Inside Wall Street Wall-Street-Giganten streiten um SOPA
19.01.2012, 07:28 Uhr
Eine eindeutige Botschaft
(Foto: picture alliance / dpa)
Der "Stop Online Piracy Act" sorgt für gehörigen Wirbel: Der Gesetzentwurf will Internetportale, Suchmaschinen und Netzwerke zwingen, alle Links auf Piratenseiten zu löschen. So will sich die Entertainmentbranche gegen kommerzielle Raubkopierer schützen. Der Aufschrei ist groß - und die "breite Masse" macht mobil.
Wie in jedem guten Büro reihen sich an den Handelsschranken auf dem New Yorker Parkett die Computer aneinander. Hunderte von Bildschirmen beleuchten das Parkett, auf allen derselbe Inhalt: Kurse, Charts, Diagramme, Tabellen. Facebook ist auf dem System gesperrt, Wikipedia auch, Action-Spiele sowieso. Und doch war der Protest zahlreicher US-amerikanischer Webseiten, die am Mittwoch ihre Dienste schwarz schalteten, auch auf dem Parkett ein Thema.
Dabei gab es bis vor wenigen Tagen kaum jemanden, der mit SOPA und PIPA etwas anzufangen wusste. Die beiden klingen ja irgendwie niedlich, doch stecken hinter den Kürzeln zwei hammerharte Gesetze, die das Internet in seiner bisherigen Struktur angreifen und die in Online-Kreisen als massive Bedrohung für die Pressefreiheit angesehen werden.
Es ist ein Graus
Von vorne: Der "Stop Online Piracy Act" geht auf eine Initiative der Entertainmentindustrie zurück, die sich gegen das kommerzielle Raubkopieren von Musik und Filmen wehren will. Die kostenlose Verteilung von geschützten Inhalten findet vor allem auf Webseiten außerhalb der USA statt, zum Beispiel auf "Pirate Bay", deren Server in Schweden stehen. Dort können sie dank der globalen Ausrichtung des World Wide Web von Nutzern zwischen New York und Kalifornien leicht abgefragt werden, unterliegen aber nicht amerikanischer Gesetzgebung.
Die wahren Eigentümer geschützter Inhalte können gegen die Raubkopierer und die organisierte Verteilung ihrer Daten nicht gerichtlich vorgehen. Besonders bitter: Sie müssen tatenlos zusehen, wie "Piraten" nicht nur Umsätze abgreifen, sondern auch noch prächtig verdienen, vor allem über Werbung auf den stark frequentierten Seiten.
Problem liegt im Detail
Mit SOPA wollte man nun gegen solche Seiten vorgehen. Der Gesetzentwurf will Internetportale, Suchmaschinen und Netzwerke zwingen, alle Links auf Piratenseiten zu löschen. Online-Bezahldienste, darunter etwa Paypal aus der Ebay-Familie, sollten Transaktionen mit beanstandeten Seiten stoppen. Damit wäre den Betreibern zumindest der Geldhahn abgedreht.
Grundsätzlich geht der Schutz von Inhalten im Netz in Ordnung. Das Problem liegt im Detail. SOPA lässt sich weit auslegen und könnte effektiv auch legitime Webseiten ausbremsen, auf denen sich gestohlene Inhalte befinden. Das Video-Portal You Tube, auf dem Woche für Woche mehrere Millionen Videos hochgeladen werden, könnte aus den Suchmaschinen verschwinden, wenn ein User einen Clip von Lady Gaga einspielen würde. Das kommt regelmäßig vor und hat Konsequenzen.
Beanstandete Videos werden üblicherweise in weniger als sechs Stunden gelöscht, dazu gibt es eine Verwarnung an den Copyright-Dieb. Mehr, so sagt You Tube, könne man nicht tun, mehr Verantwortung nicht übernehmen. Zahlreiche offene Netzwerke fühlen sich bedroht, eine ganze Wachstumsbranche sieht sich an die ganz kurze Leine gelegt.
Die Masse macht mobil
Die Befürworter von SOPA wiegeln ab, man wolle unter dem neuen Gesetz ausschließlich gegen Piraten-Seiten im Ausland vorgehen, die man auf anderem Wege nicht kontrollieren könne. Doch auf warme Worte aus einer Milliardenindustrie will sich die Online-Gemeinde nicht verlassen - auf eine kluge und ausgewogene Debatte im Kongress in Washington schon gar nicht. Deshalb machte man nun die Masse mobil.
Nicht nur Wikipedia schaltete seine Inhalte für einen Tag ab, auch die Bloggerdienste WordPress und Reddit, die Fotoseite TwitPic, das liberale Politikportal MoveOn und einige Webspiele ließen User nicht auf die Seite, ohne über die drohende Zensur zu informieren. Einige Webseiten appellierten an ihre Nutzer, zum Telefon zu greifen und sich beim jeweiligen Abgeordneten direkt zu beschweren. Die Aktion hatte Erfolg: Auf Washingtons Capitol Hill wurden am Mittwoch zigtausende Anrufe registriert, die allesamt eine vorschnelle Gesetzgebung verhindern wollten.
Keinen verärgern
Von so viel Aktionismus beeindruckt - immerhin wird in einigen Monaten gewählt und auch Nerds gehen zur Urne! - haben zahlreiche Senatoren eine Abstimmung über die Online-Gesetze zunächst verschoben. SOPA, und der ähnlich ausgelegte "Protect IP Act" sollen revidiert werden. Mehr will man im Moment nicht zusichern, denn Politiker beider Parteien befinden sich in einer Zwickmühle: Sowohl die alteingesessene Entertainmentindustrie als auch die Hightech-Größen im Silicon Valley gehören zu den großen Sponsoren im laufenden Wahlkampf – keinen will man verärgern.
Ähnlich verlaufen die Diskussionen auf dem Parkett der Wall Street. Sowohl die klassische Medien- und Entertainmentbranche mit Schwergewichten wie Time Warner, News Corp. und sämtlichen Hollywood-Studios als auch die Onlinebranche mit den unzähligen Startups der letzten Jahre gehören zu den wenigen Wachstumssektoren der US-amerikanischen Wirtschaft. Keinen davon will man unnötig einschränken.
Quelle: ntv.de