Kolumnen

Inside Wall Street Goldman Sachs: Goliath gegen David

Ein Demonstrant hält ein Plakat mit dem Konterfei von Goldman-Sachs-CEO Lloyd Blankfein hoch.

Ein Demonstrant hält ein Plakat mit dem Konterfei von Goldman-Sachs-CEO Lloyd Blankfein hoch.

(Foto: Reuters)

Der weltgrößte Finanzkonzern hat die Faxen dicke. Die Angriffe aus der kleinen "Occupy Wall Street"-Bewegung nerven auf Dauer. Er holt zu einem ganz großen Schlag aus: Ein Mini-Scheck für ein Benefiz-Dinner, auf dem die Bewegung geehrt wird, wird zurückgezogen. Jucken tut das niemanden.

Der Kontrast könnte nicht größer sein: In der einen Ecke steht der mächtigste Finanzkonzern der Welt, in der anderen ein paar hundert Demonstranten – doch Goldman Sachs nimmt die Konfrontation mit der Bewegung "Occupy Wall Street" persönlich. Einer der berüchtigtsten Firmen im Umfeld der globalen Märkte ist kein Mittel zu banal, der Bewegung eins auszuwischen.

Vor zwei Wochen gab Goldman Sachs etwa ein internes Memo aus, das Mitarbeitern den Besuch bei den Demonstranten untersagte. Warum das nötig war, ist unklar, denn kaum ein Investmentbanker dürfte sich im Camp der Hippies, der Linken, der Kämpfer gegen das System wohl fühlen. Auch in Anzug und Krawatte, selbst im feinsten Zwirn drohen Bankern bei einem Besuch im Zuccotti Park zwar keine Probleme, denn die Bewegung ist friedlich, an der Wall Street sieht man den Aufstand der 99 Prozent allerdings als eine lächerliche und fehlgeleitete Idee, die wohl kaum einen Brancheninsider nach Dienstschluss anziehen dürfte.

Jetzt hat Goldman Sachs nachgelegt. Der Finanzriese zog sich von einem Benefiz-Dinner zurück, bei dem eine lokale Sparkasse traditionell Bürgerinitiativen in New York ehrt. Unter den Geehrten diesmal: "Occupy Wall Street" – dem Sponsor ging das zu weit. Mit einem Betrag von 5.000 US-Dollar wollte der Konzern eigentlich ein Viertel der Kosten für den Abend decken, den Scheck zog man zurück. Der Kreditkartenriese Capital One war etwas großzügiger: Auch hier meldete man sich zwar von dem alljährlichen Dinner an, den Scheck über ebenfalls 5.000 US-Dollar schickte man dennoch.

Für den Veranstalter war der plötzliche Rückzug des Langzeit-Sponsors Goldman Sachs kein Grund, die Ehrung für "Occupy Wall Street" zurückzunehmen. Die Kasse ist spezialisiert auf Kredite für Arme und Unterprivilegierte, und bedient damit genau den Teil der Bevölkerung, der nun einmal unter der Politik der globalen Finanzriesen gelitten hat.

"Man kann es ihnen nicht verübeln"

Das Auftreten von Goldman Sachs – oder besser gesagt: das Nicht-Auftreten – ist nun äußerst albern. Überraschend ist der Schritt aber nicht. "Man kann es ihnen ja nicht verübeln", schmunzelt selbst Pete Dutro, der im Finanzkomittee von "Occupy Wall Street" sitzt. Im Rahmen der Bewegung ist Goldman Sachs schnell zum Lieblingsfeind geworden. Kein Wunder: Zu den wichtigsten Punkten der Aktion gehört der Protest gegen den zunehmenden und ungesunden Einfluss von Kapital auf die Politik, und kein Unternehmen ist in Washington so einflussreich wie, eben, Goldman Sachs. Die Mehrzahl der jüngsten Finanzminister, Fed-Chefs, präsidialer Wirtschaftsberater und eine Unmenge von Kabinettsmitgliedern kommt aus der Kaderschmiede an der Wall Street.

Dazu kommt das exzessive Gehaltsschema bei Goldman Sachs, das sämtliche andere Häuser in der Finanzindustrie aussticht. "Occupy Wall Street" hat sich auf Schildern bereits über die Vergütung von durchschnittlich 292.000 US-Dollar pro Mitarbeiter aufgeregt, die das Unternehmen zurückhält. Und über das Salär des Oberhäuptlings sowieso. Erst vor wenigen Tagen fiel unmittelbar an der Wall Street ein Demo-Plakat auf, dass – faktisch richtig! – den Betrag von 16.000 US-Dollar als zweierlei auswies: den gesetzlichen Jahres-Mindestlohn in den USA, und den Stundenlohn von Lloyd Blankfein.

Ein anderer Demonstrant lässt sich seit Tagen mit einem Schild fotografieren, dass Goldman Sachs als "das Werk des Teufels" bezeichnet. Nein, an dem Branchenriesen lässt man im Zuccotti Park kein gutes Haar. Steigende Gehälter bei fallendem Gewinn, massive Boni im Top-Management, das Unternehmen steht gegen alles, wofür "Occupy Wall Street" eintritt – jetzt ist wenigstens gewährleistet, dass sich bei einem gemütlichen Dinner die beiden Parteien nicht über den Weg laufen. Das wäre ja doch ungemütlich geworden. 

Quelle: ntv.de

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