Inside Wall Street Obamas Dilemma vor der Wahl
26.10.2010, 08:53 UhrWirtschaftskrisen finden nie ein schnelles Ende. Doch das interessiert die amerikanischen Wähler nicht. Bei den Kongresswahlen in der kommenden Woche erhalten die Demokraten die Quittung für die unverantwortliche Politik der Bush-Regierung. Und für Obamas allzu moderate Ziele.

Obama hat durchaus noch Fans. Aber nicht mehr so viele. Die meisten Wähler nehmen ihm übel, dass er nicht alle Probleme sofort gelöst hat.
(Foto: REUTERS)
Eine Woche vor den Kongresswahlen geht es in New York um Hexen und Waffennarren, um Abtreibung, um Schwulen-Ehe, um Sozialismus, Hitler-Vergleiche und jeden anderen Nonsens, der sich von gewissenlosen Kandidaten irgendwie in einen 30-Sekunden-Spot zwängen lässt. In Wahrheit ist aber nur ein Thema für die wahrscheinlichen Verluste der Demokraten verantwortlich: die Wirtschaft.
Die Amerikaner stellen sich vor Wahlen gerne eine Frage: Geht es mir heute besser als vor vier (oder zwei) Jahren? Bei einer Arbeitslosigkeit von fast 10 Prozent - oder von bis zu 20 Prozent in inoffiziellen Schätzungen - ist die Antwort für viele: Nein! Und das werfen sie denen vor, die gerade an der Macht sind, obwohl das nicht immer fair ist.
Barack Obama hat sein Amt in der schwersten Wirtschaftskrise seit den 1920er Jahren angetreten. Der Immobilienmarkt war zusammengebrochen, die Banken gerade mit Mühe gerettet worden, das Verbrauchervertrauen und vor allem die Verbraucherausgaben waren am Boden, die Autobauer in Detroit standen vor dem Bankrott und das Haushaltsdefizit in Washington hatte Rekord-Dimensionen angenommen. Die unverantwortliche Steuer- und Finanzpolitik der Bush-Regierung, die Steuersenkungen in Krisenzeiten, hatten das Land bereits über die Klippe gefahren.
Kein schnelles Ende möglich
Doch so sagte das keiner. Im Wahlkampf muss ein Kandidat Optimismus ausstrahlen, und Barack Obama tat das mit der Ankündigung, Industrie und Konjunktur umzukrempeln und das Land wieder auf den rechten Weg zu bringen. Das Problem: Eine solche Wende war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman schreibt in seiner Kolumne in der "New York Times", dass historisch betrachtet schwere Wirtschaftskrisen kein schnelles Ende finden. Krugman erinnert an die die Panik von 1893, an die Weltwirtschaftskrise, an die Schwedenkrise 1992 und an das "verlorene Jahrzehnt" in Japan - alles Beispiele dafür, dass die Erholung nach einer schweren Krise nur schleppend verläuft und viele Jahre dauern kann.
Obama tat sein Bestes, im Buch der Wirtschaftskrisen die rühmliche Ausnahme zu sein. Er brachte ein 800 Milliarden Dollar schweres Konjunkturpaket durch den Kongress, er sprang General Motors und Chrysler mit Milliardenhilfen bei, er verlängerte das Arbeitslosengeld für Leute, die Experten zufolge ihr Geld schneller und direkter in die Wirtschaft reinvestieren als die ohnehin liquide Oberschicht. Dass die Arbeitslosigkeit an die 10-Prozent-Marke kletterte und dort seit Monaten steht, konnte er nicht ändern.
Obama wird Opfer seiner moderaten Politik
In einem Wahlkampf, der auf traditionell amerikanische Weise polemisch geführt und dem weitgehend ignoranten Wähler keine unterstützende Fakten gibt, wird Obama jetzt Opfer seiner moderaten Politik. Die Republikaner mögen ihn wegen seines Stimulus-Pakets und der Eingriffe in Detroit noch so laut einen "Sozialisten" schimpfen, in Wahrheit - das schreibt auch Krugman - ist Obamas Plan einfach nicht weit genug gegangen. Er war konservativer als die Wahlkampfplattform vor zwei Jahren. Da ging es vor allem um Hilfe für die Unter- und Mittelschicht, doch die Wirtschaftshilfen, die der Präsident letztlich unterzeichnete, bestanden zum größten Teil aus den guten, alten Steuersenkungen, von denen vor allem die Top-Verdiener profitierten.
Man muss Präsident Obama hoch anrechnen, dass er in einem feindseligen Umfeld und trotz einer nie gesehenen Blockadepolitik der Republikaner überhaupt einige - wichtige! - Reformen durchsetzen konnte. Das Stimulus-Paket, die Gesundheitsreform, außerhalb der Finanzpolitik auch den Truppenabzug im Irak. Und es ist auch möglich, dass Obama alle schmerzlichen Kompromisse eingehen musste, um überhaupt Ergebnisse zu sehen. Doch sind es letztlich diese Kompromisse, die dem Präsidenten und damit auch seiner Partei die Bilanz vermasseln.
Paul Krugman meint, dass das Stimulus-Paket doppelt so groß hätte sein müssen. Zahlreiche andere Experten meinen, dass die Investitionen in Infrastruktur und alternative Energien nicht weit genug gingen. Doch dem Amerikaner vor dem Urnengang ist das schwer zu vermitteln. Der sieht letztlich, dass Obama seine Ziele nicht erreicht hat, die übrigens nie für zwei Jahre, sondern für mindestens vier Jahre gesteckt waren. Das alleine wird sich am Wahlabend in der kommenden Woche niederschlagen. Zur Zeit können die Demokraten nur hoffen, dass sie die Mehrheit nicht in beiden Kammern des Kongress verlieren. Sonst ist mit weiteren Reformen mit Sicherheit Schluss.
Quelle: ntv.de