Per Saldo Das Weltauto als Einheitsbrei
05.03.2010, 12:24 Uhr
Auch für Marketingstrategen wird es nicht leichter. Ein Markenclaim, wie bei VW "Das Auto", muss künftig weltweit passen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Genfer Automobilsalon zeigt den Weg der Großkonzerne auf: Exotisches gibt es als Studie, Uniformität dann aber in Serie. Der Trend geht zum Weltauto. Die Auto-Welt wird dadurch nicht gerade spannender.
In der Autoindustrie hat man es auch nicht leicht. Die einst so vor Selbstbewusstsein strotzende Branche befindet sich seit zwei Jahren in der Dauerkrise. Noch 2008 sahen sich die Autobauer weltweit auf dem Zenith ihrer Kraft. Doch seit dem Niedergang der us-amerikanischen Konzerne jagt eine Krise die nächste. Selbst wenn sich die einst großen Drei aus Detroit wieder auf einigermaßen festem Grund befinden, die Zeiten sind irgendwie für alle härter geworden.
Das liegt vor allem daran, dass sich die Gewichte der weltweiten Märkte verschoben haben. Der US-Markt ist nicht mehr der größte und wichtigste, auf dem alle präsent sein müssen. Der chinesische Markt ist der neue Primus unter den weltweiten Absatzgebieten. Dort einen Fuß in die Tür zu bekommen ist kein Leichtes. Die Regierung im Reich der Mitte hat knallharte Hürden aufgestellt, um den heimischen Markt zu schützen. Ohne Produktion in China geht gar nichts. Und produzieren lässt es sich dort nur in Kooperation mit einem chinesischen Unternehmen. Einfach einen Standort hochziehen ist nicht.
Nun ist es nicht so, dass Autokonzerne nicht gerne in China produzieren würde. Noch immer sind die Löhne niedrig, die Größe des Marktes rechtfertigt das Engagement und die Erfolge ebenfalls. Selbst der wohl unvermeidliche Abfluss von Knowhow hat bisher keinen nachhaltigen Schaden hinterlassen. Auch die protektionistischen Maßnahmen sind weder unrecht noch ungewöhnlich. Russland verfährt in ähnlicher Weise mit Autobauern. Dort fallen gigantische Strafzölle für Automobile an, die nicht vor Ort produziert werden. Nur können die Autobauer ja nicht in jedem Land, in dem sie verkaufen wollen, gleich eine oder mehrere Fabriken aufbauen.
Trend zum Weltauto
Wie also aufstellen, um auf den zahlreichen Wachstumsmärkten der Zukunft einen möglichst großen Fuß in der Tür zu haben? Schließlich gibt es neben China auch noch Indien, ganz Südamerika und irgendwann auch Afrika als Märkte, die die Autobauer erobern wollen. Dabei sind die wirtschaftlichen Konditionen nur ein Aspekt der Problematik. Ein anderer ist die Frage der Modellpalette.

Aufregendes aus der Nische: Nur die kleineren Hersteller trauen sich, wirklich exotische Modelle auf die Räder zu stellen. Im Bild ein City-Car von Rinspeed.
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Auf dem derzeit stattfindenden Autosalon in Genf lässt sich schon erahnen, wie der Weg wohl aussehen wird, den die Entwickler bei den Autos der Zukunft gehen werden. Der Trend geht zum Weltauto. Globale Plattformen haben sich schon lange in der Produktion durchgesetzt. GM war Vorreiter, alle anderen haben mehr oder weniger schnell nachgezogen. Es gilt, auf einer gemeinsamen Basis möglichst viele Modelle zu produzieren und dabei den jeweiligen Ansprüchen der Märkte gerecht zu werden. So baut Audi für China spezielle Langversionen der Modelle A6 und A4, BMW entwickelte eigens eine Langversion des Fünfers und baut eine solche des Siebeners ebenfalls vornehmlich für Kunden aus Fernost.
Globale Optik, Einheitsbrei bei den Motoren
Bei anderen Herstellern gilt die Devise: Ein neues Modell muss weltweit passen. Nissan zeigt in der Schweiz beispielsweise den Micra als kommendes Weltauto. Das Design ist brav und gefällig, die Motoren klein und das Angebot überschaubar. Ach ja, und produziert wird er künftig nicht mehr in England, sondern in Werken in Asien und Südamerika. Diesen Weg schlagen gerade viele Volumenhersteller ein. Optische Langeweile gepaart mit globaler, technischer Uniformität.
Das hat für den europäischen Markt im Allgemeinen und den deutschen im Speziellen durchaus gravierende Auswirkungen. Nicht nur, dass nach und nach immer mehr Standorte abwandern werden. Schon lange gibt es bei den meisten Herstellern massive Überkapazitäten. Und wenn geschlossen wird, dann in "Good Old Europe" und nicht in den BRIC-Staaten, wie die aufstrebenden Länder Brasilien, Russland, Indien und China gerne zusammengefasst werden.
Keine DS mehr in Sicht
Für Auto-Fans werden diese modernen Zeiten immer langweiliger. Neben der in Blech gegossenen Langeweile müssen sich auch Technik und Innovationen zunehmend auf den globalen Einheitsbrei beschränken. Die Chancen für einen spannenden Sechszylinder, gerne auch mit Sparpotenzial, gehen gegen Null, wenn der sich nicht weltweit vertreiben lässt. Von Exoten wie Fünfzylindern ganz zu schweigen. Audi hat zwar seit letztem Jahr wieder einen Neuen im Angebot, aber sonst geht der Trend hin zu Mainstream. Man darf sich nichts vormachen: Die Zeiten, in denen ein revolutionäres Auto wie die DS von Citroen von Genf aus die Autowelt auf den Kopf stellen, sind vorbei. Gefragt sind globale Ansätze, die sich weltweit an die Frau oder den Mann bringen lassen.

Die großen Autokonzerne zeigen auf Messen wie dem Genfer Autosalon zwar Aufregende Studien. In Serie gehen diese aber nur selten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Übrigens: Daran ist nicht der Trend zu alternativen Antrieben und Hybridfahrzeugen schuld. Wie auch immer man zu der Elektromobilität stehen mag, kein anderer Trend der letzten 20 Jahre hat für derart viel Innovation bei Antrieben gesorgt. Und gerade in Sachen Design sind in Genf von den kleinen Nischenherstellern und Tüftlerschmieden einige interessante Konzeptautos zu sehen. Für die Großen ist es hingegen schwer auf den Zug aufzuspringen. Die Antriebe werden technisch diffiziler, aber das Äußere immer konformer.
Selektion noch nicht abgeschlossen
Was zeigt uns also die Show am Lac Léman in Sachen automobiler Zukunft? Die großen Konzerne bauen optische Ödnis mit immer neuen technischen Konzepten unter der Haube, die kleinen Autobauer versuchen sich exotisch zu zeigen. Wo der richtige Weg dabei liegt, muss die Zukunft zeigen. Noch immer gehen Experten davon aus, dass in nicht allzu ferner Zukunft noch der ein oder andere Hersteller vom Markt verschwinden wird. Welcher Weg der richtige ist, um sich dieser Selektion zu entziehen, ist derzeit noch offen.
Für Liebhaber von Automobilen wird die Zukunft hingegen eher langweiliger werden. Zwar finden sich immer mehr technisch innovative Antriebe in den modernen Fahrzeugen, aber Individualität oder Aufregendes ist so schnell nicht mehr zu erwarten. Diesen Platz bieten höchstens noch die zahlreichen Nischen, die sich in den letzten Jahren aufgetan haben. Aber gerade die sind für die schwerfälligen Kolosse immer schwerer zu besetzen. Die nächste Krise kommt bestimmt, und spätestens die wird die Nischenprodukte ganz schnell wieder aus der Modellpalette fegen. Die Controller erfreut es, Ingenieure und Auto-Fans tragen Trauer.
Quelle: ntv.de