Kolumnen

Inside Wall Street Realitätsverlust in USA

Die Gier ist zurück an der Wall Street. Wenn sie überhaupt jemals weg war. 144 Mrd. Dollar zahlen die größten börsennotierten US-Finanzunternehmen an Gehältern und Boni. Ein Schlag ins Gesicht der US-Steuerzahler.

Gier steht Keinem gut zu Gesicht.

Gier steht Keinem gut zu Gesicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Vielleicht ist ja Michael Douglas Schuld. Seit er die Rolle des Gordon Gekko wiederbelebt hat, fällt es der Wall Street noch leichter, aus der nicht enden wollenden Krise in die Vergangenheit abzutauchen. In gute alte Zeiten, in denen der Markt als Gottheit verehrt und Gehälter in absurder Höhe gezahlt wurden… beides ist so aktuell wie nie.

Als zu Beginn dieser Woche die aktuellen Managergehälter für die Wall Street veröffentlicht wurden, fiel so mancher in Amerika vom Stuhl. Zum zweiten Mal in Folge wird ein Rekordwert erreicht, insgesamt werden für 2010 satte 144 Mrd. Dollar an Gehältern und Boni verteilt – ohne die Bemühungen aus Washington, die Branche ein wenig zu regulieren und Top-Gehälter zu deckeln, wären die Zahlen vermutlich höher ausgefallen.

Ein Drittel Lohn und Boni

Die Banken machen es sich leicht, ihre neuen Rekord-Boni zu verteidigen. Immerhin hat die Branche im ablaufenden Jahr mehr verdient als in den letzten Jahren. Gemessen am gesamten Einkommen ist der Anteil der Managergehälter sogar gesunken – auf 32,1 Prozent. Dass ein Drittel des Unternehmensgewinns für Managergehälter und Boni ausgegeben wird, ist in anderen Branchen allerdings kaum vorstellbar.

Für die amerikanischen Steuerzahler sind die neuesten Daten ein Skandal. Denn obwohl die Regierung seit einigen Monaten dabei ist, die vor zwei Jahren geliehenen Kredite an die Wall-Street-Riesen wieder einzutreiben – mit Zinsen! – ist doch klar, dass viele reich belohnte Top-Banker überhaupt nur noch ein Unternehmen hinter sich haben, weil die Regierung in der Krise beigesprungen ist und all jene gerettet hat, die man als „too big to fail“ bezeichnet hat. Ein Problem: Durch die Rettung einiger Banken und Merger mit anderen sind manche Häuser nun noch größer als vor der Krise, man wird sie künftig also nie mehr sich selbst überlassen können.

Wo sind die Kleinanleger?

Die Top-Gehälter und Boni stehen zwar in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Lage in den USA, doch daran scheint man sich langsam zu gewöhnen. Seit Monaten fällt auf, dass auf dem Parkett der New York Stock Exchange die Bullen die Oberhand haben, obwohl monatlich katastrophale Konjunkturdaten gemeldet werden. Das Verbrauchervertrauen ist mager, was vor allem im durch das Weihnachtsgeschäft markierten vierten Quartal ein Problem sein dürfte: Die Industrie verzeichnet kein Wachstum, die Arbeitslosigkeit liegt offiziell knapp unter, in inoffiziellen Statistiken deutlich über zehn Prozent… was die Blue Chips vor diesem Hintergrund bei 11,000 Punkten zu suchen haben, ist unklar.

Allerdings spielen die Pegelstände bei den Indizes auch längst keine Rolle mehr. Der größte Teil des Handelsvolumens kommt von Hochfrequenztradern, die mit Verschiebungen im Cent-Bereich Kasse machen – ob es runter geht oder rauf, spielt hier eine untergeordnete Rolle. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Amerikas schlagen sich eher im Verhalten der Kleinanleger nieder: Die haben sich aus den Märkten weitgehend entfernt. Die Börse hat bei ihnen an Anziehungskraft verloren, und angesichts der aktuellen Gehälter ist auch kaum damit zu rechnen, dass sich Normalverdiener je wieder mit der Wall Street identifizieren können.

Quelle: ntv.de

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