Inside Wall Street Kranke Banker, wenig Mitleid
16.02.2012, 06:50 Uhr
Die Krise geht auch auf die Gesundheit.
(Foto: AP)
Der Kampf um Boni ist für die Banker ein sehr harter. Wer erfolgreich an der Wall Street arbeitet, streicht nicht nur hohe Summen ein - der Betreffende hat auch mit gravierenden gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Dennoch wird in Blogs über die gestressten Banker gelästert.
Wenn das "Wall Street Journal" von dramatischen Kürzungen bei Banker-Boni berichtet, dann muss man das oft in Relation setzen. Wer etwa im New Yorker Finanzviertel arbeitet, dem geht es auch mit der Hälfte des früheren Bonus noch besser als den meisten… und doch leiden viele an der Wall Street unter der Krise der letzten Jahre. Nicht unbedingt finanziell, aber gesundheitlich.
Denn mit dem Glamour der Wall Street - oder zumindest mit dem fünf- oder sechsstelligen Bonus - kommen Essstörungen, Alkoholismus, Morbus Crohn, Arthrose und viele andere gefährliche Nebenwirkungen. Das geht aus einer Studie hervor, die demnächst im amerikanischen Wissenschaftsmagazin Administrative Science Quarterly vorgestellt werden soll. Im Rahmen einer Langzeitstudie wurden junge Banker über sechs Jahre hinweg durch ihre ersten Berufsjahre begleitet.
Zugegeben: Mit nur zwei Dutzend Probanden handelt es sich um eine recht kleine Studie, doch sind die Ergebnisse überraschend eindeutig. So hatte jeder einzelne Testkandidat im Laufe der sechs Jahre mit stressbedingten Krankheiten zu kämpfen, die meisten in Perioden, die von 80 bis 120 Wochenstunden im Büro geprägt waren und den Bankern wenig oder keine Zeit für einen emotionalen Ausgleich zur Arbeit gaben.
Lange Arbeitszeiten galten seit jeher als eine Gefahr für die Gesundheit. Bei mehr als 55 Wochenstunden, so Wissenschaftler, drohen Depression und in manchen Fehlen Herz-Kreislauf-Schwierigkeiten. Bei Büro-Angestellten ist zudem eine direkte Verbindung zwischen Wochenstunden und Fettleibigkeit festzustellen - das ist kaum überraschend.
Interessant ist aber, wie sich die Finanzkrise der letzten Jahre verschärft auf die Gesundheit von Bankern ausgewirkt hat. Zum einen haben Entlassungen und andere Sparmaßnahmen zu längeren Arbeitswochen für die verbliebenen Angestellten geführt. Zum anderen machen sich die Unsicherheit in der Branche und die ständige Angst vor Entlassung oder Gehaltskürzungen in den medizinischen Protokollen bemerkbar.
Dass der Stress und die damit verbundene psychische Belastung für die Banker überhandnimmt, zeigt eine Statistik, die parallel zur medizinischen Studie vorgelegt wird. Obwohl die Zahl der jungen Angestellten in der Finanzbranche seit 2008 bereits um mehr als ein Drittel zurückgegangen ist, streben noch immer mehr als die Hälfte der unter 40-Jährigen einen Ausstieg aus der Branche an.
Wie die Studie über gestresste Banker außerhalb der Wall Street ankommt, wird sich zeigen. Vorab wird in den Blogs gelästert, denn eines ist klar: Wenn Banker unter dem Leistungsdruck und langen Arbeitswochen leisten, dann gilt das für einfache Arbeit genauso. Wenn Banker Angst haben, ihren Job zu verlieren, dann gilt das für jeden Mann und jede Frau, die ihren Job noch haben. Die Angst, eines Tages arbeitslos zu sein, kennt man nicht nur in der Finanzbranche, sondern überall - in vielen Branchen vielleicht wegen der Probleme, die die Finanzbranche erst verursacht hat.
Quelle: ntv.de