Inside Wall Street Wall Street straft ab
07.07.2010, 07:20 UhrDie US-Finanzmarktreform, forciert von den Demokraten, kommt. Die Frage ist nur, wie scharf sie ausfallen wird. Die Wall Street macht auf jeden Fall bereits dagegen mobil - und wie.

Erst knüppeln, dann betteln: Wall Street macht gegen geplante US-Finanzmarktreform mobil.
(Foto: REUTERS)
Unter der Führung der Demokraten und gegen den Protest der Republikaner scheint sich der amerikanische Kongress auf eine Finanzreform zu einigen. Wie scharf sie ausfallen wird, ist immer noch unklar, und das wird sich auch bis zur letzten Debatte im Capitol nicht ändern. Die Wall Street ist aber bereits in Aufruhr um die neuen Regeln und fährt für einige Politiker die Wahlkampf-Spenden zurück.
Die Wall Street hatte zu den Demokraten schon immer ein gespaltenes Verhältnis. Die meisten Händler auf dem Parkett unterstützen eher die Unternehmens-freundliche Politik der Republikaner, und bei den Chefs der Großbanken und Investmenthäuser ist das ähnlich. Vor den Ideen der Demokraten – höhere Steuern für Top-Verdiener, Regulierungen und Reformen im Finanzbereich – fürchtet man sich eher.
Erst knüppeln, dann betteln
Doch flossen die Wahlkampfspenden der amerikanischen Groß-Finanz in den letzten Jahren immer mehrheitlich zu den Demokraten. Das hat einen einfachen Grund: Der Staat New York ist, ebenso wie die Nachbarn New Jersey und Connecticut, fest im „blauen“ Lager der Liberalen. Deren Wahlsiege sind solide, sämtliche Senatoren und die meisten Abgeordneten im Repräsentantenhaus sind Demokraten – und mit denen muss man sich gut stellen.
Doch jetzt fühlt sich die Wall Street verraten. Ein Top-Manager drückt sich sehr deutlich aus und klagt über die New Yorker Senatorin Kristen Gillibrand: „Leute wie die, die sich nicht für uns stark gemacht haben, werden das mit Sicherheit zu spüren bekommen.“
Großspenden in kleinerem Umfang
Ein anderer wird in einem Bericht des Web-Portals Politico mit einer Kritik am gesamten politischen System zitiert. „Zumindest in den nächsten Monaten werden einige Leute sehr frustriert sein, und zwar die, die uns geknüppelt haben und dann später um Spenden betteln.“
Die ersten Zahlen zum Frust gibt es bereits: Die Wahlkampfspenden für demokratische Kandidaten aus dem Großraum New York liegen zur Zeit nur bei 65 Prozent dessen, was vor zwei Jahren um die selbe Zeit geflossen ist. Doch nicht nur die geographische Umschichtung macht den Politikern Sorgen. Man hat beobachtet, dass das gesamte Spendenvolumen nur um 16 Prozent eingebrochen ist, die Großspenden von mehr als 1000 Dollar jedoch um 40 Prozent. Das zeigt ganz klar: Die Oberschicht, zu der in New York eben viele Stars aus der Finanzbranche gehören, verabschiedet sich.
Mehr Aufsicht und neue Regeln
Offiziell lässt man sich dadurch nicht beirren. „Einen weiteren Zusammenbruch der Finanzmärkte zu verhindern, ist unsere Strategie“, erklärt Deirdre Murphy, Sprecherin der demokratischen Kandidaten für die anstehenden Senatswahlen. „Die Demokraten arbeiten hart an einer Reform des Finanzwesens mit mehr Aufsicht, mehr Verantwortung und neuen Regeln, und dass die Banken dagegen sind, ist kein großes Geheimnis.“
Spenden wechseln die Lager
Kein großes Geheimnis ist allerdings auch, dass Kandidaten im amerikanischen Polit-System massiv von den Spenden wohlhabender Unterstützer abhängig sind, um ihre gewaltigen Kosten für Print- und Fernsehwerbung zu decken. Außer einer Reform der Finanzmärkte wäre eine Reform des Wahlkampffinanzierung angebracht – doch die ist nicht absehbar. Vielmehr sehen die Republikaner zur Zeit eine Chance, bei Großspenden aus dem New Yorker Finanzsektor gleichzuziehen.
Positive Zeichen für das „rote“ Lager der Konservativen gibt es zuhauf. Jaime Dimon, CEO von J.P. Morgan Chase und ein Vertrauer von Präsident Barack Obama, hat 2006 und 2008 jeweils 65.000 Dollar an demokratische Kandidaten überwiesen. Ein Blick in die Wahlkampf-Spendendatei zeigt für die laufende Saison indes nur eine kleine Spende an einen republikanischen Kandidaten in Illinois auf – den Demokraten hat Dimon nichts überwiesen.
Auch Leon Black, Mitbegründer der 53 Milliarden Dollar schweren Apollo Global Management, der gemeinsam mit seiner Frau in den letzten beiden Wahlkampfjahren insgesagt 200.000 in die Kasse der Demokraten gesteckt hat, hat bisher noch keinen Scheck für 2010 geschickt. Und auf Zuwendungen von Goldman Sachs-Chef Lloyd Blankfein, der üblicherweise 50,000 Dollar locker macht, wartet man auch noch.
Bleibt zu hoffen, dass sich die Demokraten angesichts der leeren Kassen nicht von einer dramatischen und notwendigen Finanzreform abbringen lassen. Im Kongress ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Doch muss der Partei eines klar sein: Wenn die Reform zu weich ausfällt, bekommt man die Gelder der Wall Street noch lange nicht zurück, könnte aber auch bei der Basis in der Mittelschicht zurückfallen. Die spendet nämlich in der Hoffnung, dass die Banken endlich an die kurze Leine genommen
Quelle: ntv.de