Kolumnen

Per Saldo Leerverkäufer als Sündenböcke

Die Schuldenkrise der Eurozone führt zu Turbulenzen an den Finanzmärkten. Die Aktien französischer Banken brechen ein. Politiker halten das für unakzeptabel und verbieten deshalb Leerverkäufe. Das ist nicht nur hilfloser Aktionismus. Es bringt auch nichts.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Fallende Preise sind schlecht. Steigende Preise sind prima. Das scheint die Sicht derjenigen zu sein, die für das begrenzte Verbot von Leerverkäufen verantwortlich zeichnen. Dazu kommt offenbar die unerschütterliche Überzeugung, finstere Spekulanten würden – von grenzenloser Bosheit und ebenso grenzenloser Profitgier getrieben – Bank-Aktien nach unten prügeln und kalt lächelnd Staatspleiten herbeiführen.

Diese Sicht mag verlockend sein, sie hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: sie ist zur Realität nicht ganz kompatibel.

Warum die Kurse französischer Banken gerade in den letzten Tagen abgestürzt sind, das weiß niemand sicher. Die Gründe für Zeitpunkt und Ausmaß bleiben vage. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach stehen die Papiere wegen der Schuldenkrise der Eurozone unter Druck. Schon seit geraumer Zeit entwickeln sich die europäischen Aktienmärkte sehr viel schlechter als die Wall Street. Das ist ein alarmierendes Zeichen. An Börsen und Anleihemärkten wächst der Zweifel, ob Europa die Krise bewältigen kann. Und der Blick auf viele verantwortliche Akteure gibt in der Tat wenig Anlass zu Hoffnung.

Symbolpolitik

Jüngstes Beispiel: Frankreich, Italien, Spanien und Belgien verbieten bestimmte Leerverkäufe von Finanztiteln. Damit wollen sie "Marktturbulenzen" eingrenzen. Damit meinen sie fallende Aktienkurse. Warum allerdings kräftig fallende Preise von Übel sind und kräftig steigende Preise nicht, wird nicht verraten. Außerdem wird geflissentlich ignoriert, dass die eigentliche Gefahr von übertrieben steigenden Preisen ausgeht. Das Platzen von Aktienblasen oder Immobilienblasen hat schon viele Krisen ausgelöst – beispielsweise die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise. Unter den Folgen leiden wir noch immer.

Ein Verbot von Leerverkäufen bringt die Lösung der Schuldenkrise keinen Schritt weiter. Es ist anzunehmen, dass mit dem Anprangern von Spekulationen vom grandiosen Versagen der Staats- und Regierungschefs abgelenkt werden soll, der Krise endlich Herr zu werden.

Leerverkäufe sind an sich nichts Böses. Sie sind ein normales Mittel, um sich gegen Risiken abzusichern. Und selbst wenn sie zu Manipulationen genutzt werden und zu Übertreibungen führen können: Ein Verbot bringt nichts. Denn wer auf fallende Kurse wetten will, findet derzeit viele andere Möglichkeiten. Er weicht auf andere Börsenplätze oder elektronische Handelssysteme aus oder wählt andere Finanzinstrumente. Um Exzesse an den Finanzmärkten einzudämmen, wäre es sinnvoller, eine globale Finanztransaktionssteuer einzuführen und von den Akteuren mehr Eigenkapital zu verlangen.

Dennoch: Wer mit fallenden Kursen rechnet, der kann sich selbst dann immer zur klassischen Reaktion entschließen: Er verkauft seine Aktien. Angesichts der Schuldenkrise können die Börsen oder einzelne Werte also auch in der kommenden Woche auf Talfahrt gehen – ganz ohne Leerverkäufe.

Quelle: ntv.de

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