Inside Wall Street Die Bonus-Revolution
23.01.2013, 07:30 Uhr
JP Morgan-Chef Jamie Dimon bekam im vergangenen Jahr "nur" noch 11,5 Millionen Dollar Bonus ausgezahlt. Im Jahr zuvor war es doppelt so viel.
(Foto: REUTERS)
Schluss mit lustig für Wall-Street-Banker: Die Zeiten absurd hoher Bonuszahlungen sind vorbei. Zumindest ist eine deutliche Trendwende erkennbar. Trader müssen lernen, langfristig zu planen, auch bei ihren Anschaffungen. Der Wall Street kann das neue System nur gut tun.
Enttäuschende Quartalszahlen, Entschädigungen in Milliardenhöhe … die amerikanischen Banken und Brokerhäuser haben wieder einmal ihre Bücher geöffnet – und dieses Ereignis doch recht gut überstanden. An der Wall Street ging es für die meisten Finanzaktien ins Plus. Wo der Kurs kurz abstürzte, hat die Aufholjagd bereits begonnen. "Business as usual", außer für die Manager, die intern doch für den ein oder anderen Schnitzer gerade stehen müssen.
Nachdem die Bonuszahlungen bei amerikanischen Finanzriesen in den letzten Jahren auf absurde und teilweise geradezu unmoralische Niveaus geklettert sind, hat – wohl unter dem Protest von Behörden wie Aktionären – eine Trendwende begonnen. Einige namhafte Häuser fahren ihre Boni zurück, manche sogar drastisch. Wirklich Mitleid muss man mit den Bankern dennoch nicht haben.
Beispiel JP Morgan, die Großbank die im letzten Sommer mit dem "Wal von London" Schlagzeilen machte. Riskante Trades, die CEO Jamie Dimon zunächst als "Sturm im Wasserglas" abtun wollte – erinnert sich noch jemand an Hilmar Kopper's "Peanuts"? – kosteten die Bank letztlich mehr als 6 Mrd. US-Dollar. Zum Ende des vierten Quartals gab es jetzt die Abrechnung bis ganz nach oben. Dimon, der als Vorstandsvorsitzender letztlich zugab "man hätte mehr tun sollen", musste auf die Hälfte seines Vorjahresbonus verzichten.
Damit sackt der Mann für 2012 bescheidene 11,5 Mio. US-Dollar ein – im Vorjahr waren es 21,5 Mio. US-Dollar. Dimon's Gehalt liegt bei 1,5 Mio. US-Dollar, der Bonus wurde von 20 auf 10 Mio. US-Dollar beschnitten.
Gestaffelte Auszahlung
Auf breiter Basis denkt man bei Morgan Stanley um – zur Freude der Behörden. Die Branchenaufsicht tritt seit langem dafür ein, Bonuszahlungen zu kürzen und nicht mehr in bar auszuschütten. Genau das tut der Finanzriese. Sämtliche Boni über 50.000 US-Dollar werden ab sofort gestaffelt über vier Jahre ausbezahlt und sind an die weitere Performance des Unternehmens geknüpft. Für Morgan Stanley mag das oberflächlich den Vorteil haben, dass der Cash Flow nicht allzu sehr leidet. Viel wichtiger ist jedoch, dass Bonusempfänger lernen, langfristig zu denken und vielleicht keine allzu riskanten Entscheidungen zu treffen, die das Unternehmen – und damit den eigenen Bonus – gefährden könnten.
In den Trading-Etagen sorgte der Schritt, wenig überraschend, für Tumult. Und auch Mark Williams, der an der Boston University Wirtschaft lehrt, findet den Systemwechsel erschütternd. "Mit dem Bonus hat man sich früher Häuser und Autos gekauft", meint er. "Dieser neue Plan dürfte viele Leute ärgern, vor allem diejenigen, die im abgelaufenen Jahr gut gearbeitet haben." Williams gehört zu einer Reihe von Experten, die befürchten, dass das neue Bonus-System zu massenhaft Kündigungen führen könnte.
Morgan-Stanley-Chef James Gorman wäre das nur recht. Wer das neue System nicht mag, solle sich gerne nach einem anderen Job umsehen, sagt der Australier. Er dürfte wissen, dass die meisten seiner Leute das Risiko nicht eingehen würden – zumal künftige Bonuszahlungen bei Verlassen des Unternehmens hinfällig werden. Der Massen-Exodus bei Banken zugunsten der weniger strikt regulierten Hedgefonds dürfte also ausbleiben.
Der Wall Street kann das neue System nur gut tun – in vielerlei Hinsicht. Zum einen hat riskantes Verhalten die ganze Branche in den letzten Jahren immer wieder an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Zum anderen dürften die Banken in einer zunehmend misstrauischen Bevölkerung einen Teil der Sympathien zurückgewinnen, die sie während der Krise aufgrund ihrer unmoralischen Zahlungen verloren haben.
Quelle: ntv.de