Kolumnen

Per Saldo Eine Lanze für Europa

Es ist Zeit. Zeit, den Frust über ewig neue Rettungspakete für Griechenland & Co in ein neues Engagement für Europa zu kanalisieren und nicht in neuen Nationalismen und Träumen von der D-Mark zu versinken. Wir haben viel zu verlieren.

(Foto: REUTERS)

Ein Sarg, bedeckt mit der griechischen Flagge, darauf stehend das gerahmte Bild einer Ein-Euro-Münze mit Trauerflor. Mit seinem "Nachruf auf eine gemeinsame Währung" beerdigt der "Spiegel" in dieser Woche den Euro. Zumindest auf dem Titel. Denn innen blättert das Nachrichtenmagazin detailliert die Rettungspläne der EU-Politiker für Griechenland und andere Länder in Not auf, stellt historische Bezüge her, warnt vor den Risiken, die ein Scheitern der Währungsunion mit sich bringen würden und verleiht der demonstrierenden Jugend in Griechenland, Spanien, Frankreich, Portugal und Irland Stimme und Gesicht. Aber so sehr der Patient im Inneren des Magazins noch ums Überleben kämpft, so tot ist der Umschlag. Fraglich ist, was davon im Gedächtnis bleibt.

Denn das kollektive Gedächtnis ist besonders in Krisenzeiten gerne selektiv. Und im Moment haben Stimmen, die den Untergang des Euros prophezeien, Hochkonjunktur. Einfach die verschuldeten Euro-Länder aus der Währungsunion entlassen, damit sie hübsch ihre eigene Währung abwerten und sich so wieder aus dem Schuldensumpf ziehen können. Wie sie dann ihre in Euro aufgelaufenen Schulden jemals zurückzahlen sollen, wäre dann kein EU-Problem mehr. Und wo wir schon dabei sind: Eigentlich könnte auch Deutschland wieder zur DM zurückkehren. Zumindest gefühlt war doch alles besser und billiger damals. Bedenken, etwa im Hinblick auf die mächtig wachsenden Schwellenländer oder den Export, gelten bestenfalls als naiv. Führende EU-Politiker wie Jean-Claude Juncker verwandeln sich in der öffentlichen Wahrnehmung von Visionären zu Träumern, die offensichtlich auch keine praktikablen Krisen-Lösungen parat haben.

Rechtspopulisten reiben sich die Hände

Selbst wenn man zum Schluss kommt, dass die Währungsgemeinschaft dem Tode geweiht ist: Das Problem mit Europa ist, dass das Ökonomische hier immer politisch ist und umgekehrt. Und genau das bereitet das Feld für Rechtspopulisten, die eifrig die antieuropäische Stimmung für ihre Zwecke nutzen. Ob in Dänemark, wo allen Ernstes darüber nachgedacht wird, Schengen zum Trotz die Schlagbäume wieder runterzulassen, oder in Finnland, wo die "Wahren Finnen" bei den Parlamentswahlen abräumen. Auch hierzulande gehen selbst Politiker, die weit vom rechten Rand entfernt sind, mit Geschichten über ständig urlaubende Griechen bei Wald- und Wiesenveranstaltungen auf Stimmenfang.

Dass angesichts immer neuer Rettungspakete, die in letzter Konsequenz auf den Steuerzahler zurückfallen werden, das Unbehagen steigt, ist mehr als verständlich. Gerade deshalb wird es jedoch Zeit, gemeinsam darüber nachzudenken, wie das Europa der Zukunft aussehen soll. Vielleicht sollte sich auch Deutschland als Gläubigerland ein Beispiel an den Demonstranten der Schuldnerländer nehmen. Denn diese kämpfen nicht nur gegen die erstickenden Sparmaßnahmen, sondern auch dafür, dass das Privileg in der Euro-Zone zu sein, sich wieder wie eines anfühlt. Und sie demonstrieren dagegen, dass ihr Geschick von Institutionen bestimmt wird, die sie nicht demokratisch dazu legitimiert haben, namentlich die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds.

Wir brauchen Europa

Die Demonstranten in Griechenland, Spanien und Portugal zeigen, dass nicht nur im arabischen Frühling für mehr Selbstbestimmung und Wohlstand gekämpft werden kann. In Frankreich ist der Funke bereits übergesprungen. Auch hierzulande könnten wir mehr tun, als auf Stammtischniveau über faule Griechen zu schimpfen und der D-Mark nachzuweinen. Denn wir brauchen Europa ebenso sehr wie alle anderen, und das nicht nur wegen des Exports. Eine Staatengemeinschaft ohne Kriege, ohne Grenzen, mit einem mobilen Arbeitsmarkt und einer selbstbewussten globalen Stimme ist keine Selbstverständlichkeit.

Quelle: ntv.de

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