Per Saldo Google poliert das Image
13.01.2010, 17:43 UhrGoogle weiß, dass sich echte Kerle mit großen Gegnern anlegen. Der Internetgigant hält sich daran und schleudert der chinesischen Regierung nun den Fehdehandschuh hin. Respekt, möchte man ausrufen, das ist mutig.

Vielen Dank für die Blumen - Vor der Google-Zentrale in Peking werden Blumen abgelegt.
(Foto: REUTERS)
Google will seine Selbstzensur in China beenden und von Peking unerwünschte Inhalte nicht mehr herausfiltern. Das hatte der Konzern auf Anordnung der Behörden seit seinem Markteintritt vor vier Jahren getan. Google begründet die überraschende Kehrtwende mit massiven Hackerangriffen aus China und dem Diebstahl von Programmdaten. Ziel sei es gewesen, Zugriff auf die E-Mails von chinesischen Menschenrechtsaktivisten zu bekommen.
Ob Peking ein Ende der Zensur hinnimmt, darf bezweifelt werden. Die Staats- und Parteiführung ist in dieser Sache recht kompromisslos. Nun droht Google also das Aus in China, in einem der weltweit größten Märkte. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise hat Wachstum vor allem einen Namen: China. Doch das drohende Aus scheint Google heroisch hinzunehmen – schließlich fordert der Schutz der Menschenrechte, der Kampf gegen die Zensur manchmal große Opfer.
Ein gutes Image zahlt sich aus
Nun ja, ganz so tapfer stellt sich die Sache wohl doch nicht dar. Denn Google kann vieles außerordentlich gut – so gehört Werbung zweifelsohne zu den Kernkompetenzen des Konzerns. Und so hat der Schritt wohl auch weniger mit Moral zu tun, sondern entspringt vielmehr einem nüchternen, betriebswirtschaftlichen Kalkül.
Zum einen hat Google in den USA und Europa derzeit ein großes Imageproblem. Die ungebremste Datensammelwut löst jede Menge Unbehagen aus, manche sehen in Google bereits einen Konzern, der die Weltherrschaft anstrebt. Da trifft es sich gut, das eigene Image kräftig aufzupolieren und den Kommunisten in Peking zu zeigen, wo der Hammer hängt. Zudem zeigt diese Strategie Wirkung: US-Außenministerin Hillary Clinton fordert wegen der von Google gemeldeten Hackerangriffe eine Stellungnahme von der chinesischen Regierung. Zugleich erwähnt sie, wie wichtig die Freiheit des Internets sei. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass Google sich in China einer freiwilligen Selbstzensur unterworfen hatte. Freiheit im Internet sieht anders aus. Das sieht das Center for Democracy and Technology allerdings anders: "Google hat einen mutigen und schwierigen Schritt für die Internetfreiheit zur Unterstützung fundamentaler Menschenrechte getan", heißt es dort.
Zum anderen weiß niemand so genau, wie profitabel der chinesische Markt für Google eigentlich ist. In amerikanischen Blogs werden wenig berauschende Zahlen genannt. Der Marktanteil wird auf 17 Prozent beziffert, die chinesische Suchmaschine Baidu hält den Löwenanteil mit 77 Prozent. Die Einnahmen auf dem Markt für Suchmaschinen verteilen sich chinesischen Medien zufolge zu 63 Prozent auf Baidu, während Google 33 Prozent erreicht. Für Googles eigene Maßstäbe ist das alles andere als ein Erfolg. Möglicherweise nutzt Google deshalb nur die Gelegenheit, um einen schon lange gefassten Entschluss umzusetzen und das enttäuschende China-Engagement zu beenden – und dabei das ramponierte Image kräftig aufzuwerten.
Wer Google nun für selbstlose Schritte lobt, sollte sich vielleicht besser noch ein wenig gedulden. Der Konzern will mit den Behörden klären, ob und wie die Suchmaschine in China ohne Zensur betrieben werden kann. Mit dem Applaus sollte deshalb gewartet werden, bis diese Gespräche vorüber sind.
Quelle: ntv.de