Per Saldo Die Glaskugel muss ins Eckige
11.06.2010, 06:34 Uhr
Was nicht passt, wird passend gemacht. Oder: Das Runde muss in das Eckige - auch bei der WM.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Fußball ist unser Leben! Gleichzeitig ist nichts spannender als Wirtschaft. Kein Wunder, dass sich auch Banken Gedanken darüber machen, wer Fußball-Weltmeister wird.
Statistisch gesehen wird Brasilien in Südafrika Fußball-Weltmeister. Das sagen Finanzexperten der Deka-Bank und der Schweizer Großbank UBS. Die Volkswirte der beiden Institute berufen sich auf Daten, die "streng ökonomisch fundiert" sind beziehungsweise auf einer "quantitativen Analyse" beruhen. Satte 5,7 Prozent Titelchancen räumt die Deka-Bank der deutschen Elf ein. Das Aus für Jogis Jungs erwarten die Volkswirte dafür erst im Halbfinale: Gegen Spanien soll es dann eine Neuauflage des Endspiels der Euro 2008 geben. Rein statistisch schätzen die Deka-Experten die Chancen Deutschlands auf eine erfolgreiche Revanche gegen den Europameister auf ein Drittel. Immerhin.
Die "quantitative Analyse" von UBS Wealth Management Research, bei der die bisher bei Weltmeisterschaften erzielten Ergebnisse stark gewichtet wurden, ergibt auch: Brasilien holt den WM-Titel. Tatsächlich stammen die bisher 18 Weltmeister aus nur sieben Ländern. Das wiederum verführt die UBS, den anderen Mehrfachweltmeistern wie Italien und Deutschland auch Chancen auf den WM-Thron einzuräumen – im Gegensatz zu den Spaniern. Für den amtierenden Europameister ist laut UBS WMR bereits vor dem Halbfinale Schluss.
Alles eine Frage der Statistik
Stellt sich jetzt nur die Frage: Kann man, gerade in der heutigen Zeit, den Prognosen der Banker vertrauen? Der Urheber der UBS-Studie, Chefökonom Andreas Höfert, räumt dann auch selbst ein: "Erfolgreiche Voraussagen beruhen mindestens so stark auf Glück wie auf Fachwissen." Allerdings muss man Höfert zugestehen, dass er 2006 mit Italien als Weltmeister den richtigen Riecher hatte. Sein Debakel bei der Euro 2008 lassen wir mal außen vor, schließlich rollt der Ball in Südafrika ja weltmeisterlich.
Halten wir's lieber mit dem früheren englischen Premier Winston Churchill. Der glaubte nur an Statistiken, die er selbst gefälscht hat. Oder passenderweise gleich mit Gary Lineker, einem der bekanntesten und treffsichersten – ja so etwas gibt's - englischen Angreifer: "Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen und am Ende gewinnt immer Deutschland." Lineker sagte das nach der Halbfinal-Niederlage bei der WM 1990 gegen Deutschland – im Elfmeterschießen. Deutschland holte sich dann den Titel und sollte nach Ansicht des damaligen Bundestrainers Franz Beckenbauer "auf Jahre unschlagbar" sein.
Pustekuchen: 1994 scheiterte das deutsche Team in den USA kläglich im Achtelfinale. Empirisch betrachtet, die Regel. Denn auch nach dem Titelgewinn 1974 vor heimischen Publikum folgte vier Jahre später das frühe Aus in der Zwischenrunde. Sie erinnern sich an die "Schmach von Cordoba"? Im Nachhinein kann man also froh sein, dass Klinsi, Schweini, Poldi und Co. 2006 nicht den Titel geholt haben. Ein frühes Aus ist somit bei der WM in Südafrika – zumindest statistisch gesehen – schon einmal unwahrscheinlich.
Die Sache mit der Eintracht
Aber holen wir uns nun den 4. Stern – trotz mieser Stimmung der Banken, trotz Schuldenkrise der Euro-Zone, trotz "Wir müssen den Gürtel enger schnallen"-Mentalität der deutschen Politiker, trotz Bundeskanzlerin Angela Merkel, die schon 2006 bei der WM und 2008 bei der Euro als Glücksbringer versagt hat? Dagegen spricht so einiges: In Jogis WM-Aufgebot steht nicht ein Spieler der Frankfurter Eintracht. Der Traditionsverein aus Hessen, immerhin Deutscher Meister 1959, Uefa-Cup- und mehrfacher DFB-Pokalsieger, war bei allen deutschen WM-Triumphen mit mindestens einem Spieler vertreten. 1954 lief Alfred Pfaff in der Vorrunde gegen Ungarn auf und erzielte beim 3:8 ein Tor. 1974 spielten Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein mit dem WM-Bundesadler auf der Brust und 1990 Uwe Bein. 2010? Der einzige, der jemals bei den Hessen gekickt hat, ist Marko Marin. Der kleine Dribbler mit den großen Schuhen trug in seiner frühen Jugend mal das Eintracht-Trikot - jetzt ist es das Werder-Leibchen.
Statistisch tragfähiger, weil auf astrologischen Spitzfähigkeiten beruhend, ist da schon der Schluss der "taz": Deutschland kann kein Weltmeister werden, weil 2010 das Jahr des Tigers ist, dem wiederum das Element Metall zugeordnet wird. Bei dieser Konstellation - kommt die "taz" zum Schluss - heißt der Weltmeister mit einer "fast zwangsläufig hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit" Uruguay. Fast könnte man meinen, die Zeitung hätte das WMR der UBS benutzt, denn auch Uruguay ist Mehrfachweltmeister (1930, 1950).
Die Magie der "16" und "20"
Rein statistisch waren 2006 die Chancen größer, den Weltmeistertitel zu holen: 1980 wurde Deutschland Europameister. Und nun kommt's: Zehn Jahre darauf wartete der Weltmeistertitel. 1996 triumphierte Deutschland wieder bei einer Euro. Und? Richtig: 2006 wäre die Zeit wieder reif für den WM-Titel gewesen. Ein weiterer Punkt: Franz Beckenbauer wurde 1974 als Spieler Weltmeister, 1990 dann als Trainer. Jürgen Klinsmann sicherte sich die WM-Krone 1990. 16 Jahre später … Sie kennen die Geschichte vom zu früh geendeten Sommermärchen sicher.
Vielleicht bringt Deutschland die "20" mehr Glück. Es ist nämlich ganz einfach: Deutschland wurde 1954 erstmals Weltmeister. 1974 sicherte sich die DFB-Elf den zweiten Titel. Macht 20 Jahre Differenz. 1990 + 20 = 2010.
In dieses Zahlen-Bild passt auch die Studie eines Dortmunder Physik-Professors. Demnach gewinnt Deutschland alle vier bis fünf Weltmeisterschaften den Titel. Aufgepasst und Schampus kaltgestellt: 1990 Weltmeister, 1994 nicht, 1998 nicht, 2002 nicht, 2006 nicht. 2010 muss es also klappen – schon allein, um den Finanzexperten der Deka und UBS die lange Nase zu zeigen.
Quelle: ntv.de