Die Busch-Trommel Brandbeschleuniger
03.07.2012, 08:05 UhrUm ihre Vision von der Rettung Europas nicht zu gefährden, gibt Kanzlerin Merkel Forderungen der Opposition nach - und setzt sich für Finanztransaktionssteuer und Wachstumsprogramm ein. Das kann sich als großer Fehler erweisen.
Mag sein, dass die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister tatsächlich der Meinung sind, sie hätten mit der Verabschiedung des Fiskalpaktes und des Rettungsschirmes ESM dem europäischen Gedanken zu neuem Leben verholfen. Aber um welchen Preis!
Um vorhersehbaren verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die beiden Gesetzesvorhaben die Schärfe zu nehmen, wollte die Regierungskoalition bei der Abstimmung im Bundestag eine möglichst große Zustimmung der Opposition. Mithin mussten die SPD und die Grünen unbedingt mit ins Boot geholt werden. Die geforderte Gegenleistung dieser Zustimmung: ein europäisches Wachstumsprogramm und eine Finanztransaktionssteuer, die notfalls auch von Deutschland alleine vorangetrieben werden soll.
Beiden Forderungen stimmte die Bundeskanzlerin zu, um ihre Vision von der Rettung Europas nicht zu gefährden. Dabei ist jedem klar, dass eine derartige Belastung der Finanzmärkte nur wirken kann ist, wenn es nirgendwo in der globalen Finanzwelt eine Möglichkeit gibt, dieser Steuer zu entkommen.
Unsinn als eigenes Programm
Aber derartige Erkenntnisse scheren Parteitagsideologen in der Regel wenig. Auch nicht die Frage nach dem Zweck der Steuer. Sollen damit nun die Finanzmärkte gezwungen werden, zu einer Behebung der Krise, die sie ja schließlich mitzuverantworten haben, durch eine möglichst hohe eigene finanzielle Beteiligung beizutragen, oder will man den garstigen Finanzspekulanten durch diese Steuer das Handwerk legen? Auf beide Fragen hört man aus dem Kreis der Befürworter ein entschiedenes Ja. Dass beide Ziele sich aber grundsätzlich widersprechen, wen kümmert das? Wer kassieren will, muss an hohen Umsätzen interessiert sein, wer verhindern, bzw. behindern will, möchte die Umsätze verringern. Logisch, oder?
So sinnlos die Einführung einer Finanztransaktionssteuer lediglich in einem begrenzten Umfang, so tumb ist der Plan, den sich die französischen Sozialisten mit ihren deutschen Gefolgsleuten zur Aktivierung ihrer Wählermassen ausgedacht haben: Mit einem staatlichen Wachstumsprogramm sollen überall dort in Europa, wo durch den Abbau der Staatsverschuldung die Konjunktur leidet, beispielsweise in Frankreich, Aufträge zur Ankurbelung der Wirtschaft vergeben werden. Dass diese Programme mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederum neue Schulden verursachen werden, kümmert ihre sozialistischen Befürworter wenig.
"Politische Erpressung"
Frau Merkel versucht nun zu retten, was eigentlich nicht zu retten ist, indem sie trickreich die 120 Milliarden Euro aus Brüssel ins Spiel bringt, die für Strukturhilfen seit Jahren dort noch zur Verfügung stehen, aber bisher nicht abgerufen worden sind. Warum wohl nicht? Weil es offensichtlich nicht genügend Ideen gibt, sinnvolles Wirtschaftswachstum langfristig zu generieren. Von Herrn Gabriel oder Herrn Trittin ist dazu bisher wenig bis gar nichts zu hören. Dennoch haben sie offenbar mit ihrer Taktik die Kanzlerin gezwungen, diesen Unsinn als eigenes Programm in Brüssel zu vertreten, schließlich brauchte sie ja in Berlin die Zustimmung der beiden Oppositionsparteien, um die Verfassungsrichter in Karlsruhe zu beeindrucken.
Aber auf das Spiel politischer Erpressung verstehen sich nicht nur der französische Präsident und seine deutsche Fangemeinde. Auch die Italiener und Spanier haben diese Chance genutzt und ihre Zustimmung zum Wachstumspakt von Frau Merkels Zustimmung zu günstigen Finanzkonditionen in eigener Sache abhängig gemacht.
Und um dem Intrigenspiel die Krone aufzusetzen, wurde in Brüssel mit dem Zugeständnis der Bundeskanzlerin vereinbart, künftig aus dem noch zu gründenden Rettungsfonds ESM auch marode europäische Banken, vor allem in Spanien, direkt zu helfen.
Nur wenige Stunden danach segnete in Berlin der Bundestag mit der überwältigen Mehrheit von 491 der anwesenden 608 Abgeordneten den ESM-Rettungsfonds ab, gab auch der Bundesrat grünes Licht für eine Regelung, die eine direkte Bankenhilfe mit den Mitteln dieses europäischen Rettungsfonds nicht vorsieht. In Berlin wurde also ein Gesetz beschlossen, das schon vor der Abstimmung überholt war und deswegen korrigiert werden muss.
Vielleicht aber wird diese Farce schon vorher vom Spielplan abgesetzt, wenn das Bundesverfassungsgericht dem Verlangen der Linkspartei und anderer Abgeordneten folgt, die sowohl den ESM-Rettungsfonds als auch den Fiskalpakt für verfassungswidrig halten, auch wenn das Parlament in beiden Fällen mit der verfassungsrechtlich relevanten 2/3 Mehrheit dafür gestimmt hat.
In diesem Falle würden sich die vielleicht gut gemeinten Initiativen der Bundesregierung zur Stabilisierung Europas als Brandbeschleuniger erweisen, denen nicht nur die erpresserischen Stabilitätssünder zum Opfer fallen könnten.
Quelle: ntv.de