Kolumnen

Inside Wall Street Legale und illegale Abzocke

Neues Jahr, neues Glück – das hoffen Millionen Amerikaner, die in der Wirtschaftskrise ihren Job verloren haben. Sie machen den Arbeitsmarkt zum entscheidenden Thema im laufenden Wahlkampf. Manche nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand – nicht immer mit Erfolg.

Ein Casino im Bundesstaat New York.

Ein Casino im Bundesstaat New York.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten finden Gauner leicht Opfer. Zwei besonders dreiste Methoden, verzweifelten Amerikanern auch noch den letzten Cent aus der Tasche zu ziehen, machen zur Zeit Schlagzeilen – die eine ist schlicht und einfach kriminell, die andere ist vom Staat organisiert und wandert gerade durch den Kongress.

Zunächst zu den einfachen Kriminellen: Sie fahren eine alte Masche, auf die vor allem Arbeitslose hereinfallen, die sich noch aus eigener Kraft aus der Misere befreien wollen. "Arbeiten Sie von zuhause aus", werben sie in Anzeigen und auf Flugblättern und versprechen gutes Geld. Dabei muss der Möchtegern-Entrepreneur zunächst einmal zahlen, meistens für Lernmaterial. Wenn es das überhaupt gibt, steht meist nichts Hilfreiches über Geldverdienen drin, und immer wieder werden die Abzocker überführt. Gerade hat sich die Federal Trade Commission (FTC), die oberste amerikanische Handels- und Wettbewerbsbehörde, in Texas gegen eine Firma durchgesetzt, die Arbeitslose mit der Heimbüro-Masche systematisch abzockte. Das Problem: Die Firma hat den größten Teil der Beute längst versteckt, im außergerichtlichen Vergleich wurde jedem Opfer ein Schadenersatz von gerade einmal 9,70 Dollar zugesprochen.

Schäbig, könnte man sagen. Aber immer noch besser als direkt vom Staat abgezockt zu werden. Denn auch das kommt vor. Der Kongress berät zurzeit in Washington über die Legalisierung von Online-Wetten und Kasinos – ein Milliardengeschäft, an dem auch die Wall Street interessiert ist. Branchen-Analysten sprechen mit leuchtenden Augen von ganz neuen Gewinnpotentialen. Immerhin könnte man nach einem jahrzehntelangen Bann neue Kunden in 49 amerikanischen Bundesstaaten gewinnen. Bislang waren Online-Poker und andere Spiele nur in Nevada erlaubt, wo auch die Spielerstadt Las Vegas liegt.

Neue Online-Angebote ziehen wohlgemerkt die gleichen Kunden an wie herkömmliche Kasinos: die Armen, die am Spielautomaten ihren letzten Cent abgeben. Sie haben viel Zeit, wenig Aussicht auf einen Job und einen Funken Hoffnung, vielleicht doch eines Tages Glück zu haben. Den wenigsten ist es vergönnt, die meisten zahlen drauf – so funktioniert das Geschäft.

Besuch in Gary

Vor einem Jahr machte ich bei einem Roadtrip durch den Mittleren Westen in Gary im Bundesstaat Indiana Halt. Dort steht das Geburtshaus von Michael Jackson. Es gehört bis heute der Familie, die es mit einem hohen Eisenzaun schützt. Vielleicht wird man hier irgendwann einmal ein Museum einrichten, eine Pilgerstätte für Fans der "King of Pop". Im Moment lohnt sich das nicht, denn Gary ist so ziemlich der letzte Ort in Amerika, der Touristen anziehen könnte. Mehr als die Hälfte der Häuser sind ausgebrannt oder verbarrikadiert, ganze Nachbarschaften stehen leer. Am Broadway reihen sich meilenweit Restaurants, Geschäfte, Kinos, Banken aneinander – alle sind tot, die Schaufenster mit Sperrholz beschlagen. Es sieht aus wie in einem apokalyptischen Kinofilm.

Verlassene Häuser in Gary.

Verlassene Häuser in Gary.

(Foto: REUTERS)

Seit dem Zusammenbruch der Stahlindustrie in der Gegend, hat rund um Gary so ziemlich jedes Business dicht gemacht. Von 178.000 Einwohnern in den Sechzigerjahren sind noch 80.000 geblieben. Die Arbeitslosigkeit ist gewaltig, das durchschnittliche Einkommen pro Haushalt liegt bei rund 24.000 Dollar im Jahr und damit halb so hoch wie im Rest des Bundesstaates. Etwa ein Drittel der Leute in Gary lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Hoffnung machte den Einwohnern nur ein Business: das Majestic Star Casino am Ufer des Michigan-See. Das versprach Jobs – und dem ein oder anderen einen Millionengewinn. Vor allem aus letzterem wurde natürlich nichts. Das Kasino brachte keine neuen Investoren in die Stadt, der Tourismus lief nicht an, die Einheimischen zockten soweit sie es konnten. Das Business verlief zeitweise schleppend, die Muttergesellschaft musste zwischenzeitlich sogar in Gläubigerschutz, aus dem man sich im Dezember zurückmeldete. Die Leute in Gary haben im Kasino mehr Geld verloren als gewonnen, und dieser Trend dürfte sich bald US-weit wiederholen, wenn der Kongress der Legalisierung von Internet-Spielen zustimmt.

Quelle: ntv.de

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