Inside Wall Street Twitter: Kursrakete oder Fehlstart?
06.11.2013, 07:36 Uhr
Darf's ein Stückchen mehr sein?
(Foto: REUTERS)
Kurz vor dem Börsengang von Twitter scheiden sich die Börsengeister zusehends an der Frage: kaufen oder nicht kaufen? Die einen wetten so, die anderen argumentieren so. Ein guter Rat für unentschlossene Anleger: Einfach mal von Facebook lernen.

Haben Sie schon einmal getwittert?
Die Vögel tweeten es von den Dächern: Am Donnerstag geht Twitter an die Börse. Die Wall Street freut sich auf den spektakulärsten Börsengang seit Facebook. Kurz vor dem IPO hat das Unternehmen noch einmal den Ausgabepreis von 23 auf 25 Dollar angehoben. Das deutet auf starkes Interesse und eine mögliche Rallye am ersten Handelstag hin - oder auf Hype und einen tiefen Fall.
Insgesamt will Twitter am Donnerstag mit der Erstausgabe von Aktien fast 2 Milliarden Dollar eintreiben. Das ist knapp mehr als Google bei seinem Börsenstart kassierte - doch Google hatte nicht die Probleme, die Twitter in Börsenkreisen hat. Denn bei Google war auch dem Laien klar, wie das Unternehmen Geld verdienen würde. Bei Twitter ist das völlig unklar, und das erinnert ein wenig an die Situation bei Facebook vor anderthalb Jahren.
Facebook hatte zum Zeitpunkt des Börsenstarts eindrucksvolle Statistiken, doch eine machte Anlegern Sorgen: Immer mehr Jugendliche, so war zu lesen, nutzten das soziale Netzwerk über mobile Geräte, und für die entsprechende Plattform hatte Facebook kein Werbe- oder Anzeigenkonzept. Für die Aktie ging es ab dem ersten Tag ins Minus. Steil ins Minus. Binnen einiger Wochen hatte das Papier 50 Prozent eingebüßt, dann kam die Trendwende. Gesponserte Links eroberten die Handy-Ausgabe von Facebook, Umsatz und Gewinn kletterten und stimmten Investoren zuversichtlich - mittlerweile verzeichnet die Aktie ein respektables Kursplus von mehr als 20 Prozent gegenüber dem Ausgabepreis.
Wetten, dass? macht auch nicht schlauer
Bei Twitter weiß kein Mensch, wo das Geld herkommen soll, zumal das Unternehmen zum aktuellen Zeitpunkt noch rote Zahlen schreibt. Wer will da einsteigen? - Eine ganze Menge Investoren, glauben die Buchmacher beim britischen Anlegerservice Gray Markets. Da können wettlustige Kunden auf Kursgewinne und –verluste setzen, ohne die eigentliche Aktie ins Depot zu nehmen. Zwei Tage vor dem Twitter-IPO legt eine Analyse der Daten einen sofortigen Kurssprung auf 44 Dollar nahe. Das wäre ein Plus von 76 Prozent. So etwas gibt es, doch bei Twitter erwarten wohl nur die rosigsten Optimisten derartige Bewegungen.
In einer Umfrage beim amerikanischen Börsensender CNBC sagten jüngst mehr als die Hälfte der Befragten, dass Twitter wohl deutlich überbewertet sei. Brian Hamilton vom Finanzinformationsdienst Sageworks stimmt zu: "Man muss sich ja nur die Zahlen anschauen und ein wenig gesunden Menschenverstand anwenden" – dann sehe man, dass ein Rekordstart für Twitter nicht drin sei. Zumal die Frage im Raum steht, ob der Fehlstart bei Facebook, wo technische Probleme an der Nasdaq den Start um zwei Stunden verzögerten, bei Twitter verhindert werden können. "Bei uns sind alle Mann im Einsatz", sagt Nyse-Chef Duncan Niederauer, der fest überzeugt ist, in dem altehrwürdigen Finanztempel keine Server-Schwierigkeiten zu haben. Doch letztlich dürften auch Niederauers warme Worte für viele Anleger die bitteren Erfahrungen mit Facebook nicht aufwiegen.
In Internetforen zeichnet sich ein Trend ab, der für Anleger reizvoll scheint, aber Twitter belasten könnte: Viele Investoren wollen am Donnerstag die Finger von der Aktie lassen und hoffen auf einen raschen Kurseinbruch. Dann gilt es, die Aktie bei Schwäche zu kaufen und die nächste Rallye mitzunehmen. Wer sich bei Facebook Zeit gelassen und das Papier erst ein paar Wochen nach dem IPO gekauft hat, hat doppelt so viel gewonnen wie eilige Erstkunden. Aus solchen Erfahrungen lernt man.
Quelle: ntv.de