Per Saldo Von Athen nach Pjöngjang
17.09.2010, 13:07 UhrGriechenland steht noch immer vor dem Bankrott – daran ändern auch die Milliardengarantien von Eurozone und IWF nichts. Das wissen auch Investoren. Athens Finanzminister ist allerdings auf ihr Vertrauen angewiesen – und argumentiert deshalb wie Kim Jong Il.
Hat vor kurzem schon das bloße Erwähnen Griechenlands für Schweißperlen auf dem Gesicht des Gegenübers gesorgt, löst Hellas derzeit merkwürdigerweise kein nervöses Zucken aus. Die Aufregung hat sich gelegt, Griechenland ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Das ist sonderbar, denn noch immer steht das Land vor einem Staatsbankrott und bereitet der Eurozone fürchterliche Sorgen.
So findet die Reise von Griechenlands Finanzminister Georgios Papakonstantinou nach Paris, London und Frankfurt in der Öffentlichkeit wenig Beachtung – selbst seine im übertragenen Sinne zu verstehende Drohung mit Massenvernichtungswaffen wird kaum zur Kenntnis genommen.
Papakonstantinou will Investoren von den Fortschritten des griechischen Reformprogramms überzeugen. In diesem Zusammenhang muss er einen Staatsbankrott selbstverständlich ausschließen. Doch statt beispielsweise auf die eigene Stärke zu verweisen und zu versichern: "Griechenland wird sein Haushalts- und sein Staatsdefizit in den Griff bekommen. Schließlich haben wir die Mathematik erfunden! Ihr bekommt Euer Geld zurück!", wählt er eine wenig ermutigende Logik. Die Eurozone werde ein Bankrott Griechenlands schon verhindern, deshalb könne man getrost investieren, lässt sich seine Argumentation auf den Punkt bringen. Denn andernfalls wären die Konsequenzen verheerend.
"Eine Umschuldung wird es nicht geben. Wenn Griechenland seine Schulden restrukturieren müsste, so hätte das weitreichende Folgen für die ganze Eurozone", droht der Finanzminister. "Die Menschen übersehen die Kosten, die sowohl auf Griechenland als auch auf die Eurozone im Fall der Zahlungsunfähigkeit zukämen: Die Auswirkungen auf die Bürger und die Auswirkungen auf den Marktzugang. Wenn Griechenland umschuldet, warum um alles in der Welt würden dann Menschen noch in periphere Volkswirtschaften investieren? Das wäre ein fundamentaler Bruch mit der Einheit der Eurozone", sagt er mit Blick auf Spanien, Portugal, Italien und Irland.
Unerfreuliche Aussichten
Wer das hört, muss tief durchatmen. Diese – nicht sonderlich filigrane – Argumentation erinnert die amerikanische Ökonomin Yves Smith an Kim Jong Il. Auf diese Weise verhandele wohl Nordkoreas Führer, mutmaßt sie in ihrem Blog: "Ich könnte meine Nachbarn in die Luft jagen, also macht es für Euch Sinn, mich herauszukaufen."
Wer weiß? Papakonstantinou argumentiert möglicherweise auf seine Art, da griechische Fundamentaldaten eine andere Aussage nicht unterstützen. Yves Smith weist in diesem Zusammenhang auf den Ökonomen Ken Rogoff hin, der in Sachen Griechenland wenig Erfreuliches feststellt. "Es könnte möglich sein, den Bankrott zu vermeiden, aber einfach wird es nicht", schrieb der Harvard-Professor im Frühjahr. "Dazu bedarf es nur eines Blickes auf die offiziellen Daten einschließlich der griechischen Auslandsschulden – 170 Prozent des Nationaleinkommens – oder auf das enorme Haushaltsdefizit." Das Ganze sei aber nicht nur ein Problem der Zahlen, sondern auch der Glaubwürdigkeit. Kein Mensch vertraue den Zahlen der griechischen Regierung. Ebenso wenig Vertrauen erwecke ein Blick in die griechische Geschichte der Staatsbankrotte. Griechenland habe seit seiner Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert ungefähr die Hälfte der Zeit im Staatsbankrott verbracht.
Das sind keine guten Aussichten für Griechenland und die Eurozone, wahrhaftig nicht. Die Einschätzung Papakonstantinous ist alles andere als ermutigend. Doch er hat wohl recht. Die Eurozone wird mit aller Kraft versuchen, einen Bankrott Griechenlands zu verhindern – und zwar aus Eigennutz. So sind europäische Banken mit Milliardensummen in griechischen Anleihen investiert. Deutsche Banken und Versicherungen sind mit rund 43 Mrd. Euro dabei, allein bei der künstlich beatmeten HRE sollen es etwa 10 Mrd. sein. Bei einer Pleite Athens müssten sie den Großteil davon abschreiben, eine neue Bankenkrise wäre die Konsequenz. Welche dramatischen Folgen das hat, hat uns der Zusammenbruch von Lehman Brothers eindrucksvoll gezeigt.
Bei Papakonstantinou ist es wohl ein bisschen wie mit Kim Jong Il, auch Nordkoreas Führer steht mit dem Rücken zur Wand und greift deshalb gerne auf das Mittel schriller Rhetorik zurück. Er kann womöglich auch nicht anders. Ob es Europa nun gefällt oder nicht, es muss sich Herausforderungen stellen – egal, ob sie Athen oder Pjöngjang heißen. Nebenbei sollten es nicht vergessen, dass Griechenland zur europäischen Familie gehört und sich aufrichtig anstrengt, wieder auf die Beine zu kommen.
Quelle: ntv.de