Inside Wall Street Deal beflügelt Wall Street
09.12.2010, 06:32 UhrBarack Obamas Steuerdeal mit den Republikanern ist wohl kein Stimulus-Paket für die Konjunktur. Es darf bezweifelt werden, dass so neue Arbeitsplätze entstehen. Dafür verprellt der Präsident die Liberalen.
Die Einigung im Steuerstreit in Amerika macht nach wie vor Schlagzeilen an der Wall Street - die meisten sind positiv. Ganz anders die Stimmung im Land. Bei den Konservativen kann Präsident Barack Obama trotz seinem Entgegenkommen gegenüber den Republikanern keine Punkte sammeln, bei den Liberalen hat er nun endgültig verloren. Nur wenige Experten glauben, dass die anstehende Verlängerung von Steuersenkungen ein weiteres Stimulus-Paket für die Konjunktur darstellt.
Im Vergleich mit bisherigen Stimulus-Paketen, mit denen Washington mittlerweile ja regelmäßig versucht, die US-Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, könnte sich das aktuell diskutierte Steuerpaket durchaus sehen lassen. Aus die nächsten zwei Jahre gerechnet hat es ein Volumen von mehr als 900 Milliarden Dollar, die sich wie folgt verteilen: Die unteren und mittleren Einkommensschichten sparen 360 Milliarden an Steuern, die Reichen sparen 120 Milliarden Dollar, und weitere 450 Milliarden verteilen sich auf sonstige Steuersenkungen und Nachlässe, unter anderem für Arbeiter.
Die Volkswirte bei Goldman Sachs, die sich zuletzt kritischer zu den konjunkturellen Aussichten in den USA geäußert hatten, sind beeindruckt. Gegenüber der New York Times zeigen sie sich "deutlich mehr auf der positiven Seite" - warum das so ist, ist allerdings schwer nachzuvollziehen.
Geld für das Investmentportfolio
Denn es bleibt dabei, dass nur ein Teil der Steuervergünstigungen die Wirtschaft ankurbeln kann. Das sind die Nachlässe für die unteren und mittleren Einkommensschichten. Denen geht es seit Jahren schlecht, sie haben kaum Ersparnisse, haben ihre Konsumausgaben entsprechend zurückgefahren - jeden Cent, den sie jetzt sparen, stecken sie notgedrungen in die Wirtschaft.
Genauso verhält es sich mit dem Arbeitslosengeld, das laut der Einigung zwischen Obama und den Republikanern um 13 Monate verlängert werden soll. Langzeitarbeitslose finden sich in einer Situation, wo staatliche Hilfe garantiert in die Wirtschaft fließt, und zwar nicht nur durch den Kauf von Konsumartikeln, sondern sogar durch den Kauf von Produkten des täglichen Bedarfs.
Für die oberen zwei Prozent der Einkommensschicht, auf die immerhin 120 Milliarden Dollar an Steuersenkungen und eine unerwartet deutliche Entlastung bei der Erbschaftssteuer fallen, machen Steuersenkungen hingegen keinen großen Unterschied im Konsumverhalten. Im Gegenteil: Je reicher ein Haushalt ist, desto mehr lösen sich Ausgaben vom Kontostand. Wenn durch niedrigere Steuern am Jahresende mehr übrig bleibt, wird das zurückgelegt oder bestenfalls ins Investmentportfolio gesteckt.
Massive Erweiterung des Defizits
Arbeitsplätze werden so nicht geschaffen, auch nicht durch Steuersenkungen für Unternehmen. Die haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder belegt, dass höhere Gewinne einen direkten Einfluss auf Managementgehälter, Boni und die Dividende haben, aber nicht auf die Größe des Unternehmens. Die Steuergeschenke der letzten Stimulus-Pakete sind mit Blick auf Jobs jedenfalls ergebnislos geblieben.
Umso bedenklicher, dass selbst das überparteiliche Congressional Budget Office für noch mehr Steuerhilfe an die Unternehmen plädiert. Dass die aktuelle Einigung eine Senkung der Lohnsteuer beinhaltet, die nur auf den Arbeitnehmeranteil anwendbar ist, nicht aber auf den Arbeitgeberanteil, passt den Ökonomen in der Hauptstadt nicht. Allein die Hilfe auf Arbeitgeberseite käme einer Subvention für neue Stellen gleich, heißt es aus dem Gremium, das sich offensichtlich immer noch auf die Theorie des "Trickle-Down"-Effekts verlässt, der schon unter Ronald Reagan nicht funktioniert hat.
Interessant ist bei Betrachtung der Wall Street, dass die Börsen überhaupt nicht auf die Schattenseite des Steuer-Deals reagieren: die massive Erweiterung des Defizits. Das wird von den rund 900 Milliarden Dollar direkt getroffen, denn nicht einmal ein Teil der Steuererleichterungen ist durch Senkung von Ausgaben ausgeglichen. Zumindest am Anleihenmarkt hätte dieser Aspekt durchaus stärkere Auswirkungen nach sich ziehen können.
Quelle: ntv.de