstfall von der Steuerlast erdrückt. Und was für uns gilt, gilt für Ihr Land erst recht, lieber Herr Papandreou.
Warum wagen Sie also nicht einmal etwas vollkommen Neues? Bieten Sie Ihren Gläubigern statt leerer Floskeln doch einfach handfeste Sicherheiten an! Dann käme auch Ihr Land wieder günstig an Geld, denn der Zinssatz würde sich in diesem Fall an den Sicherheiten orientieren und nicht etwa daran, wie verschwenderisch Sie, pardon Ihre Vorgänger, in der Vergangenheit mit Geld umgegangen sind. Selbst wenn Sie einen Teil Ihrer alten Schulden nicht zurückzahlen sollten, wäre das kein Beinbruch. Sie könnten dann trotzdem zu vernünftigen Konditionen an neue Kredite kommen, denn die Geldgeber bräuchten wegen der Sicherheiten ja keine Angst zu haben. Nur die alten Gläubiger hätten eben Pech gehabt - selbst schuld, sie hätten ja auf einem Pfand bestehen können.
Im Beton schlummern Milliarden
Bevor Sie mich nun fragen, wo Sie die Sicherheiten herkriegen sollen, sage ich, selbst Griechenland hat mehr davon, als Sie denken. Zum Beispiel Häfen und Flughäfen, Unternehmensanteile, Immobilien, Land - eben alles, was dem Staat gehört und im Ernstfall verwertbar wäre.
Aber stattdessen empfehlen Ihre Berater von IWF, EZB und EU das genaue Gegenteil. Sie raten, ja sie fordern geradezu, Sie sollten Ihren Staatsbesitz verscherbeln. Tun Sie das auf keinen Fall, lieber Herr Papandreou! Eine schlechtere Beratung kann ich mir kaum vorstellen. Denn wenn Sie Ihren Staatsbesitz erst einmal verkauft haben, ist er ein für allemal weg und kann Ihnen nie wieder als Kreditpfand dienen. Damit wären Sie noch abhängiger vom Wohlwollen Ihrer Geldgeber. Wollen Sie das? Wenn Sie Ihren Besitz dagegen behalten, könnten Sie ihn immer wieder als Pfand einsetzen und damit stets alte Kredite durch neue ablösen. Auch das ist in der Privatwirtschaft Gang und Gäbe.
Und kommen Sie mir bitte nicht mit dem Argument, das wäre nicht praktikabel. Sicherlich wäre es aufwendig, alle Sicherheiten erst einmal zu erfassen und zu bewerten. Aber das gilt für die Kreditvergabe an Private ebenfalls. Trotzdem funktioniert es dort. Warum sollte es also ausgerechnet beim wichtigsten Kreditnehmer, dem Staat, nicht funktionieren? Wagen Sie es ruhig einmal, lieber Herr Papandreou!
Allerdings muss ich Ihnen auch sagen, dass Sie dann nicht mehr so schamlos Schulden machen können, wie Sie, pardon Ihre Vorgänger, das bisher gemacht haben. Denn die Schuldenmacherei wäre fortan durch den Wert der Sicherheiten begrenzt, die Ihr Staat bereitstellen kann. Aber so weiter machen wie bisher, das wollen Sie doch sowieso nicht mehr, nicht wahr?
Herzlicher Gruß
Ihr Raimund Brichta
Quelle: ntv.de