Kolumnen

Per Saldo - die Wirtschaftskolumne Das dicke Ende kommt noch

Am Tag nach dem Durchbruch bei Opel bleibt die Erleichterung an den betroffenen Standorten aus: Das Bieterrennen um den Einstieg bei dem deutschen Autobauer endet zwar mit dem Zuschlag an das Konsortium um Magna - letztlich gerettet ist Opel allerdings noch lange nicht.

Das Werk in Antwerpen: In Deutschland konzentriert sich der Kampf auf Bochum, Eisenach, Kaiserslautern und Rüsselsheim.

Das Werk in Antwerpen: In Deutschland konzentriert sich der Kampf auf Bochum, Eisenach, Kaiserslautern und Rüsselsheim.

(Foto: REUTERS)

Mit dem Zuschlag für das Konsortium um Magna hat das monatelange Gezerre offenbar ein Ende. Doch vom Fließband bis hoch in die Bundespolitik schieben sich nun die eigentlichen Probleme in den Vordergrund. Wie sieht die Zukunft von Opel aus? Sind die Arbeitsplätze der deutschen Opelaner tatsächlich zu retten? Hat die Einmischung der Politik am Ende mehr geschadet als genutzt?

"Wir sind Opel": Von diesem Motto werden sie hier in Eisenach noch ihren Enkeln erzählen.

"Wir sind Opel": Von diesem Motto werden sie hier in Eisenach noch ihren Enkeln erzählen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

In der offiziellen Lesart heißt es bei General Motors lediglich, der "Verwaltungsrat empfiehlt den Verkauf". In trockenen Tüchern ist damit noch lange nichts. Eine unterschriftsreife Einigung zwischen General Motors und den neuen Investoren erwarten Beobachter frühestens in einigen Wochen. Bleibt nur die Frage: Ist der Einstieg von Magna und Sberbank tatsächlich die beste Lösung? Und wer profitiert mehr: Die deutsche Regierung? Die russische Automobilindustrie? Der Autozulieferer Magna? Die Mitarbeiter in Bochum, Eisenach, Kaiserslautern und Rüsselsheim?

Immerhin bestehen nun gute Chancen, dass das Thema Opel aus dem Wahlkampf verschwindet. Für die Sanierung von Opel wäre das durchaus von Vorteil. Denn für die meisten Experten war von Anfang an klar, dass der Weg durch die "Restrukturierung" kaum um den Abbau von Arbeitsplätzen herumführt. Dass bei Opel "tiefe Einschnitte", anstehen, darüber besteht weitegehende Einigkeit. Doch die nun in Aussicht stehenden neuen Eigentumsverhältnisse schließen einen weitreichenden Stellenabbau in Deutschland eigentlich aus.

Ansage ohne Harmoniesoße: Manfred Wennemer (mittig) zieht bei der Pressekonferenz vom Leder. Links lauscht Dirk Pfeil, recht überlegt GM-Verhandlungsführer John Smith, wo er hinschauen soll.

Ansage ohne Harmoniesoße: Manfred Wennemer (mittig) zieht bei der Pressekonferenz vom Leder. Links lauscht Dirk Pfeil, recht überlegt GM-Verhandlungsführer John Smith, wo er hinschauen soll.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Muss es da nicht zu denken geben, dass die nun erzielte grundsätzliche Einigung unter den deutschen Vertretern in der Opel-Treuhandgesellschaft auf scharfe Kritik stößt? Opel-Treuhänder Manfred Wennemer, der sich zuvor bei Conti einen guten Ruf als Sanierer erworben hatte, stimmte gegen einen Verkauf an Magna. Der Vertreter der Länder mit Opel-Standorten, Opel-Treuhänder Dirk Pfeil, enthielt sich bei der Abstimmung der Stimme.

Wennemer sprach im Hinblick auf die weitgreifenden Arbeitsplatzgarantien von einer nicht tragfähigen Lösung. Er befürchtet, dass der Magna-Einstieg eine Auseinandersetzung mit den betriebswirtschaftlichen Problemen des Autobauers behindert. Wörtlich sagte Wennemer: "Die notwendige Restrukturierung findet aus politischen Gründen nicht statt."

Gerade an dem Tag, den einige deutsche Spitzenpolitiker als Erfolg ihrer Bemühungen inszenieren wollten, fuhr Wennemer dem Wahlkampf in die Parade. Seine ebenso überraschende wie ausführlich begründete Kritik musste Merkel, Steinmeier, Guttenberg, Rüttgers und Koch in den Ohren gellen: Noch während sich die Verhandlungspartner in ihren Statements vor der Presse gegenseitig mit Danksagungen überschütteten, bezweifelte Wennemer, dass sich Opel am Weltmarkt durchsetzen kann. Mit 1,5 Mio Autos dürfte das neue Opel-Unternehmen im Jahr 2012/13 "viel zu wenig produzieren, um effizient zu sein", sagte Wennemer. Andererseits: BMW lebt mit jährlich 1,3 Mio. Autos bislang nicht schlecht.

Solidarität kennt Grenzen: Opelaner verlassen am Tag nach der Einigung auf Magna und Sberbank ihr Werk in Antwerpen.

Solidarität kennt Grenzen: Opelaner verlassen am Tag nach der Einigung auf Magna und Sberbank ihr Werk in Antwerpen.

(Foto: REUTERS)

Bei Licht betrachtet erscheint es offensichtlich, dass die nun gewonnene finanzielle Unterstützung aus Österreich, Kanada, Russland und dem deutschen Steuersäckel nichts an den derzeitigen Marktbedingungen ändern kann. Das Unternehmen muss sich möglichst schnell den Gegebenheiten anpassen. Sonst gibt es dort auch mit den großzügsten Staatsmilliarden bald keinen einzigen Arbeitsplatz mehr zu retten.

Bislang verkauft Opel rund 90 Prozent seiner Produkte am europäischen Markt. Zu den Absatzchancen in Russland, dem einzigen Zukunftsmarkt, der Opel nach den Bedingungen der Amerikaner künftig offensteht, sagte Wennemer, er habe "großen Zweifel, ob die Blütenträume (...) wirklich aufgehen werden". Die beiden wichtigsten Pkw-Märkte USA und China bleiben Opel auf absehbare Zeit verschlossen.

Retter-Aura ohne Gummistiefel: Bundeskanzlerin Angela Merkel am Tag des Durchbruchs.

Retter-Aura ohne Gummistiefel: Bundeskanzlerin Angela Merkel am Tag des Durchbruchs.

(Foto: REUTERS)

Die Treuhandgesellschaft, bei der die Mehrheit der Opel-Anteile bis zur Unterzeichnung der Verträge mit dem Opel-Konsortium vorerst weiter liegt, billigte die Entscheidung schließlich nur dank der Zustimmung der beiden GM-Vertreter.

Aus deutscher Sicht liegt da die Frage nahe, woher die Zustimmung der Amerikaner rührt. Gut möglich, dass man in Detroit nach langem Rechnen zu dem Schluss gelangt ist, dass General Motors ohne Opel billiger wegkommt als mit.

Quelle: ntv.de

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