Der Marathon geht weiter Griechen bekommen Atempause
03.07.2011, 12:35 UhrDie wochenlange Zitterpartie um eine weitere Milliardenhilfe für Griechenland ist beendet. Doch die Arbeit geht weiter - viele Fragen sind noch offen. Ob sich das pleitebedrohte Land am südöstlichen Rand der EU erholt, steht in den Sternen. Zunächst geht es darum, private Gläubiger ins Boot zu holen.
Mit der Freigabe der nächsten Kreditrate für Athen haben die Euro-Länder den drohenden Staatsbankrott Griechenlands zwar vorläufig abgewendet. Für eine Entwarnung ist es aber noch viel zu früh.
Die Euro-Finanzminister stimmten dafür, bis zum 15. Juli die nächste Kedittranche auszuzahlen. Aus dem Hilfsprogramm der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) sollen insgesamt weitere 12 Mrd. Euro fließen. 8,7 Mrd. Euro entfallen auf die Europäer, 3,3 Mrd. Euro auf den IWF. Ohne das Geld wäre Athen Mitte des Monats zahlungsunfähig. Insgesamt summieren sich die bisherigen Hilfen damit auf 65 Mrd. Euro. Der Rettungsplan von Europäern und IWF läuft seit Mai 2010. Mit dem neuen Kredit dürfte Griechenland bis zum Herbst über die Runden kommen, hieß es in Brüssel.
Mittelfristig ist ein zweites Hilfspaket notwendig. Dazu gibt es bislang nur Eckdaten: Bis zu 120 Mrd. Euro soll es enthalten - und bis Mitte September geschnürt sein. Bis dahin sind viele offene Fragen zu klären. Der Teufel steckt im Detail.
Private Gläubiger sollen sich beteiligen
Die Stichworte im Schuldendrama lauten: "Freiwillige" und "substanzielle" Beteiligung von privaten Gläubigern wie Banken und Versicherungen, Zustimmung der Ratingagenturen für eine Laufzeitverlängerung griechischer Schuldtitel, und schließlich eine wackelnde Koalitionsmehrheit im Bundestag. Bei alledem ist nicht klar, ob Griechenland jemals wieder auf eigenen Füßen stehen kann.
Forderungen nach einem auf mehrere Jahre angelegten Wirtschaftsprogramm ähnlich dem Aufbau Ost in den neuen Ländern werden daher lauter - die Sozialdemokraten und auch Finanzminister Wolfgang Schäuble sprechen von einer Art europäischem "Marshall-Plan".
Wichtige Maßgabe der Europartner und der Koalitionsparteien in Berlin ist, dass auch private Geldgeber an dem zweiten Hilfspaket beteiligen müssen. "Freiwillig", weil sonst die Ratingagenturen damit drohen, griechische Anleihen als Zahlungsausfall zu werten - mit unkalkulierbaren Folgen für das Finanzsystem.
Die angestrebte europäische Lösung für die Gläubigerbeteiligung zieht sich jedoch hin, die Verhandlungen sind schwierig. Die mühsam ausgehandelte und an Bedingungen geknüpfte Zusage privater deutscher Banken und Versicherer, sich mit zwei Milliarden Euro zu beteiligen, dürfte Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Schäuble nicht wirklich froh machen.
Für die zusätzlich in Aussicht gestellten 1,2 Mrd. Euro, die die staatlichen Abwicklungsanstalten ("Bad Banks") der Krisen-Bank HRE und der WestLB beisteuern sollen, müssten letztlich auch die Steuerzahler geradestehen. Ob es überhaupt bei der Summe bleibt, muss sich erst zeigen. Noch wird emsig hin und her gerechnet.
Die Allianz ist dabei
Europas größter Versicherungskonzern Allianz will sich mit rund 300 Mio. Euro am neuen Hilfsprogramm für Griechenland beteiligen. Zu der Unterstützung Griechenlands gebe es für die Europäer keine Alternative, sagte Allianz-Chef Michael Diekmann dem "Spiegel". "Sich auf einen Plan B einzulassen, bedeutet, sich eine Kapuze aufzusetzen und mit 200 Stundenkilometern auf der Autobahn zu fahren." Eine Insolvenz Griechenlands hätte größere Auswirkungen als die Pleite der US-Bank Lehman, warnte er.
Damit sich Griechenland in Zukunft wieder Geld am Kapitalmarkt besorgen könne, brauchen die Gläubiger nach Ansicht von Diekmann aber ein gewisses Sicherheitsnetz, da sonst momentan kein privater institutioneller Anleger Geld in Griechenland investieren würde.
Nach seinen Vorstellungen sollte ein Teil des Geldes aus dem Euro-Rettungsmechanismus verwendet werden, um einen Anleiheversicherer einzurichten. Dieser könne dann die Anleihen bis zu einem Nennwert von beispielsweise 90 Prozent absichern. Der maximal mögliche Verlust für die Investoren läge dann bei zehn Prozent. Die Allianz hatte ihren Besitz an griechischen Staatsanleihen zuletzt von 3,3 auf 1,3 Mrd. Euro reduziert.
Weiter Weg
Wird mit alledem der immer wieder in Berlin beschworene "substanzielle" Beitrag der Privatgläubiger erreicht? Von immerhin 30 Mrd. Euro war einmal die Rede. Wie die europäischen Partner mitziehen, ist noch nicht deutlich. Frankreich, dessen Banken in Griechenland besonders exponiert sind, macht große Anstrengungen. Ob die Koalition in Berlin mehrheitlich mitspiel, ist noch unklar.
Parallel zum Gezerre über Gläubigerbeteiligung und ein zweites Rettungspaket wächst die Sorge, dass die von Griechenland verlangten Sparmaßnahmen und Ausgabenkürzungen letztlich das Land näher an den Abgrund treiben. Athen benötigt dringend auch Wirtschaftswachstum.
Spätestens Ende August beginnt die Experten-"Troika" eine neue Kassen- und Kontenprüfung in Athen zur Auszahlung der sechsten Kredittranche. Diplomaten hoffen, dass sich die Zitterpartie der vergangenen Wochen nicht wiederholt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP